Full text: St. Ingberter Anzeiger

tehr aufforderte. Hiegegen erhob der Lehrer Klagen 
And — der Angeklagte wurde bestraft. Ganz 
treffend betonte der kgl. Amtsanwalt, daß die 
Elrern froh und dankbar sein follten, wenn in 
heutiger Zeit ein Lehrer gewissenhafte Zucht übe 
uͤnd daß es ein übles Licht auf diejenigen Eltern 
werfe, die auf irgend eine Art der Schule und 
ihrer Disziplin entgegenarbeiten. Das Schöffen⸗ 
gericht erkannte das Vergehen des Angeklagten als 
Hausfriedensbruch und als nicht gerechtfertigtes 
Vorgehen gegen die unternommenen Maßregeln des 
dehrers. Das ist einmal wieder ein Zeichen für 
die Lehrer, daß man sie in Ausübung ihrer schweren 
Berufspflicht zu schützen weiß und ihnen gern ein 
pädagogisch richtig angewendetes Strafpverfahren 
als in ihrer Befugniß liegend zuerkannt! 
— Ludwigshafen, 28. März. Wie der 
„Pf. K.“ mittheilt, war das Gesammtquantum 
Salvator (7000 Liter) in der Wirihschaft zum 
„Bayerischen Hiesel“ bereits am zweiten Tage des 
Ausschankes aufgezehrt. Wenn man berüdhsichtigt, 
daß der Liter zu 60 Pfg. verkauft und die Bor⸗ 
ten“ keineswegs zu klein waren, so wird man den 
Umsotz an Getränke allein auf ca. 5000 Mark 
veranschlagen können. 
Vermischtes. 
F Köln, 24. März. Der frühere Lieutenant 
Edeling, Nobiling's Bruder, wurde der Unter⸗ 
schlagung von 60,000 Mt. für schuldig befunden 
und zu einem Jahr Gefängniß und drei Jahren 
Ehrverlust verurtheilt. 
F In Köln hielt kürzlich ein Herr Dr Lah⸗ 
mann aus Stuttgart einen Vortrag über die Frage, 
ob Wolle oder Baumwolle zur Bekleidung des 
Körpers vorzuziehen sei. Die Wollkleidung (Un⸗ 
terkleider) habe manche Nachtheile; dahin gehöre 
insbesondere der ständige Reiz derselben auf die 
Haut, welche beim Hemdwechsel Frösteln herborrufe, 
wodurch Viele zu seltenem Wechsel veranlaßt wür⸗ 
den. Cs handele sich darum, einen indifferenten, 
d. h. nichtreizenden Stoff zur Bekleidung zu ver⸗ 
wenden. Gegen die Wolle spreche auch der hohe 
Preis der Normal⸗Unterkleider. So sehr Wolle 
als Oberkleidung zu empfehlen sei, so sehr müsse 
man sie von der Verwendung zu Unterkleidern ver⸗ 
werfen. Das zweckmäßigste Material hierfür sei 
Baumwolle (Pflanzenfaser). Bezüglich der Form 
der Kleidung ist Redner, entgegen Professer Jäger, 
für Beibehaltung der Weste, aber wie bei aller 
Oberkleidung mit durchlässigem Futter. Es gelte 
hauptsächlich die Frauen- und Mädchen⸗Kleidung 
zu reformiren. Für erstere wurde das Tragen 
geschlossener Beinkleider dringend empfohlen, deren 
Mangel die Hauptursache von zahlreichen Frauen⸗ 
leiden sei. Das Corset soll durch eine vernünftige 
Erziehung der Mädchen unnöthig gemacht werden. 
Die Reform der Mädchenkleidung soll durch An⸗ 
passung an die Knabenkleidung herbeigeführt wer⸗ 
den, d. h. es sollen zu derselben nur Buckskinstoffe 
verwandt werden, so daß nur ein Jaädchen an 
Stelle der Untertaillen und der spinnwebendünnen 
Oberkleider, ebenso ein dicker Kleidrock und ver⸗ 
nünftige dicke Beinkleider an Stelle der verschiedenen 
andern Röcke treten. Zum Schluß empfahl Redner 
an Stelle der naßkalten leinenen Bettlacken solche 
von Baumwolle einzuführen, welche warm und 
ohne Jucreiz sind. 
