Full text: St. Ingberter Anzeiger

und · ohne Obdach. Eine solche Lage ist gerade jeht bel einlre⸗ 
endem Winter eine wahrhaft trostlose. Ob die furchtbare Kata- 
srophe auch Menschenleben kostete, ob wieder, wie bei der MAehten 
eberschwenmung, Thiere heerdenweis zu Grunde gingen, ist his 
jurx Stunde hier unbekannt ⸗ J 
7783veiburg, 8. Dec. Die hiesige allgemeine Stiftungs⸗ 
Toinmission hat aus ihrem Archive eine Anzahl von ungefähr 
2000 Stück Pergamenturkunden aus dem 14. und 45,. Jahr⸗ 
hundert an Händler zum Einstampfen ꝛc. verkauft, nachdem varher 
dier Siegel von den Urkunden abgenommen waren. Glücklicher 
Weise isi man diesen historischen Schätzen nachträglich Sauf die 
Spur gekommen und ist ihre Erhaltung zu hoffen. 
p'In Pasris ist ein junger Mann, der eine große Anzahl 
von Kaufleuten mit falschen, Wechseln betrogen; hutte, mit der 
Summe von —400,000 Fr. durchgegangen. — Der berühmtt 
Weinberg Clos⸗Vougeat (Burgund) ist um 1900,000 France 
derkauft worden. 
FMord einer Sangerin. In Angouléme hat der 
Negissenr des Alcazar am 30. Nov. die erste Sangerin in Folge 
eincs den Dienst beteffenden Streites mit einem Revolver ei⸗ 
schossen. Den auf ihr Geschrei hexabgeeilten Maschiniften. der dem 
Morder Vorwürfe machte, streckte eine zweite Kugel zu Boden. 
4 Die Londoner Velocipedisten haben beschlossen, wenn der 
Winter strenge wird, ein Rennen auf dem Fise zu veranfhalten. 
An dlutigen Nasen und Köpfen wird es daun wohl nicht fehlen. 
(Ein neuer Schifffahrts-Kanal.). Die glüd. 
liche Vollendung des Suezcauals hat ein ähnliches Unternehmen in 
England angeregt. Es ist nämlich ein Projelt aufgetaucht, den 
englischen und den Bristol-Kanal durch eine Wasserstraße zu ver⸗ 
binden, die, an der Bridgewater-Bucht beginnend und an der 
Mündung des Flusses Exe endigend, dem Handel zwischen Eng 
land und dem Konlinent eine neue, um fast 300 Meilen kürzere 
Seeroute eröffnet, und gleichzeitig die lange und gefährliche Pas⸗ 
sage um das Laud'send gänzlich vermeidet. Die Kosten des Ka 
nais, der den Namen „Great Western Maritime Ship Canal“ 
führen wird, werden einschließlich der Hafen und Dochbauten auf 
1,500,000 Pfd. St. veranschlagt. Das Projelt,“ dessen weittra⸗ 
gende Bedeutung für den englischen und festländischen Handel nicht 
su verkennen ist, findet in Süd Wales und andern Theilen des 
onigreichs viele Aufmerksamkeit und dürfte wohl zur Ausführung 
—Rœ — 
4 Wie in Belgien hat sich jetzt auch in Schweden, und zwar 
punächst in Malmöe, ein „Knabenverein zum Schutze junger Bögel“ 
Jebildet und unterm 2* Dezember einen Aufruf an die Kinder. 
snaben und Mädchen Deutschlands“ zum Anschluß ergehen lassen. 
Es handelt darum, daß die Jugend sich verpflichte, die kleinen 
Vogel wohl zu behandeln, nicht zu schädigen, nicht ihrer Eier oder 
Jungen oder Nester zu berauben ꝛc., auch alte Bäume und junge 
Baumpflanzungen zu respectiren und zu schützen. 
