Full text: St. Ingberter Anzeiger

It. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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— 
VPolitische Uebersicht. 
zu dem schon seit langer Zeit im bonapartisti⸗ 
hen Lager wüt hen den Streit hat nun auch 
ie Exkaiserin Eugenise Partei ergriffen. Be⸗ 
anntuich haben einzelne bonqopartistische Politiker 
en jungen Prinzen Viktor bewogen. von seinem 
gatet sich zu trennen und als selbstständiger Prä⸗ 
endent aufzutreten. Da das Gros der Partei diesen 
zchrint nicht dilligte, wagte Prinz Viktor den Ver⸗ 
uch, sein Vorgehen von der Erkaiserin Eugenie 
anktioniren zu lassen und reiste zu dem Zwecke 
zach Chislehursft. Die Exkaiserin aber weigerte 
ich nicht nur, ihn zu empfangen, sondern fie bat 
nuch schriftlich den Prinzen Jerome, seinen jüngeren 
Zoha Louis, den Bruder des Prinzen Viktor, ihr 
um Besuche zu schicken. Damit ist die Scheidung 
er Bonapartisten eine vollständige geworden, und 
war, wie es scheint, vorlaufig zum Nachtheil 
er Anhänger des Prinzen Viktor. Das scheinen 
ÿese selbst zu fühlen, denn sie treffen Anstalten, 
ꝛaz, was sie im eigenen Lager verloren haben, 
mderwärts wieder zu gewinnen. Das von ihnen 
ingesetzte Wahlkomitee hat ein Manifest erlassen, 
n welchem jede Gemeinschaft mit revolutionären 
Trendenzen zurückgewiesen und an alle Gegner der Re⸗ 
zublik appellirt wird; denselben wird gleichzeitig 
in entsprechender Antheil an den Wahllisten zuge⸗ 
agt. Das Programm gipfelt in einer Aufforderung 
ur Bekampfung der republikanischen Anarchie. 
Wir meinen, daß dieser Aufruf wenig Erfolg haben 
vird. Denn wenn schon die Bonapartisten selber 
nicht mehr recht wissen, für wen als künftigen 
derrscher ihr treues Unterthanenherz eigentlich 
clagen soll, wie sollen die übrigen Monarchisten 
ich für ihr Phantasiegebilde begeistern können? 
Ddas Verhältniß Deutschlands zu Zan⸗ 
oar hat fich bisher nicht gebessert. Der Sultan 
xcharrt im Vertrauen auf England, welches die 
srößten Handelsinteressen in seinem Reiche befizzt, 
nuf seinem Widerstand. Mitileiweile hat er auch 
nit Belgien und Italien Handelsverträge geschlossen. 
Die zu erwarten steht, dürfte freilich der Anblid 
yer deutschen Kriegsschiffe, welche in nicht zu ferner 
Jeit vor seiner Haupifiadt eintreffen werden. seine 
nsicht andern, ohne daß es der Anwendung von 
bewalt dedürfen wird. Wie, der „Schlesischen 
seitung! zufolge, verlautet, wird Fürst Bismarck 
die durchaus unberechtigten Ansprüche des Sultans 
uuf die wichtige Erwerbung von Vitu mit allen 
litteln belämpfen. Die aus Usagara, wo bekannt⸗ 
ach die Deutsche Ostafrikanische Geselischaft Lande⸗ 
eien erworben hat, eintreffenden Nachrichten find 
aicht eben gunstig. So wichtig dies Gebiet fur 
en Handel ist, da es die Straßen nach dem Innern 
xherrscht, so wenig scheint es zum Aderbau geeig⸗ 
iet. Alle befseren Landftriche sind überdies ziemlich 
reichlich mit Einbeimischen bebölkert. 
Dentlsc es Reich. 
BSerlin, 10. Juni. Die Abreise des Kaisers 
ach Ems ist nunmehr auf Sonntag Abend fest 
nsett. Am Sonniag wird der hohe Herr in Ems 
ntreffen und etwa drei Wochen dort bleiben. 
Asdann gedentt der Kaiser zwei Tage bei der in ⸗ 
wischen nach Koblenz übergefiedelten Kaiserin zuzu · 
dingen, wird fich don dor zu eiwa achttagigem 
Iufenthalie nach der Insel Mainau begeben und 
ugen den 15. Juli zu dem üblichen Kurgebrauch 
n Wildbad Gaficin inttehen indner rsaett 
Samstag, 13. Juni 1885. 
