St. Ingberler Anzeiger.
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Nro. 57 Dienstag, den 12. Miii 1868.
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— Dentsehland.
Maunchen 8. Mai. Heute hat der König den Gesand—
en der Ver. Staalen pon Nordamerika beim Norddeutschen Bunde
Hru. Vancroft empfangen, um dessen Creditjvals Gesandter am
hiesigen Hofe eutgegenzunehmen. Hr. Brancroft residirt in Ber⸗
lin und wird sofort mit der köuiguüͤchen Staatsaegierung in Unter—
handlung treten über Abschluß eines Vertrages bezüglich der Staats—
angehörigkeit derjenigen Personen, welche aus dein Gebiete des
einen Theils indas des anderen einwander.— *
Auf dem hiesigen Magistratsbürean sind seit. dem Eintritt
der Gewerbefreiheit (1. Mai) 200 neue Gewerbe ange—
meldet.
Düsseldorf. Der hiesige Oberprocurator macht Folgen⸗
des bekannt: „Der am 26. Juli 1849 gegen den früheren Ad⸗
potat· Anwalt Hngo Wesendonk von hier erlassene Steckbrief wird
hiermit zurückgenommen.“ — Wie man hört. wird Wesendonk in
sturzem hier eintreffen, um als Director der New⸗Yorker Lebens—
dersicherungs-Gesellschaft Germania, die jetzt auch in Preußen con—
cessionirt ist, die nöthigen ersten Einrichtungen zu treffen. Wesen
donk war als eines der nach Stuttgart gegangenen preußischen
Mitglieder des deutschen Parlaments zum Tode verurtheilt worden
Nachdem diese Verurtheilung durch die Amnestie ausgelöscht wor⸗
den, war die Aufhebung des Steckbriefs selbstverständlich
Leipzig, 8. Mai. Zuverlässige Depeschen aus Wien
nelden, daß der Reichskanzler v. Beust nicht mehr bettlägerig
jei. Sein Gesundheitszustand sei befriedigend und habe derselbe
bereits gestern wieder Audienz ertheilt.
7 Die Sitzung der zweiten sächsischen fRammer am 3. Mai war
nicht. ohne Interesse. Auf Grund einer Petition des Chemnitzer Ge⸗
werbdereins hatte nämlich die vierte Deputation vorgeschlagen, die
MRegierung zu ersuchen, fortan sämmtliche Gewerbvereine des Lan—
des vom Vereinsgesetz, also von der polizeilichen Controle zu dis—
pensiren. Der Minister des Innern, v. Nostiz⸗Wallnitz, hielt je—
doch den Staat in Gefahr, sobald die allmaͤchtige VPolizei ihr
wachsames Auge von diesen Vereinen wende. Nur zu einer Cou—
cession verstand er sich, nämlich, daß in Zukunft die Gewerbver—
eine miteinander in schriftlichen Verkehr treten dürfen. Bei Ge—
legenheit diefer Debatte erklärte der Abgeordnete Fahnauer: Die
Annexion Sachsens durch Preußen sei fuüͤr jeden deukenden Men⸗
chen nur eine Frage der Zeit. Je weniger die Minister zu frei⸗
heitlichen Institutionen sich geneigt zeigten, um so mehr beschleu⸗
aigten sie den Zeitpunkt dieses unvermeidlichen Processes. 9
. Berhin, 7. Mai. Die „Kreuzzeitung“ druckt an hervor—
cagender Stelle einen Wiener Brief ab, der das Verhältniß Oe—
sterreichs zum Zollparlament bespricht. Es wird darin a. A. ver⸗
sichert: „Oesterreich erblickt im deutschen Zollparlament nur die
natürliche Entwickelung der gemeinsamen volkswirthschaftlichen
JInteressen Deutschlands. Die Einflüsterung, daß hinter den volks
wirtschaftlichen Bestrebungen Preußens der Plan stecke, die süd—
westlichen deutschen Staaten zum Eintritt in den norddeutschen
Bund zu drängen, trifft hier kaube Ohren. Man weiß in Wien
sehr gut, daß solchen Tendenzen gegenüber, wenn sie ja bestehen.
die- staatslluge Einsicht der preußischen Regierung sich durchaus
abhlehnend verhalte.“ Es wird weniger gewiß sein, daß man in
Wien wirklich so denkt, als daß die „Kreuzzeitung“ wünscht, daf
man“ in Wien so denken möge.