*— —RU 
Volkswirthschaft, Handel und Verkehr. J 
München, 15. Dec. Im Jahre 1870 werden nachstehende Ver⸗ 
idosungen der bayerischen Staatsschuld vorgenommen: 1) Am 15. Ja— 
nuar 1870: a) Verlosung der Militär⸗Anlehens⸗Obligationen zu 4 
Prozent von 1855, b) Verloosung der Eisenbahn⸗Anlehens Schuld 
zu 4 Prozent und zu 424 Prozent (auf den Inhaber und au' 
den Namen); 2) am l. März 1870: 4. Serienziehung der Aprozen⸗ 
tigen Prämienleihe von 1866; 8) am 15. März 18703 Ver— 
loosung der ssprozentigen Grundrenten⸗Ablosungs-Schuldbriefe; 
4) am 16. März 1870: Verloosung des neuen allgemeinen 
Anlehens von 1857 zu 4 Prozent (auf den Inhaber und auf 
Namen); 3) am 19. Aprii 1870: a) Verloosnug der 3 arrosirt 
Aprozentigen Mobilisirungs · Obligationen der Privaten (auf den 
Inhaber und auf Namen); b. Verloosung der 2prozentigen Obli 
Jationen der Stiftungen und Gemeinden; 6) am 2. Mai 1870 
1. Prömienziehuag der 4prozentigen Prämien ⸗Auleihe von 1866 
7) am 31. Oktober 1870: Verloosung der 4projentigen Grund 
renten⸗Ablösungs⸗ Schuldbriefe. e u 
Die Bahnlinie Winden — Bergzabern wird in diesem Jabre 
nicht mehr eroöffnet werden. 
Oesterreichische Sechsser. Der „Handelsverein für 
Darmstadt und Bessungen“ hat in seiner Sitzung am 6. d. be⸗ 
ichlossen, an das k.nk. dsterreichische Reichsfinanzininisterium in Wien 
eine Vorstellung zu richten, worin er bittet, den Einloͤsungsterm in 
der österreichtschen Silbersechser bis zum 1. Januar 1871 zu 
prolongiren und die fraglichen Sechser durch Banquiers an den 
hedeutendsten Plätzen Süddeutschlands gegen füddeutsche Münze 
»der süddeutsches Papiergeld zu ihrem Rennmwerthe einlösen 
zu vassen. 
kLandwirthschaftliches. 
Wäesendüngung. Nicht selten hört man Seitens der 
dandwirthe die Meinung aussprechen, die Wiese sei da, um den 
Dünger erzeugen zu helfen, aber nicht um ihn zu consnumiren. 
Bar leicht ist es, eine solche Redensart von Mund zu Mund zu 
ragen; wie denn auch solche, die nicht gewöhnt sind, selber zu 
denken, ebenso leicht empfänglich sind, derartige Redensarten für 
baare Münze zu nehmen. Daß bewässerbare Wiesen ohne Dünger⸗ 
zufuhr dauernd gute Ecträge bringen können, leuchtet leicht ein, 
nameutlich wenn das Bewässerungswasser ein solches ist, das viel 
Dungftoff in Lösung enthält oder auch solche nur mechanisch mit 
sich führt. Daß aber eine Wiese, die der Bewässerung ganz ent⸗ 
behren muß, allmählig mehr und mehr derarmt und schließlich nur 
noch einen Standort für Moos und nicht für Gras bildel, sollte 
doch Jedermann ohne weitere Belehrung einleuchten. Dies scheint 
indessen nicht der Fall zu sein, denn ˖ tausende und abertousende 
Morgen Wiesen schmachten in größter Armuth, während deren 
Besißer die Dungstoffe in der nachlässigsten Weise behandein oder 
zar ganz verloren gehen lassen. Wie leicht wäre es doch bei 
zgutem Willen und Sammelsinn sich alljährlich aus den gewöhnlich 
verzettelt gehenden Dungtheilen der verschiedensten Art sich einen 
um Wießendung guten und ausreichenden Compost zu bereiten. 
Was damit erreicht werden kann, mag das folgende Beispiel 
lehren. — In Gehölz (Lothringen) befindet sich ein circa 120 
Morgen großer Wiese ncomplerx, welcher, seit langer Zeit fast nur 
Moos und Flechten tragend aus diesem Grunde vor 7. Jahren 
nmu die Summe von 12,800 Franken verkauft wurde. Der neue 
Figenthümer bemühte sich, diese Wiesen theils mit Pfuhl, theils 
mil Compost tüchtig zu überbessern, was er mit einent Aufwande 
jon 17006 Franken erreichte. Im September kam dieser Wiesen⸗ 
romplex erbtheilungshalber zur Versteigernng und wurden für den⸗ 
elben 41,600 Franken erlöst. 
