Full text: St. Ingberter Anzeiger

als Gehilfe auf dem Wekk-Bureau des Zuchthauses verwendet, und 
ah den Ableben dez Vurshnöehiifen Cund nat er im Dieryy 
1864 an dessen Stelle, im welcher Eigenschast ert die Buregu⸗ 
Schreibereien und Führung der Geschäftsbücher zu besorgen. zu⸗ 
gleich aber auch das Waaren⸗Magazin zu verwalten; hatte. Er 
uußte daher die in bem Zuchthause gefertigten Fabrikate von den 
Werkmeistern Herrmann und Stark gegen Bescheinigung in Empfang 
nehmen, dieselben in einem eigenen Magazin aufstappeln, sie den 
Zäufern vorzeigen undverabreichen⸗ die Berpacung, Falturirung 
ind Versendung der ibestellten oder verlauften, Waaren anordnen, 
hierüber die vorgeschriebenen Verkaufsbücher führen und am Schlusse 
eines jeden Jahres eine sogenannte Fabrikationsnebenrechnung auf⸗ 
jellen. Mit Empfangnnahme von Geldern, sei es,daß dicselben 
ofort, oder. mittelst· Postjeuduug oder Postanweisung bezahlt wurden, 
var der Beschuldigte nicht betraut. Doch that er dies öfters, hatte 
aAber donn sofort die zeingenommenen Gelder dem Rechnungsführer 
abzuliefern. Zur Nachnahme auf der Post oder Bahn war er 
ebensowenig befugt und hatte auch in diesem Falle die Gelder 
sofort abzuliefern. Hie und da wurden auch Waaren, die noch 
nicht im Magazin des Angeklagten aufgenommen waren, verkauft 
und versendet, welche unmittelbar aus einem zweiten im Fabrik⸗ 
gebäude befindlichenMagazine, „das nicht unter seiuer Aufficht 
jand, entnommen wurden. Die Abgabe oder Versendung geschah 
edoch ebenfalls durch den Angeklagten, der über den Empfang 
dieser Waaren seinerseits den Werkführern Bescheinigung auszustel⸗ 
en und dieselben in den Verkaufsregistern vorzutragen hatte. Die 
leberwachung der Thäligkeit des Beschuldigten, insoweit sie nicht 
hurch den k. Inspector oder Rechnungsführer unmitlelbar geschah, 
zestand in der alljährlichen Revision Seitens der kgl. Regierung 
zurch einen Rechnungscommissär oder Revisor, der die wirklichen 
Material · oder Waaren⸗Vorräthe mit dem nach den Büchern sich 
ergebenden Soll ⸗Vorrathe zu vergleichen und überhaupt die aufge; 
zellten Rechnungen zu prüfen halte. Diesen Revisionen wurden 
nuf der einen Seite die Bescheiniguugen über die in das Magazin 
xbgelieferten Fabrikate und auf der andern Seite die mongtlich 
von dem Rechnungsführer und dex Injpection nach den Verkaufs⸗ 
registern aufgestellten, vierkeljährlich von der kal. Regierung revi⸗ 
dirten Verkaufsverzeichnisse zu Grunde gelegt. Da letztere bereits 
rebidirt waren, so wurde die darin, vorgelragene Stück⸗ oder 
xllenzahl ohne nähere Prüfung als maßgebend angenommien. 
Mehrere Jahre lang ergaben diese Revisionen keinen Anstand. Erst 
zei der Prüfung der Rechnung pro 1866 auf 1867 im, vorigen 
Jahre wurde ein Manco von 910 Ellen Leinwand festgestellt, dessen 
uftlärung sich bis zum April laufenden Jahres verschleppte, wo 
— 
Hierbei wurde ein unaufgellärtes Manco von 2000 Ellen Lein 
dand, sowie, in den Verkaufslisten niehtfache Raduren aufgefunden, 
vorauf ein außerordentlicher Materialsturz. porgenomuen wurde, 
der Folgendes ergghb:: 
1). bei Hanfleinwand ein Manco von 2357 Ellen; 2) bei 
Dalbwergleiuand ein Plus von 1561. Ellen; 3) bei Werglein. 
Jand ein Manco von 2135 Ellen .H hei Tuh ein, Plus von. 