FHagen, 20. März. Der „Köln. Volksztg.“ 
wird geschrieben: In der Nacht vom 29. zum 
30. April 1885 fand in Eyringhausen bei Pletten 
berg eine Rauferei statt. bei der ein Arbeiter 
Honnagel, ziemlich schwer verletzt wurde. Die 
Strafkammer zu Hagen verurtheilte am 11. Juli 
1885 den Arbeiter H. Ottminghaus als den 
Hauptschuldigen und Messerhelden zu einem Jahr 
Gefängniß. Der Angeklagte hatte vergeblich seine 
Unschuld betheuert, und der Vertheidiger, Herr 
Rechtsanwalt Lasse, hatte sich bei seinem energischen 
und warmen Eintreten für die Unschuld seines 
stlienten den Ordnungsruf des Präsidenten zuge⸗ 
zogen. Ottminghaus wurde sofort verhaftet. Der 
alte Vater desselben nahm sich, da er eine un⸗ 
schuldige Verurtheilung überhaupt nicht für möglich 
hielt, die Verurtheilung seines Sohnes so sehr zu 
Herzen, daß er erkrankte und starb. Mit Rücficht 
Hierauf war Ottmingshaus gegen Stellung von 
1000 Mk. Caution vorläufig aus dem Gefängniß 
entlassen worden. Die Frist benutzte der Verthei 
diger zu neuen Recherchen, auf welche gestüßt er 
das Wiederaufnahme ; Verfahren beantragte. Die 
Strafkammer zu Hagen lehnte die Wiederaufnahme 
ab, und erst auf Recurs an das Oberlandesgericht 
wurde von diesem die Wiederaufnahme angeordnet. 
And was war nun das Ende der heutigen Ber⸗ 
jandlung? Der Vertreter der k. Staatsanwalt- 
chaft selbst beantragte die Freisprechung, die auch 
erfoigte, und nicht etwa aus Mangel an Beweisen, 
'ondern weil die Unschuld des Angeklagten sich 
tlar herausstellte, und der wirkliche Thäter ziemlich 
bestimmt bezeichnet wurde. Der Angeklagte hatte 
nur 14 Tage seiner Strafe unschuldig abgebüßt. 
Was aber, wenn nun der Vater des Ottminghaus 
nicht krank wurde und starb, und wenn er nicht 
1000 Mk. Kaution stellen konnte? Nach dem 
neuen Gesetzentwurf soll es zum Wiederaufnahme · 
jerfahren nicht mehr genügen, daß die Beweise 
zur Verurtheilung nicht hinreichen, sondern der 
Angeklagte muß seine Unschuld beweisen können. 
Wie verschiedenartig aber dieser Begriff ausgelegt 
werden kann, das wird sich Jeder sagen können, 
der obigen Fall betrachtet, in dem die Straftammer, 
das Wiederaufnahme-Verfahren unzweifelhaft nach 
bester Ueberzeugung und genauer Prüfung ablehnte, 
und der Staatsanwalt selbst die Freisprechung be⸗ 
intragte. 
f Darmstadt, 28. März. Das Raubmord⸗ 
Berbrechen an den Eheleuten Flach, welches im 
Januar die Stadt in Aufre jung versetzte, gelangt 
jeute früh vor dem hiesigen Schwurgericht zur 
gerhandlung. Die Anklage richtet fich auf Raub, 
Nord und Diebstahl und zwar gegen Wilhelm 
Ildendorf, geboren zu Wersau am 4. April 1865, 
Netzger, eb. ledig, etwa dreißig Mal bestraft, und 
jegen Traugott Ferdinand Kern, Schlosser aus 
darlsbrunn, geboren am 17. Oktober 1860, ledig, 
v., ebenfalls vielfach bestraft. Während die Be—⸗ 
chuldigten zugeben, daß sie den Einbruch und 
saub verübt haben, versuchen sie die Absicht der 
Tödtung in Abrede zu stellen. Dagegen spricht 
ndeß nicht nur theilweise ihr eigenes Geständniß, 
ondern auch der festgestellte Thatbestand. Was 
»en Fall besonders tragisch erscheinen läßt, ist der 
Imstand, daß um 19 Pfennige und einige ge— 
tagene Kleidungsstücke — dies ist der ganze Ge— 
vinn aus dem Raube gewesen! — ein Menschen 
leben vernichtet und ein anderes aufs Höchste 
gefährdet wurde. 