20. Jahrg. 
daß das Befinden des Monarchen so zufrieden⸗ 
Zellend bleibt, wie es gegenwärtig glücklicherweise 
der Fall isit. 
Berlin, 10. Juni. Die Rückriit des Cadi⸗ 
nets Gladstone wird nirgends in der Welt großes 
Bedauern hervorrufen, am wenigsten haben wir in 
Deutschland Veranlassung dazu. Wo immer Deutsch⸗ 
and mit dem englischen Interessenkreis auch nur 
in entfernte Berührung trat, stieß es bei dem 
Ministerium Gladstone auf ein hohes Maß von 
Feindseligkeit, Rankesucht und Gehässigkeit. Die 
Zeschichte unserer jungen Kolonialpolitik liefert 
Beweise genug davon, die dem Reichstag vorge⸗ 
egten Weißbuücher waren ebenso viele Anklage⸗ 
chriften gegen das englische Kabinet. Und auch 
n anderen Ländern hati es sich verdienten Haß 
sder noch die verdientere Geringschätzung zugezogen. 
Anfähiger und unglüdlicher hat wohl nie die Re— 
zierung eines großen Landes gewaltet und es ist 
zur zu verwundern, daß sie Jahre lang so fort⸗ 
virthichaften und Fehler auf Fehlen häufen durfte. 
Mit den unbescheidensten und unbegrundetsten An⸗ 
prüchen, anmaßend und streitsüchtig trat diese 
Regierung in allen Fragen der großen auswärtigen 
Politik auf, um jedesmal schließlich klein beizugeben 
ind ihre Ohnmacht eingestehen zu müssen oder sich 
nit den empfindlichsten Demüthigungen zurückzu⸗ 
siehen. Sudan und Afghanistan sind warnende 
Beispiele, und die englische Weltmacht, deren Festig⸗ 
keit im Grunde nur auf dem Glauben der Voller 
mn die unerschöpflichen Hilfkräfte des Landes beruht, 
önnte aus der Zeit des Gladstone'schen Regiments 
ieicht eine dauernde Erschütterung davon tragen; 
denn eben dieser Glauben ist mehr und mehr ver⸗ 
oren gegangen, und die anmoßlichen Ansprüche 
tanden mit den wirklichen Leistungen und Macht⸗ 
nitteln in gar zu schlechtem Verhältniß. Wir in 
Deutschland konnen dem neuen Torh ˖ Kabinet, das 
etzt ohne Zweifel die Regierung übernehmen wird, 
in jeder Beziehung ein besseres Vertrauen enigegen 
zringen, als es dem Ministerium Gladstone gegen⸗ 
iber gerechtfertigt war. Wie man in maßgebenden 
deutschen Kreisen die englische Kabineiskrisis auf⸗ 
jaßt, dürfte aus den folgenden treffenden Bemer⸗ 
ungen einer Beiliner Korrespondenz der Koͤln. Zig.“ 
hervorgehen: „In Deutschland wird es unter 
denen, die den Fäden der auswärtigen Politil 
rachspuren, wenige geben, die nicht mit nnerer 
Befriedigung die Nachricht von der Riederlage des 
Zabinets Gladfstone vernommen haben. Monat 
im Monat hauften fich die Fehler des ebenso 
uͤbermuthigen, wie unfahigen Dreigestirns Gladstone, 
Tatl Granville und Lord Derby, und die letzten 
amilichen Veroöffentlichungen der englischen wie der 
deutschen Regierung haben dafür gesorgt, daß diese 
Fehler der ganzen Welt offenkundig wurden. Wie 
sehr durch diese drei Staaismänner das Ansehen 
des britischen Lowen in der ganzen mohamedanischen 
Welt dauernd geschädigt worden ist, das wird erst 
bei den naäͤchsten Verwickelungen zwischen christlichen 
und mohamedanischen Vollern vollauf zu Tage!treten. 
Was Deuischland angeht, so ist kein Wort darüber zu 
derlieren, wie sehr jene drei Männer in Verkennung 
hrer Aufgaben und ihrer Macht allerwäͤrts im Aus⸗ 
ande, glüdlicherweise fast überall vergebens dank der 
anendlichen Ueberlegenheit des deutschen Reichskanzlers, 
die deutschen Interessen zu durchkreuzen suchten, 
ind wie es ihnen durch dieses nichtsnußzige Ver⸗ 
jalten fafst gelungen wäre, die beiden durch Ab 
tammung und Geistesrichtung verwandien Nationen 
u verheßen und zu verseinden“ 
Berlin, 11. Juni. Das Börsensteuer 
zesetz ist heute amtlich publizirt worden. — Der 
Bundesrath beschloß, den Antragen auf Einführung 
einer Doppelwährung keine Folge zu geben. 