19 Ellen; 5) bei Flanell ein Manco von 71 Ellen 3 6) bei 
halbleinen ein Plus von 223 Ellen. 
Der Aungeklagte fertigte bei dieser Revision auf Verlangen 
Hafens eine Zusammensteüung der bon ihm pro 1869 vis 8. 
Mai bethätiglen Leinwandverkäufe nach, seinem Verkaufsbuche au, 
er er zum Schlusse 6862/2 Ellen beisetzte, mit dem Bemerken 
„auf der Bleich?e,“ wovon der kzl. Inspector nichts wußte, und 
as der Beschuldigte damit zu erklären suchte, diese Leinwand sei 
hor mehreren Monaten an Schult in Saarbrücken verkauft und 
ür denselben auf die Bleiche gebracht worden ; dieselbe sei noch 
nicht bezahlt. In den Verkaufslisten war jedoch dieselhe nicht 
horgetragen. Nach Mittheilung dieses Ergebnisses an die kgl. Re⸗ 
nierung wurde in der Person des kgl. Rechnungskommissärs Mo— 
schel ein Special · Commissär zur genauen Prüfung sämmitlicher 
Rechnungen des Zuchthauses abgesendet und zugleich entsprechende 
Mittheilung an den kgl. Staatsprocurator in Kaiserslautern ge⸗ 
machi, worauf der Angeklagte am 12. Mai laufenden Jahres 
erhaftet wurde. Eine genaue Revision und kontradiktorische Fest⸗ 
dellung mit dem Beschuldigten stellte fest, daß außer den von 
—Iä Aufftellung der Anklage unterschlagenen Beträ⸗ 
— noch Waarenbeträge ad 2070 fl. 48 kr. 
sehlen. Bezüglich der letzgenanuten Manco's ließen sich keine hin⸗ 
reichenden Verdachtsmomente beibringen, daß sie von Unterschlag⸗ 
ungen durch den Beschuldigten herrühren. Nach der Behauptung 
der igl. Staatsbehörde hat derselbe nun folgende Beträge 
anterschlagen: 
i) 3974 Ellen Leinwand im Werthe von fl. 1688. 47 kr. 
2) den Berkaufspreis von 10 Ellen Tuch 
im Betrage von fl. 22. 
3) deßgleichen von 160 Ellen Flanell im 
Betrage von 4. 184. 10 kr. 
4) von drei Beitdecden im Betrage von 
5) den. Verlaufspreis eineʒ Strohdecke 
jm Betrage von 47 
5) Handschuhfabrikationslzöhne in 
sammtbetrage von 
— — 
4 kr. 
⸗2fte 1029730 kr. 
zusammen fl. WB8 81 
Der. Angeklagte gesteht die Unterschlagung eines Betrages 
on 2317 fl. 19 kr. ein. Die Anklage lautet ferner auf ver—⸗ 
hiedene Fulfchungen in den Verkaufsverzeichnissen der Jahre 
864 bis 1866, weelche in der Absicht, um die Anterschlagungen 
u verbergen und vor Entdeckung sicher zus stellen, vorgen ommen 
vorden seien. 
An In derzNacht vom 5. auf den 6. Juni entwich der Be—— 
huldigte · unter Beihilfe des Beschließers Müller, den seine Frau 
u diesem Zwecke bestochen hatte, mit diesem Besschließer aus dem 
lutersuchungsgefängnisse und, flüchtese nach Fraukreich, wurde aber, 
zwie Müller, in Havre, wo sie bereits einen Ueberfahrtsvertrag 
jach Ametika abgeschlosien hatten, am Borde des Dampischiffes 
Bestphalia, in dessen Registern fie unter falschen Namen eingetra⸗ 
jen waren, verhaftet und ausgeliefert. Das Dienstverhältniß 
zes Angeklaglen beruhte auf. Privat-Uebereinkunft mit dem Amtz- 
horstande des Zuchthauses, weßhalb eine öffentliche Verpflichtung 
nicht nothwendig war. In seinen dienstlichen Leistuügen zeigte er 
ich sehr fleißig und außerordentlich“ gewandt; er übersah den 
getrieb im Zuchthause und war mit dem Rechnungswesen voll⸗ 
ommen vertraui. Sein dienstliches Benehinen erschien offen und 
icher und nie kriechend. JIm Jahre 1865 verehelichte er sich und 
—DDD——— 
ehr ungünstig über sein verschwenderisches Leben, namentüch in 
yn letzten Jahren, aus, während doch jein Gehalt, blos 850 
Hulden beirug.. 