F Mainz, 20. März. Ueber das iraurige 
Ende eines Ofsiziers wird dem „M. Anmz“ Fol⸗ 
jendes mitgetheilt: Derselbe hatte sich (vermuth⸗ 
lich durch einen abgebrochenen Zahn) eine Verletzung 
der Zunge zugezogen, die anfangs unbedeutend 
schien, bald aber so bedenklich wurde, daß der 
Patient einen Spezislarzt in Heidelberg zu Rathe 
sog. Derselbe unterfuchte die Wunde und erklärte 
dem Kranken, daß, wenn er diät lebe und vor 
Allem scharfe Speisen, fowie das Rauchen vermeide, 
die Wunde ohne weitere Gefahren in einiger Zeit 
jeheilt sein werde. Der Offizier beobachtete jedoch 
iese ärztlichen Vorschriften nicht und begann wieder 
uu rauchen. Die Folge war, daß die Zunge 
urchtbar anschwoll, worauf der Patient sich nochmals 
zu dem Arzt nach Heidelberg begab. Dieser machte 
etzt ein bedenkliches Gesicht und erklärte, daß nun 
zas Schlimmste zu befürchten, da bereits Zungen⸗ 
rebs eingetreten sei. Er hatte damit leider nicht 
zu viel gesagt. Das Uebel nahm rapid zu und 
vor einigen Tagen trat der Tod ein. 
F „Versprechen macht Schulden?, 
das mußte ein reicher Herr erfahren, welcher einem 
uirmen Bahnwärter bei seiner 10. Kindtaufe in 
Frankfurt a. M. für das 12. Kind ein Häuschen 
zu schenken versprach. Im Oktober v. Irs. kam 
dieses Kind zur Welt, aber der Rentner erllärte 
83 eree für Scherz. Jetzt hat 
das Landgericht ihn nach römischem Re 
—öA eted cbi zu 
fTübingen, 21. Marz. Dieser Tage machte 
eine Anzahl Studenten eine Ausfahrt nach dem 
uehrere Stunden entfernten hohenzollerischen Städt ⸗ 
hen Haigerloch. Einer der Herren scheint bei 
dieser Vergnügungstour zu sehr dem Weine zuge⸗ 
prochen zu haben; er verfiel in einen total be⸗ 
vußtlosen Zustand! Die angeheiterten Komilitonen 
jüllten den armen Studio in Stroh ein und luden 
hn auf den Wagen. Im gestredten Trab ging 
der heimischen Musenfiadt zu. Als man den 
mmer noch Regungslosen vom Wagen nahm, fand 
s sich zu aller Entsetzen, daß der bedauernswerthe 
unge Mann — ein Herr M. aus Cannstatt — 
Idt war. Wie verlautet, ist bereits die Unter⸗ 
ichung eingeleitet. 
rBayerische Baugewerts⸗Veru 
zenofsenschaft.) Zusammenstellung al 
MNonat Februar 1886 zur Anwendung gelam — 
Anfälle: 1) Todesfälle: Keine. 2) denhe 
welche eine voraussichtliche Dauer der Ennn 
rähigkeit über 13 Wochen verursachen: —* 
Hin einem Baugeschaft; Pfalz: 2, 1 in 
Zaugeschäft und 1 in einem Steinhauergeshe 
Iberfranken: 1 in einem Zimmereigeschäfi, 9 
selfranken: 1 in einem Baugeschäft; Unlerram 
Win einem Maurergeschäft; Summa 6. 8) 
fälle mit weniger als 18 Wochen Erwerbsunsen 
eit Oberbayern 10, Pfalz 2, Oberfalz i, * 
franken 5, Mittelfranken 10, Unterfranken 
Schwaben 3; Summa 42. 
f Die Erinnerung an eine Mordthat,v 
ich bor acht Jahren ereignete, zu einer Feit 
olche ruchlosen Verbrechen gegen das Leben g 
n einer erschreckenden Weise häuften, und die 
zeute nicht völlig aufgehellt werden konnte duge 
nordung der Wittwe Sabatzky nämlich, wird * 
eine seltsame Mittheilung aus Torgau wieder aun 
gefrischt. Vor einigen Tagen hat sich namlich h 
m Militärgefängniß zu Torgau eine Straf ch 
üßender Soldat. angeblich von Gewissensbis. 
