Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ein Zeichen der Zeit. In einer Nummer der 
Kolnischen Zeitung“ vom 13. Jan. fiel uns folgendes Inserat 
in die Augen: „Ein sechs Wochen altes Knäblein zu verschenken.“ 
Die Expedition sagt wo.. 
Deutsche Schillerstiftung. Vom Verwaltungs— 
raih der Schillerstiftung wird soeben der 9. Jahresbericht veröf⸗ 
fentlicht. Die Einnahmen der Stiftung beliefen sich im Jahre 
1868 auf 15,645 Thlr, und 3611 fl. z. W.; die Ausgaben 
auf 11,205 Thlr. und 2598 fl. Davon wurden 3907 Thlr. 
für lebenslängliche, 6600 Thlr. für einmalige, ein⸗ oder mehr⸗ 
jährige Unterstützungen verwendet; hiezu kommen aber noch zum 
Theil ansehnliche Unterstützungen durch die Zweigvereine; so daß 
überhaupt 12,221 Thlr. und 3093 fl. õ. W. an Schriftsteller 
und deren Angehörige verausgabt werden konnten. 
FFreiligreth-Sammlung. Das Centralcomitee 
für die FreiligratheDotation in Barmen bveröffentlicht das Resultat 
seiner Wirksamkeit. Das Ergebniß darf ein außerordentlich gün—⸗ 
stiges genannt werden. Nach Abzug der Unkosten blieben 
19,359 Thlr. 23 Sgr. 1 Pfg., die theils an den Dichter baar 
ausgezahlt, theils für ihn in soliden Papieren zinstragend ange—⸗ 
— 
burger Comites vorhandenen 5300 Thlr. und die beim Berliner 
Tomite noch befindlichen 3850 Thlr. so daß die gesammte 
Summe der Dotation 58,444 Thaler 8 Silbergroschen und 
9 Pfennig beträgt. V— 
f Die in diesem Jahre in Wittenberg stattfindende 
Gewerbe⸗Ausstellung soll, wie nunmehr definitiv festgesetzt ist, am 
1. Juni eröffnet werden. Mit den Vorarbeiten zum Bau der 
Ausstellungshalle wird man in diesen Tagen beginnen. Dieselbe 
soll eine Länge von 488 Fuß und eine Breite von 266 Fuß er⸗ 
halten; die Kosten der Hersteilung sind vorläufig auf 60,000 
Thaler veranschlagt. Anmeldungen sind aus allen Theilen Deuisch- 
lands bereits sehr zahlreich eingelaufen, seitdem bekannt geworden 
daß der Kronprinz das Protectorat übernommen hat. Oesterreich, 
Bayern und Baden sind besonders stark dabei vertreten, während 
von Berlin aus erst eine verhältnißmäßig geringe Zahl von Aus⸗ 
stellern angemeldet ist. 
fFHamburg, 4. Febr. Der „Freischütz“ erzählt: Ein 
angeblicher Agent aus Berlin, der in einem der ersten hiesi gen 
Hotels logirte, besuchte Freitag Abend in Gesellschaft eines Kauf⸗ 
mannes aus Frankfurt a. M., mit dem er zusammen logirte, die 
Stadttheater⸗ Maskerade. Der Berliner löste die Billets und nahm 
die Garderobemarken in Empfang, um sie aufzubewahren. In 
der Nacht schmausten die beiden Fremden, und Ersterer trank 
dem Kaufmanne so lange zu, bis dieser in eine höchst gehobene 
Ztimmung kam. Diesen Moment benutzte der Berliner, indem er 
sich auf Grund der betreffenden Marke den Rock des Andern aus— 
händigen ließ. Er nahm aus der Tasche dessen Kofferschlüssel, 
begab sich in das Hotel, öffnete den Koffer und etwendete daraus 
ein Portefeuille, in welchem sich eine Summe von ca. 1000 Thlrn. 
in Werthpapieren befand; hieraus kehrte er zu der Maskerade 
zurück. Es war schon spät Morgens, als Beide nach Hause 
kamen; der Frankfurter legte sich zu Bett und wachte vor Sams⸗ 
tag Abend nicht wieder auf. Inzwischen war der Berliner mitl 
den Werthpapieren bereits am Morgen abgereist; wohin er sich 
gewandt, ist noch nicht zu ermitteln gewesen. Auf eingezogene 
polizeiliche Erkundigungen hat sich ergeben, daß derselbe in Berlin 
nicht ansässig ist. 