Wir avisiten den Lesern das Eintreffen des dritten Heftes 
(5. Band) vom Salon für Literatur, Kunst und Ge⸗ 
sell schaft.“ Giebt es doch in Deutschland keine Zeitschrift, welche 
mit so lebhaftem und eines so reichen Lohnes sichern Interesse ver⸗ 
folgt wurde, wie diese. Das neue Heft bringt voran den ersten 
Theil einer tieferregenden, durch iht geheimnißvolles Wesen fesseln ⸗ 
des und durch überaus kunstvoll geplantes Vorschreiten spannenden 
Novelle „Walpurgis“ von Gustas zu Putliß, der jedem Thea⸗ 
jerfreund durch seine Lusispiele ans Herz gewachsen ist. Er zeigt 
sich hier von einer ganz anderen Seite und jeder Leser wird ihn im 
Salon“ freudig zu begrüßen Ursache finden. — Julius Ro— 
zenberg widmet dem Kunstblatte: Die Toilette? ein aller⸗ 
jebstes Gedicht. — Mit Staunen werden dann die Leser in dem 
Artikel: „Die urterirdischen Militärstationen von Pa— 
ris“ das erfinderische Talent des Machthabers von Frankreich 
erkennen, selbst unter der Weltstadt, in den neuen Cloalen, mili- 
ärische Verbindungscanäle für den Foll eines Aufstandes zu schaf· 
fen. — „Aus der Werkstatt eines Dichters“ (Heinrich Heine 
liefert Adolph Strodtmann, der Herausgeber seines Nachlasses, 
höchst interessante autographische Blätter mit allen Originalcorrec⸗ 
suren und Aenderungen von des Dichters Hand, um zu zeigen, 
wie Heine durch einsiges Feilen die Pfrile seiner Lieder schärfte 
und ihren Zauber verstärkte, was Niemand ahnte. — Ein beson⸗ 
deres Gewicht legen wir auf die Beitrage über „Das Concil 
und seine Größen“ und den „Sue zcanal“, worin die beiden 
vichtigsten Fragen der Zeit in eben so gründl icher wie geistvoller 
Weise besprochen werden. -Ersterem Artikel sind die gelungenen 
Portraits der hervorragendsten Bischöfe beigegeben, jener Manner, 
helche in Rom über die gesammte Aufklärung des Jahrhunderts 
u Gericht sitzen wollen. — Meisterhaft ist UÜdo Brachvogel's 
Federzeichnung nach der Natur“: „Ein Wald am Missisip⸗ 
zue, so lebensvoll geschildert, daß der Leser sich im Geiste unw ill⸗ 
fürlich der Streiferei durch die grandioseste Waldscenerie anschließt. — 
Die Liebe im Dativ? von Paul Lindau nennt sich ganz 
chlicht: „Eine Federzeichnung zu Schattenrissen“ (es handelt sich 
m die berühmten Silhouetten des Künstiers Kinewka), aber diese 
—XVV humorvolle Erzählung aus 
qner Ueinen Stadi, mit einem spaßhaften Liebensabenteuer, daß 
selbst der verrotteste Hypochonder sich nicht des Lachens wird er⸗ 
vehren koͤnnen; und in ganz gleicher Weise, nur mit stürkern 
Farben aufgetragen und scharf einschneidend wirkt der Brief 
ines deutschen Kleinstädters ⁊c.“', ein lustiger Geiselbruder 
einer Vorgaͤnger, der munter den Skorpion und die Britsche 
chwingt. — Das vorliegende Heft enthält des Schönen und 
GBlänzenden in Wort und Bild noch viel mehr, doch müssen wir 
ans auf diese wenigen Andeutungen deschränken und wollen hier⸗ 
mit nur die gerechte Wißbegierde der Leser angeregt haben.