Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sprache gegen Preußen vollständig umgeschlagen; vorgestern freund 
schaftlich, war sie gestern, nachdem sich der Kaiser im Minister⸗ 
rathe uͤber die taquineries en Allemagne* beschwert hatte, bit 
tersüßß geworden und heute lautet sie feindlich. Wird morgen aul 
diese Kaͤlt wieder Warme⸗ und Hitze »folgen? Prinz Napoleon 
dessen auf morgen festgeseßt gewesene Reise wieder einen Aufschub 
erleidet, äußerte diesen Morgen, daß er die Kriegsgefahr ferne ge⸗ 
rückt erachte; im Publikum aber legt man der Veröffentlichung des 
Niel'schen Berichts eine große Tragweite bei. In der That, da⸗ 
durch, daß nun die Kriegsbereitschaft der franzosischen Armee offi 
riell constatirt ist, hat sich der Kaiser gewissermaßen jeder Aus 
rede begeben, falls neue Complicationen eintreten werden. Der 
saiser und der Kriegsminister haben übrigens jeden Tag, Unter⸗ 
redungen und in der Umgebung des Marschalls, will man seit et⸗ 
lichen Tagen eine Heiterkeit seiner Excellenz bemerken, die man 
im Sinne einer baldigen practischen Experimentirung der Chasse- 
pots deutet. Außerdem erstattet General Lebrun, vom Kaiser 
jum eventuellen General⸗Stabs⸗Chef designirt. Sr. Maj. täglich 
Berichte über die ihm (dem General) zugehenden speciellen Infor⸗ 
mationen (aus Deutschland )Y. 
Die wegen der Vorgänge in der Pcole de“ médecine 
berhafteten Student en sind bis auf zwei wieder freigege— 
ben worden. F J 
— Morgen tritt Prinz Napoleon seine Reise nach dem Ori 
ent an. — Vom Prinzen Peter Bonaparte wird dieser Tage in 
Brüssel eine Brochüre erscheinen, welche den Titel: EHypothôse 
d'uns Campagno sur lo Rhin“ („Hypoihese eines Rheinfeld 
zuges?“) führt und sehr kriegerisch ist. Der Verfasser stellt 
natuürlich den Rhein als die von der Vorsehung gezogene Grenz 
linie zwischen Frankreich und Deutschland dar und meint; Erste 
res könne nicht unter dem Einfluß der Niederlage von Waterlot 
hleiben, um so mehr uls dieser durch die jüngsten Erfolge Preußens 
nur noch derschärft worden sii... 5757. 
—Es heißt hier, Prinz Humbert werde demnächst einen 
Besuch in Berlin machen und bei dieser Gelegenheit auch dem hie⸗ 
sigen Hofe seine Frau vorstellenn. 1 
Paris 1. Juni. Wir glauben nicht, daß auf alle die 
criegerischen Gerüchte, die jeden Tag von hiet aus in Umlaus 
gesetzt werden, im Sinn einer unmittelbaren Gefahr Gewicht ge⸗ 
legt werden soll; aber es bleibt nachgerade feststehen und wird mil 
jedem Tage deutlicher, daß man hier die Lage der Dinge nach 
Junen wie nach Außen als eine provisorische betrachtel wird, die 
nur durch Waffengang in eine endgiltige verwandelt werder 
koͤnne ⸗—6 I J — 
Paris 2. Juni. Der Constitutionel erklärt das Gerücht. 
welchem zufolge in Rouen drei der Absicht eines Attentats aus 
en Kaiser verdächtige Individuen verhaftet worden wären, aus 
vas Bestimmteste für unbegründet.. u 
Belgien. 
Brüsfsel, 1. Juni. Die beunruhigenden Gerüchte über der 
Gesundheitszustand des Kronprinzen werden als vollständig grund 
los bezeichnet; die Genesung desselben macht rasche Jortschritte 
England. 
London 30. Mai. Ein Telegramm aus Bombay, 258 
Mai, meldet: Zwischen Russen und Bucharen hat eine Schlach 
qattgefunden, in welcher der Khan der letzteren gefallen ist. Die 
Ersteren haben Buchare besetthzttzz. 
Griechenland. 
Alexandria, 830. Mai. Der österreichische Generalcon⸗ 
jul hat im Namen des Kaisers von Oesterreich dem äghptischen Kron⸗ 
prinzen in Anwesenheit des Vicekönigs das Kroßband des Ordens 
der Eisernen Krone überreicht. 
Donaufürsteuthüumer. 
Bukarest, 31. Mai. Eine Deputation der hiesigen „isra⸗ 
elitischen Allianz“ drückte dem öosterreichischen Consul den besonderen 
Dank der Gemeinde für seine unermüdliche Verwendung in der 
Ifraelitenangelegenheit aus. 