1 Ganz Paris beschäftigt sich mit einem Vorfalle, der nahezu 
auf dem letzten Opernballe ein schreckliches Drama herbeigefuͤhrt 
hätte und wahrscheinlicher Weise Veranlassung zu einem Scan—⸗ 
dalproceß bieten wird. Am Sonnabend Vormittag erschien eine 
junge, der Demi⸗monde angehörige Dame bei einem Polizeicom⸗ 
missir und gab nachstehende Erklaͤrung ab: Ein polnischer Graf 
habe sie besucht und ihr 20,000 Fr. geboten, wenn sie es auf 
dem Opernballe dahin brächte, daß ein Herr, den man ihr be—⸗ 
zeichnen werde, vergiftete Bonbons von ihr annähme. Die Bon⸗ 
bons würden sich in einer Enveloppe von Boissis befinden. Die 
Dame gab sich den Anschein, auf den Plan einzugehen, um die 
Polizei von dem verbrecherischen Vorhaben in Kenntniß setzen zu 
können. Am Abende des Balles verhaftete man vor ihrer Woh— 
uung den polnischen Grafen in einem Fiaker und fand in der 
That eine Dütte von Boisé, sowie eine andere voller Bonbons 
bei ihm, die man für vergiftet hält. Ein Student der Medicin, 
ebenfalls Pole, soll bie Bonbons präparirt haben. Die Persön⸗ 
lichkeit, welche man vergiften wollie, war der Herzog von Beauf- 
fremont. Der polnische Graf welcher durchaus keinen guten Ruf 
genießt, ist der Geliebte der Herzogin von Beauffremont, die 
bon ihrem Manne getrennt lebt; er sowohl wie der Student 
sind verhaftet. 
1Paris, 5. Febr. In den eleganten Stadttheilen von 
Paris begegnet man jetzt häufig einer Equipage, die durch ihre 
Bferde Aufmerksamkeit erregt, denn das eine ist schwarz wie Eben⸗ 
jolz, das andere weiß wie Schnee. Eine Dame in Trauer, dun⸗ 
elfarbig gleich einer Andalusierin, nimmt den Fond des Wagens 
in. Sie ist die Wittwe eines reichen Amerikaners, der sie in 
hrem achtzehnten Jahre heirathete; die Hochzeit fand an seinem 
iebenzigsten Geburtstage statt. Zwei Jahre hindurch genossen die 
Neuvermählten des Glückes ihrer Verbindung, und in ganz New— 
Orleans sprach man nur von dem schönen Greise mit dem Silber⸗ 
jaar und der jungen Frau mit den Rabenlocken. Nach dem Tode 
»es Gatten fand sich in seinem Testamente die Forderung, daß 
»ie Wittwe nie anders als mit einem Schimmel und einem Rappen 
ahren, und daß sie sich drei Jahre nach seinem Tode wieder 
erheirathet haben solle. Geschähe das Eine oder das Andere 
nicht, so fiele das große Vermögen den Seitenverwandten zu— 
Nun fährt die arme Dame umher und kann das Aufsehen nicht 
zermeiden. Man fragt nach ihr und erfährt die Testamentsklau— 
sel; dann zuckt man die Achseln und lehnt es ab, um einer Geld⸗ 
umme willen sich — heirathen zu lassen. J 
Wie riesenhaft der Wasserdruck ist, gegen den das atlan⸗ 
ische Kabel zu kämpfen hat, zeigt eine Thatsache, die noch nicht 
diel bekannt sein dürfte. Wenn ein Schiff auf der Fahrt nach 
Amerika die Region der großen Tiefen erreicht hat, wird dem 
Keisenden jetzt gewöhnlich folgender Versuch gezeigt: Eine Flasche 
Champagner die vollkommen unberührt und verschlossen ist, wird 
nit dem Sentlblei so tief wie möglich hinabgelassen und nach 
inigen, vielleicht zehyn Minuten wieder heraufgezogen. Stait des 
Thampagners findet man jetzt beim Ablösen des Drahtes und 
Deffnen des Korles eitel Meerwasser, trotz dem der Flaschenber⸗ 
chluß · vollkommen unversehrt war. Der starke Druck der auf der 
Flasche lastenden Wassersäule hat nämlich das schwere Meerwasser 
zurch die Poren des Korles und des Glases hineingepreßt, wäh⸗ 
rend der leichtere mussirende Wein herausgedrückt wurde. (Kauft 
ilso keinen Champagner, der die See passirt und dieses Meer⸗— 
vunder erlebt hat). J 
Etwa 60 Werst von Taschkent sind große Kohlenlager 
entdeckt. Das preußische Eisenbahnnetz hat auch auf dieses wich— 
tige Betriebsmittel der Bahnen in Rußland seine Aufmeirksamkeit 
Jerichtet, um sich seines Reichsthums zu bedienen. Fast jede 
Bahn geht an reichhaltigen Lagern vorbei und man verspricht sich 
nuch in Bezug auf Gewinnung dieses Brennmaterials eine überaus 
ohnende Ausbeute. 