zepeinigt, gemeldet und die sensationelle Behau 
ing aufgestellt, daß er vor etwa acht Jahren, 
Alter von 14 Jahren, in Gemeinschaft mit noh 
wei Altersgenossen, ebenfalls Berliner Kindn 
ie Witiwe Sabaßkh in Berlin exmordet und 
aubt habe. Es wird durch diese Solbstdenunzieh 
et Raubmord Sabazzky, der seiner Zeit ein glohe 
inheimliches Aufsehen erregte und der noch heh 
nicht gesühnt ist, wieder auf die Tagesordun 
esetzt. Ob an dem Geständniß des Torgaun 
twas Wahres ist, wird ja die Untersuchung e 
)en Tag bringen. Einstweilen ist in Witenba— 
nn der Sache ein Gefreiter des 20. Regimn 
unter dem Verdacht der Mitschuld verhaftet un 
nach Torgau überführt worden. Der Verhasteh 
dem von seinen Vorgesetzten das größte Lob eiihe 
wird und der einer guten Familie in Berlin 
gehört, hat angegeben von der ganzen Sache nidh 
zu wissen. 
F Eine Falichmünzer⸗Werkstätte ist dieser Tag 
in Berhin entdedt und aufgehoben worden. N 
Sonnabend wurde die unverehelichte L. bei Verau 
zabung falscher Thalerstücke betroffen. Sie guh 
an, daß sie das Geld von ihrem Onkel, uͤn 
Schlofser Uhde,' mit welchem sie in der Schönholzn 
irciße zusammengewohnt, zum Zwecke der Veraiß— 
zabung erhalten habe. Eine Durchsuchung da 
Uhde'schen Wohnung führte zur Auffindung einn 
zollständigen Faschmünzer Werkstätte und zahlreich 
Falfifikate. Geftändlich hat Uhde, ein vierundach⸗ 
ngiat riger, bisher unbescholtener Mann, seit me 
reren Juhrem jalsche Thalerftücke sächsischen Gepräge 
nit der Jahrrszahl 1830 — wie er behauhieh 
etwa dreihundert Stück — aus versilbertem Messing 
»urch Prägung hergestellt mad durch seine Nicht 
ei Schlächtern, Bäckern, Kceufleuten u. s. w. in 
UImlauf gebracht. Die Falsifikake sind so gut ge 
macht, daß sie sich als solche nur durch du 
humpferen Klang und das gerinqgere Gewicht a 
ennen lassen. 
fEin trener Diener sein'es Hertn 
„Es ist wirklich unerhört, daß Sie sich einen 
oflichtgetreuen Beamten gegenüber zu einer solchen 
Beleidigung haben hinreißen lassen,“ sagte der Vor 
itzende des Schöffengerichts zu dem auf der An⸗ 
lagebank befindlichen Hausdiener M. — „Reißen 
jab' ick mir jar nich jelassen, indem ick bloßuf 
Befehl jehandelt habe,“ erwiderte der Anjeklage 
— Vors.: Wie meinen Sie das?“ — Aungell, 
Wie ick mit 'n Packet nach Paris uff det Postam 
omme, sagt mich der königliche Herr Beamte, de 
de Deklamationen nich stimmen. — Vors.: Sit 
meinen wohl die Deklarationen? — Angekl.: Wenn 
Se 't in Mojabit so nennen, denn soll et mir vet 
recht sind. — Vors.: Nun, und was geschah weiter! 
— Angekl.: Ick muß befürworten, det sich der 
derr Veamte nich an die Instruktur von Stephan 
ehalten hat. wo er mir mit jehobener Stimmung 
urechtjewiesen hat. — Vors.: Er sagte Ihnen ju 
iur, daß die Deklaratisnen nicht richtig waren. 
Angekl.; Ja woll, und denn bin ich ooch stande 
Beene zu meinem Herrn jeloofen, un wissen Se 
vat der jesagt hat? Der Mann is verrückl, hat e 
esagt. — Vors.: Was Ihr Herr zu Ihnen gesch 
at, geht uns nichts an, uns interessirt nur, waß 
Sie zu dem Veamten gesagt haben — Angell. 
Ach FJott, wat wer' ick ihm ville jesagt haben —