Berlän. 8. Mai. Zollparlament. Der Antrag des Ab⸗
zeordneten Stumin wird angenommen. Derfelbe geht auf Besei⸗
igung der Ausfuhrvergütung, welche Frankreich, den Bestimmun⸗
zen des Artikels 6 des deutsch-französischen Handelsvertrags zu—
wider, seiner. Eisen-Industrie durch mißbrüuchliche Handhabung
des Importzollbetrages gewährt. Dellbrück bemerkt uͤn Verlaufe
ʒꝛer Debatte, daß die Angelegenheit bereits in Paris zur Sprache
zebracht sei. Das Ergebniß der Verhandlungen ließe sich aber
noch nicht bestummen. — Die Zusammenstellung des Entwurfes
iber Abändernug der Zollordnung wird mit den bei der Vor—
erathung gefaßten Beschlüssen unter unweseuntlichen redactionellen
Abänderungen angenommen. In der nächsten Sitzung, welche
norgen stattfindet, wird die Tabakstenervorlage eingebracht: wer⸗
den. Auf der Tagesordnung steht der Handelsvertrage mi
Oesterreich. — Die nationale? Parteihat beschlossen, die Aus⸗
dehnumg der Freizügigkeit auch auf Süddeutschland zu beantragen,
da 8. 18 des österreichisch⸗deutschen Handelsvertrags! dem Oester⸗
reichern größere Rechte in Norddeutschland gewährt, als den Süd⸗
deutschen. — Nach einer Mittheilung der“, Noedb. Allg. Ztg.“
ist der in Kowno verhaftete Ärzt Dr. Vorng auf Verwendung
der preußischen Behörden wieder in Freiheit gesetzt worden und
bereist nach Johannisburg (in“ Ostpreußen) zurückgekehrti
Das genannte Blatt sieht in diesem Erfolge eine um so er⸗
freulichere Erscheinung, als Dr. Borna uf einen fremden Namen
zereist sei.
Berlin, 10 Mai. Während der Debatte über den öster⸗
ceichischen Handelsvertrag werden die! hessischen Abgeordneten die
Verschiedenheit der Besteuerung in⸗ Hessen zur Sprache bringem
Es geht das Gerücht das Zouparlament werde Ichon am' 18. d.
Mts. geschlossen werden. A
— .In Bezug auf die Position des baherischen Ministerpräsi⸗
denten schreibt man der Fr. Ztg. aus Berlin:“ „Sehr auffällig
ist der Gegensatz zwischen den. bayerischen und württembergischen
Ministern. Während bie 'letzteren die Rechtsverwaährung mit al⸗
len ihren Landsleuten unterzeichneten, hat Fürst: Hohenlohe“ die
verschämt annexionistische motivirte Tagesordnung Ujestez und Rog—
genbachs mitunterzeichnet; er erfreut sich Seitens des Königs von
Preußen einer ungewöhnlich ausgezeichneten. Behandlung. Da⸗
Jegen scheint seine Stellung bei dem König von Bahern erschüt⸗
tert zu sein.“
— Die schweizerischen Unterhändler sind heute nach Bern
zurückgereist. Die noch nicht ausgeglichene Differenz betrifft die
chweizerischen Consumgebühren...
. Die Luxemburger wehren sich tapfer ihrer Haut gegen die
französischen Freundschafts bezeungen. Es erscheinen drei bis vier
Blätter in Luxemburg, von 'ihnen ist nur eins, der neue „Avenir“
entschieden franzöfisch gesinnt, die übrigen stehen zu Deutschland—
am energischsten der ‚Courrier du Grand-Duche.“ Dieser hat
sogar, um nicht täglich in französischer Sprache erscheinen zu
müssen, eine deutsche Ausgabe veranstallet, die „Luxemb. Zeitung“,
was natürlich nicht geringes Aufsehen gemacht hat, weil er es
noch obendrein mit dem Bemerken motivirt. daß deutsch die Lan—
dessprache sei. Die neue Zeitung nimmt kein Blait vor den Mund,
ie sagt dem „Avenir“: Wir nehmen den Avenir als ein fram⸗
ᷣsisches Blatt auf, von französischen Agenten gemacht, mit fran—
zösischen Geld, um eine franzosische Propaganda Zu machen
und den Triumph. der, französischen Interessen herbeizuführen
durch den Ruin von Luxemburgs moralischen und materiellen In⸗
seressen .. Eure Phrasen über die Ijsolirung Luxemburgs be—
deuten, daß ihr uns an Frankreich annectiren wollt oder sie be⸗
deuten gar nichts. Wenn wir seit dem Abzug der preußischen
Garnison isolirter sind, als wir es waren, während sie die Fe—
dung besetzt hielt, so ist das ausschließlich Euer Werk Euch und
Niemand anders haben wir diese Situation zu verdanken, von
der ihr wie von einem Ruin sprecht, und es fällt Euch zur un⸗
cechten Zeit ein, zu kommen um fie zu beklagen. Oder es ist
wohl unsere Position immer noch dieselbe und was wollt Ihr
dann“ Was habt Ihr für einen Grund zu Eurer Existenz?“
Wien, 8. Mai. Das gestrige Abendblatt der „Wiener
Presse“ erfährt angeblich als zuverlässig aus Berlin, Graf Bis—⸗
marck sei überzeugt, daß bei den Kopeuhagener Ansprüchen kein
unmittelbares Abkommen über die Nordschleswig'sche Frage erziel⸗
bar sei. Er werde sich wegen Lösung der Frage zunächst! nach
Wien wenden. Das Wiener Cabinet soll von der Ergebnißlosig⸗
eit der Verhandlungen in Kenntniß gesetzt werden. Das Berli—
jer Cabinet gedenkt sich bestimmt über die vom Standpunkt des
»eutsch⸗ nationalen Interesses möglichen Abtretungen auszusprechen.
Desterreich möge Preußens Anerbieten in Kopenhagen als Erfüllung