Landwirthschaftliches,, 
VUeber die Erfindung eines Kartoffel⸗Erntepfluges bringt die 
dand⸗ und Forstwirthschaftliche Zeitung der Provinz Preußen 
'olgende Mittheilung: „Vor Kurzem hat ein junger, gänzlich 
unbemittelter Mann, Namens Lenz aus der Gegend von Gollnow 
in Pommern, eine für die deutsche Landwirihschaft gewiß sehr 
verthvolle Erfindung gemacht, nämlich einen Pflug zum Ernten 
der Kartoffeln, der dieselben, von Erde und Kraut (nur nicht von 
ZSteinen, welche die Ausschütter indeß aussammeln können) gere i⸗ 
aigt, gleich in Körbe befördert und, mit zwei Pferden bespannt, 
nit einer Bedienung von (außer dem Knechte) zwei Menschen 
läglich sechs Morgen fertig liefern soll, wofür das Patent nächstens 
jerauskommen wird. Es wäre hiermit ein wichtiges Problem 
zelöst; denn die Ernte der Kartoffeln hat wohl manchem der 
derren Brennerei⸗-Besitzer bisher zuweilen Kopfschmerzen, große 
AMusgaben und Verluste verursacht.“ Die bis zur Herausgabe 
»es Patentes (das auf fünfzehn Jahre bewilligt isth geheim 
gehaltene sehr sinnreiche Maschine befindet sich in Stettin. 
Stand der Früchte. Aus dem badischen Oberlande, 
der Schweiz und dem Elsaß wird berichtet, daß der in der letzten 
dälfte des Monates Januar stattgehabte Frost mitunter sehr 
aachtheilig auf die Winterfrüchte gewirkt habe, insbesondere seien 
s die zur Neujahrszeit unter Hochwasser gelegenen Ländereien, von 
denen die Roggen⸗e und Waizenbesiünde fast völlig verschwunden 
eien. Auch aus anderen größeren Flußniederungen gehen ganz 
Jleiche Nachrichten ein. Die große Menge der feuchten Nieder— 
chläge, die der Vorwinter uns brachte, und mehr noch die in 
Folge dessen entstandenen Hochwasser haben den Voden in der 
Art durchnäßt, daß der darauf folgende verhältnißmäßig starke 
Frost bei dem gänzlichen Mangel einer schützenden Schneedecke 
joraussichtlich nicht anders wirken konnte. In den trocktneren 
Lagen zeigen sich die Winterfelder jetzt wieder in ihrem dichten 
Bestande und in üppigem Grün. Nur die Rapzsfelder sind stark 
hurch den Frost abgefallen, jedoch zeigen sich die sogenannten Her⸗ 
zen noch gesund und geben der Hoffnung Raum, daß eine Er⸗ 
födtung der Vegetation nicht zu erwarten steht. Am meisten ha—⸗ 
ben die jungen Kleebestände durch den Frost gelitten; dieselben 
zeigen sich mitunter in hohem Grade gelichtet und erfüllen man⸗ 
hen Landwirth (im Hinblicke auf die Uebersommerung der Vieh— 
destände) mit gerechter Sorge