Wien, 15. Mai. Das Unierhaus genehmigte heute den
deutsch⸗osterreichschen Handelsvertrag. In Abgeordnetenkreisen wird
zersichert, der Schluß des Reichsrathes werde in der zweiten
Hälfte des Juni erfolgen.
Vrag, 16. Mai.“ Gestern schon fand ein großer Zufluß
yon Fremden zur heutigen Theaterfeier statt. Auf der Schützen⸗
insel haben sich die lärmenden Auftritte vom lezten Montag wie—
derhoit; das czechische Publicum störte durch Pfeifen die Vorträge
der Militärmusikcapelle und sang, als diese cjechische Lieder zu
spielen sich weigerte, das Hej. Slovane; die Capelle sah sich zum
Abzug gezwungen. JInzwischen ist der heutige Festzug ohne Stö⸗
tung vor lich gegangen. Viele Tausend Personen, darunter der
Staithalter und die deutschen Mitglieder des Landesausschusses,
zelheiligten sich an demselben; er dauerte dritthalb Stunden und
zestand aus berittenen Banderien aus allen Theilen des Landes,
den Zünften, den Studenten und anderen; Corporationen. Die
Geistlichkeit war nicht betheiligt.
Pest, 15. Mai. Der Koönig (Kaiser) ist gestern von hier
ibgereist. — Die Deakpartei hat gestern über den Handelsver—
rag mit dem Zollverein berathen und beschlossen, darauf zu drin⸗
jen, daß in dem Vertrag Ungarn als Mitpaciscent genannt werde
Der Handelsminister Gorove hat von diesem Beschlusse bereits den
steichskanzler in Kenntniß gesetzt.
Frankreich.
Paris, 14. Mai. Die natürlich immer kriegslustige
Armee unterhält sich vielfach über eine Anrede des Generals
.Failly, Commandanten des Lagers von Chalons, in welcher u. a.
zesagt ist: „Wir dürfen uns nicht mit den Detailfragen befassen,
sondern müssen uns an die großen Operationen halten,
wie sie für den Krieg angemessen sind.“ An sich haben diese
Worte allerdings nichts Beunruhigendes.
Mit dem Widerstand des Florentiner Cabinets in der tune⸗
sischen Angelegenheit ist man hier sehr unzufrieden, um so mehr⸗
ais man bereits durch die enthusiastische Aufnahme des Kronprin⸗
sen von Preußen arg verstimmt war. Um dies zu fühlen zu
jeben, soll Rom von Neuem besetzt werden. General Dumont
Jat bereits aus Civita Vecchia an den römischen Waffenminister
relegraphirt Räumlichkeiten für französische Truppen bereit
zu halten. —
Das Kaiserpaar will bei der nengeborenen österreichischen Prin-
zessin zu Pathen stehen. Herr v. Metternich ist mit der Verhaud⸗
iung dieser Angelegenheit während seines Aufenthaltes in Wien
beauftragt.
Paris, 15. Mai. Die Unterhandlungen zwischen der
jiesigen Regierung und dem norddentschen Botschafter wegen Be—
seitigung der französischen Ausfuhrvergütung für Eisenwaaren sind
unausgesetzt im Gang. Die Consulate des Norddeutschen Bundes
in Frankreich haben ihre Functionen dereits begonnen. æ
England.“
London, 15. Mai. 48 der augesehensten Firmen der
—A Botschaft. Grafen
Apponyi, ein Gesuch, welches gegen die Besteuerung der in den
Händen auswärtiger Besitzer befindlichen österreichischen Coupons
brotestirt. Die „Times“ bemerkt dazu, daß die Londoner Börse,
o wie manche festländische Börsen elwaige neue Anleihen, die
Desterreich aufnehmen wolle, excommuniciren würden, wenn jenem
Gefuche nicht entfprochen würde. — Die irischen (taatskirchlichen)
Bijchöfe überreichten gestern der Königin eine Adresse gegen die
Aufhebung der irischen Kirche. Der Erzbischof von Canterbury
und viele englische Bischöse waren anwesend. Die Königin ant-
wortete: Sie habe eine Commission zur Untersuchung der irischen
Zirchenzustände ernannt und werde das Parlament sobald dasselbe
über die Untersuchungsresultate voll informirt sei, unzweifelhaft
die geeigneten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der wahren
Religion treffen.
Italien.
Rom, 15. Mai. Der schon seit einiger Zeit kränkelnde
Tardinal d'Andre Murch seinen Wiederruf bekannt) ist heute
Nacht plötzlich gestoxrben.
Türkei.
Belgrad, 14. Mai. Rußland zeigte officiell seinen Ver⸗
zicht auf alle tractatmäßigen Rechte Serbien gegenüber an. Die
stüssen in Serbien werden fortan serbischen Gesetzen und serbischer
Gerichtsbarkeit unterworfen sein. J
Amerika.
In Chicago wurde am 23. April in dem zweiten Stockwerke
jnes Gebäudes eine Fenierversammlung gehalten, welche auf eine
onderbare Weise endigte. Unter den 400 Anwesenden befanden
ich General O'Neil als Präsident und James Gibbons als Vice—
zräsident der Brüderschaft. Auf eine Rede des letzteren folgte ge—
waltiger Beifall, untermischt mit so heftigem Stampfen, daß der
Boden durchbrach und die patriotischen Enthusiasten — alle Irländer
— bis in den Keller des Gebäudes hinabstürzten, wo sie unter
»em Schutt hervorgegraben werden mußten. Ein Mann wurde
getödtet, fünf waren dem Tode nahe und dreißig wurden
erwundet. *
— Der „Alta California“ zufolge geht man in San Fran⸗
isco mit dem Plane um, nach Westfalen und nach den preußischen
stheinprovinzen Agenten zu senden, welche die dortigen Landleute
iber die Vorzüge, welche Californien den Ansiedlern bietet, unter⸗
richteten, resp. zur Auswanderung dahin aufmuntern sollen.