Die Vertheidigung, welche Herr Advocat-Anwalt Keller über 
iommen hatte, führte aus, daß die Unterschlagung sich blos auf 
zie vom Angeklagten zugegebene Summe von 2817 fl. 19 kr. be⸗ 
aufe. Ein weiterer Betrag sei mcht nachgewiesene Wenn ein 
rößeres Deficit vorliege, so sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, 
aß bei dem ausgedehnten Betriebe dasselbe durch Irrthü ner ent⸗ 
fand, oder durch Veruntreuung anderer Personen verürsacht wurde. 
damentlich sei es wahrscheinlich, daß der 1864 perstorbene Vor— 
änger des Beschuldigten, Cund, einen bedeutenden Receß hinter⸗ 
ijeß. Hinsichtlich der Anklage wegen Fälschung müsse Freisprechung 
cfolgen, da die zu diesem Vergehen erforderliche Absicht rechts⸗ 
vidriger Täuschung nicht nachgewiesen seiz denn der Angeklagte 
zabe die Veränderungen an den Vertaussverzeichnissen jedenfalls 
nuch zu dem Zweck vorgenommen, um das erwähnte von seinem 
Borgaͤnger überkommene Deficit zu verdecken, beziehungsweise, uin 
je Jahresrechnungen lappen“ zu machen. Es, sei nun, aber 
uͤcht möglich, herzustellen, durch welche ere das don Enno her— 
ührende habe verbergen wollen. 4— 
Die Geschworeuen erklärten den Angeklagten dez Verbrechen⸗ 
der Unterschlagung, jedoch blos in dem von ihin zugegebenen 
Betrage von 2317 jl. I9 Ir. und des. Vergehens der Fälschung 
sur schuldig, worauf der Schwurgerichtshof densel hen in eine Zucht⸗ 
aussirafe don 8 Jahren verurtheilte, deren Verbüßung in einer 
Festung angeordnet wurde. ue 
Vermiach 8ß. 
iMirnchen, 25. Nov.“ Die Briefmarkensammler“ haben 
nun bald Gelegenheit, ihre Sammlungen mit einer neuen Gattung 
wn Marken zu bereichern. Während nämlich im norddeutschen 
gundesgebiete bisher, wie bei uns, dienstliche Sendungen unmarkirt 
et Post abgegeben wurden, sind jetzt, und zwar vom 1. Januar 
870 an, auch“ die dienstlichen Seudungen bwer Behötden 
vort mit Matten zu frankiren. Zu diesem Zweckewerden eigene 
uuf den bejzeichneten Gebrauch? beschränkte Briefmarken hergestellt, 
velche die Werthziffer )4, qjs, *2, J und 2 Groschen, und andere, 
pelche die Werthziffer 1.2, 8 und 7 Kreuzer (fürdie im Gebiete 
es Guldenfußes liegenden Theile) zeigen.Für jene ist blaßröth⸗ 
iches, für diese einfach weißes —XV— 
ciden Sorten ist schwarz.“ Die Ausstattung' erweist sich als eine 
ehr einfache, die Umschrift heißt: NRorddeutsche Post. 
FtZwischen Jugoifingen und Ebersthale (bei Künzelsau) ist 
— wohl in Folge der juͤngsten Erderschütterungen eine circa 5 
Fuß weite und eiwa 400 Fuß tiefe Erde röffnung entstanden. 
FStuttgart, 22. Nov. Dem „Wanderer? ist aus Stutt⸗ 
jart die RNachricht zugegangen, daß Prinz Iturbide, der Prülendent 
zer Mexikanijchen Krone, sich nächstens mit einer reichen Stuttgatlet 
Erbin, Fräul. v. Kaufmann, vermählen wird. Letzerer tritt zuvor 
ur katholischen Kirche über. Fräulein v Kaufmann ist Nichte des 
Stadtrath von Neurath. Primz Iturbide heabsichtigt, nach seiner 
Bermählung mit seiner“ jungen Frau und dem Pater Fischer 
demselben, der in der Leidensgeschichte des Kaisers Max eine Rolle 
pielte) nach Mexiko zurückzukehren.