Berlin, 11. Juni. Die durch die Blätter 
laufende Mittheilung, der Reichskanzler habe die 
Beheimraäthe Schwabach und Zwicker ⁊c. vor seiner 
Reise nach Kissingen zu Erorterungen in der 
Währungsfrage empfangen, ist unbegründet. 
stölu, 10. Juni. Die Beneralversammlung 
des westdeutschen Kolonialvereins war von 400 
Mitgliedern besucht. Peschuel⸗Lo eschee spricht 
ber das deutsche Schutzgebiet in Südwest⸗Afrika, 
namentlich über die Vegetationsverhältnisse und er⸗ 
duterte seine Ausführungen durch 50 Aquarelle; 
Dr. Zoeller (Kolnische Ztg.“) über Fieberer⸗ 
cheinungen und seinen Verkehr mit Dr. Nachtigal. 
Der Vorsitzende des Vereins. Dr. Fabri, pro⸗ 
lamirt den Preis von 3000 Mark für die Schrift: 
Ueber die Kultivation der tropischen Länder im 
hzinblick auf die kolonialen Erwerbungen Deutsch⸗ 
ands“ und empfiehlt die Lektüre der Amsterdamer 
Revue für koloniale und internationale Politik“ 
und die Herbeischaffung von Fonds für die Er—⸗ 
richtung von wissenschaftlich kommerciellen Stationen 
im Riger ˖ Benne⸗Gebiet. Die einstimmig angenom⸗ 
mnene Resolution begrüßt die überseeischen Erwerb⸗ 
ungen und die begonnene Subvention der Dampfer⸗ 
linien und hofft, daß die schwirigen wirthschaftlichen, 
ꝛechtlichen und moralischen Aufgaben durch Deutsch⸗ 
lands Einfluß glücklich gelöst werden, daß die Be⸗ 
chlusse der Südsee⸗Konferenz, wegen des Einflufses 
von Spirituosen, auch im neuen Schutzgebiete An⸗ 
vendung finden und erklärt, daß gegenüber der 
krwerbung tropischer Handelskolonieen eine erweiterte 
Fürsorge für unsere deutsche Massenauswanderung 
ein dringliches Bedürfniß sei und nicht allein durch 
egislatorische Mitwirkung, sondern auch durch 
datriotische Initiative erzielt werden müsse. 
Auslaud. 
London, 10. Juni. Der diplomatische 
Schriftwechsel zwischen Deutschland und England, 
zetreffend die deutschen Landreklamationen in Fidschi, 
ist heute veröffentlicht worden. Es geht daraus 
hervor. daß die gemischte Kommission, deren Er⸗ 
nennung beiderseits vereinbart worden, gewissen 
zeutschen Reichzangehörigen 10 620 Pfund Ent⸗ 
chädigung zuerkannte. welche am 19. Mai dem 
deutschen Botschafter in London ausgezahlt wurden. 
Newyork, 10. Juni. Einige Eisenwerke in 
den westlichen Staaten haben die Arbeit wieder 
aufgenommen, da die Streikenden durch andere 
Arbeiter ersetzt werden konnten. 
Lokale und pfältische Nachrichten. 
—* GWie man Porto sparenkann.) 
Bei Sendungen über 20 Meilen (3. bis 6. Fone) 
lassen fich durch zwedmäßige Verpackung resp. durch 
ckintheilung der zu versendenden Gegenstände in 
nehrere Padete nicht unerhebliche Porto⸗Ersparnifse 
pewirken. Es beabsichtigt beispielweise jemand 
nehrere Gegenstaäͤnde im Gewicht von zusammen 
10 K (20 Pfund) zu versenden umd formiert hier⸗ 
don nur 1 Packet, so zahlt derselbe an Porto: 
Innerhalb der dritten Zone (bis 50 Meilen) 
1,50 Mark. innerhalb der vierten Zone (tis 100 
MNeilen) 2 Mark. innerhalb der funften Zone 
über 150 Meilen) 2.550 Mark und innerhald der 
echsten Zone (uber 180 Meilen) 8 Mark, während, 
venn die betreffenden Gegenstande in zwei Packeten 
ur Versendung gelangen, das Porto für alle Falle