Washington, 14. Mai. (Per Kabel.) Das Repräsen⸗
antenhaus des Congresses hat in geschlossener Parteiabstimmung
zie Bill angenommen, welche die Vertretung von Nord- und
Züd⸗Carolina, Georgia, Alabama und Louisinna im Congrefse
inter der Bedingung wieder gestattet, daß die genannten Staaten
die constitutionelle Ergänzungs acte ratificiren und diejenigen ihrer
Bewohuer nie des Stimmrechtes berauben, welchen dasselbe nun⸗
nehr verlichen ist.
Washington, 16. Mai. Der Senat als Gerichtshof
hat die Verurtheilung des Präsidenten Johnson in Bezug auf den
uerst zur Abstimmung gestellten Artikel 11 der Anklage (durch
dersuchte Verhinderung Stantons, das Kriegsamt zu übernehmen,
und durch Verhinderung der Ausführung der Reconstructionsacte
die Macht des Congresses angegriffen zu haben) abgelehnt. Wäh⸗
rend zur Verurtheilung die Zweidritteismehrheit erfotderlich ist,
ergaben sich für den Ärtikel I1I nur 35 „Ja“ gegen 19 „Nein.“
»er Senat hat sich zur Abstimmung über die anderen Artikel bit
um 26. Mai vertaat.
Vermisfsch—
Zweibrücken, 14. Mai. Die Schwurgerichtssitzungen
ür das II. Quartal 1868 werden am 25. ds. Mis. ihren An⸗
iang nehmen. Präsident derselben ist der k. Apellationsgerichts
ath Molitor und in zwei Fällen, wo derselbe gesetzlich verhindert
ist, die Räthe Schmidt und Zinkgraf. Zur Aburtheilung werden
achstehende Personen kommen: JT. am 25. Mai Johannes Thon
tagner von Bobenheim a. Rh. wegen Diebstahl und 2. Wilhelm
Trautmann, Tagner von Vogelbach wegen Brandstiftung. 3. am
28. Anna Maria Paulus, Dienstmagd von Rohrbach wegen Mord
1. am 27. Ludwig Wolff, früher Einnehmereigehilfe von Oppau
vegen Theilnahme an Amtsuntreue. 5. am 28. und 29. Georg
uppel, Schreiner, dessen Ehefrau und deren Tochter Ehefrau
Franz Schäfer von Berghausen wegen Vrandstiftung. 6. am
29. Jakob Day, Glaser von Fußgönnheim wegen Nothzucht und
7. am 30. Mai Bernhard Amberger, Hufschmied von Rülzheim
wvegen Köorperverletzung.
Annweiller, 14. Ma:. Gestern Mittag zwischen 2—3
Ahr fiel bei einem starken Gewitter ein Wolkenbruch, welcher die
sßemarkurgen Gossersweiler und Völkersweiler, sowie die beiden
Thäler nach Waldhambach und Klingenmünster in der ganzen
Thalbreite überschvemmte. Die Heuernte istgrößtentheils zerstört, in
der Hauckschen Mühle zu Waldhambach wurde der ganze untere
Ztock in Wasser gesetzt. Tische und Bänke schwammen umher.
hdas Vieh wurde aus den Ställen gerettet. Großen Schaden hat
aber die Gemeinde Göcklingen erlitten, weil dort das Wasser nur
wenig Fall hat und deßhalb seinen Schlamm dort ablagerte.
München, 14. Mai. Laut dem abgeschlossenen Ver⸗
drag ist der Bau der Schweinfurt-Meininger Bahn in längstens
5 Jahren zu vollenden. Bayern übernimmt pachtweise den Be—
trieb der Meininger Strecke um 4 Procent des Baucapitals auf
20 Jahre oder laͤnger, wenn keine Kündigung erfolgt.
f Aus Unterfranken wird berichtet, daß heuer dort
der Maikaferflug außerordentlich stark ist. Ein Oeconom, der
eine sämmtlichen Obstbäume auf einem Raum von 25 Morgen
chütteln ließ, bekam mehrerr Tage hindurch täglich drei Wasser⸗
hutten voll Maikäfer.
Worms, 13. Mai. Heute Vormittag wurde hier im
Rheine die Leiche eines schon ältlichen gutgekleideten Mannes ge—
äudet. Man vermuthet, daß es die Leiche jenes Kaufmannes
nus Mannheim sei, welcher sich in voriger Woche von der dor⸗
igen Schiffbrücke aus in den Rhein stürzte und auf diese Weijse
einem Leben ein Ende machte.
F Zur Crinnerung der Enthüllung des Lutherdenkmals in
Vorms (am 24. Juni) wird eine Medaille geprägt. Die
Medaille wird 60 Millimeter im Durchmesser haben, auf dem
Avers das Lutherdenkmal mit der Inschrift: „Hier stehe ich, ich
sann nicht anders, Gott helfe mir, Amen,“ auf dem Revers die
Inschrift: „Ein' feste Burg ist unser Gott, Ein' gute Wehr und
Waffen,“ und die Unterschrift: „Erinnerung an die Enthüllung
des Lutherdenkhmals in Worms 1868. Entworfen und begonnen
ijdvon E. Rietschel, vollendel von A. Donndorf und E. Rietz.“