Rußland. 
Petersburg 831. Mai. Das „Journal de St. Peters 
bourg“ dementirt die Mittheilung der „Correspondance du Nord⸗ 
Est“, daß der rusische Consul in Bukarest die Instruction erhalten 
habe, das Ministerium Bratiano zu unterstützen. Ebenso unrich⸗ 
tig sei es, daß das Petersburger Cabinet entschlossen sei, seinen 
ganzen Einfluß anfzubieten, um das Ministerium Bratiano zu 
hatten. 
Amerika. 
New⸗York 20. Mai. Die Anklagecommissäre haben der 
Bürger Riche aus Ohio, welcher am Vorabende der Abstimmung 
ou' der Bank in Washington eine bedeutende Summe erhalten 
hatte, verhoͤrt um zu erfahren, ob diese Summe zur Bestechung 
von Senatoren verwendet wurde; mehrere andere Zeugen, darun⸗ 
ter drei Journalisten, wurden gleichfalls in dieser Angelegenheit 
verhörl. — In Canada wurden Maßregeln gegen eine beabsich⸗ 
tigte Fenier⸗Invasion getroffen. 
Washington, 80. Mai. Präsident Johnson ernannte 
an des zurückgetretenen Hrn. Stantons Stelle den General Sho⸗ 
field zum Kriegsminister. — Grant und Colfax haben die ihnen 
don der republikanischen Convention von Chicago angetragene 
Tandidatnr für die Präsidentschaft und die Vicepräsidentschaft der 
Ber. Staaten angenommen. 
Schwurgerichtssitzung. 
I. Quartal 1800. — J 
.B8Zweibrücken, 28. Mai. Anklagesache gegen I. Katha 
ina Ruppel, 34 Jahre alt, Ehefrau— des Leinenwebers Franz 
Schäfer, früher zu Berghausen, dermalen zu Bohlanden wohnhaft 
2. Georg Ruͤppel, 63 Jahre alt, Schreiner, und 8. dessen Ehe⸗ 
rau Elifabetha Niedhammer, 56 Jahre alt, beide von Berg⸗ 
jausen wegen vorsätzlicher Brandstiftung respective Theilnahme 
hieran. ινν, 
Die Angellagten, Eheleute Ruppel, wohnten früher in Frie⸗ 
delsheim, kamen in Rückgang, und zogen im Dezember 1866 nach 
Berghausen, wo ihr Schwiegersohn wohnte, kauften sich neben 
dessen Wohnung ein Häuschen, betrieben Schreinerei und hielten 
ꝛinen Kramladen.“ Hinter dem Hof liegt das Wohnhaus: der 
Wittwe Gutting, in welchem die Tochter der Eheleute Ruppel, 
zie Angeklagte Schäfer mit ihrer Familie wohnte,“ welche seither 
nach Bolanden gezogenist. Am 25. November 1867 reiste 
—„chäfer nach Goönnheim, während die Eheleute Ruppel nach Frie⸗ 
zelsheim und Wachenheim sich begaben, und ließen ihren 12jäh⸗ 
igen Sohn zur Besorgung des Kramladens zurück. In der 
cacht vom 27. auf den 28. November brach im Wohnhause der 
zheleute Ruppel und zwar gleichzeitig iin fast allen Räumen des⸗ 
elben Feuer aus, wobei es vollständig niederbrannte, die Nach⸗ 
harshäuser aber gerettet wurden. In der Woche vor dem Brande 
hatten die Eheleuse 6 Gebund Stroh und e Cubikfuß Zunder 
angeschaffi. Der Sohn der Eheleute Schäfer, holte am 26. Nob. 
3 Schchoppen Steindl und erzählte später damit seien Hobelspäne 
»etränkt worden. Die Mobilien der Eheleute Ruppel find zu 
01 fl. versichert, wahrend beim Brand wenig oder gar nichts im 
daus und Kramladen sich vorfand, und wurde der Nachweis ge⸗ 
aͤefert, daß Alles fortgeschafft, ja ein großer Theil selbst begraben 
war. Zu Allem dem kommen noch das Benehmen und die höchst 
verdächtigen Außerungen der Angeklagten und ihrer Angehörigen 
hor und nach dem Brande. Die Angeklagten wurden jedoch für 
stichtschuldig erklärt und fofort sämmtlich in Freiheit gesetzt. 
Zweibrücken, 80. Mai. Anklagesache gegen Jakob 
Day, 42 Jahre alt, ledigen Glaser, zu Fußgönnheim wo hn⸗ 
haft, wegen Rothzuchtsversuchs. 
Gegenwärtige Verhandlung halte noch gestern Abend be gon⸗ 
nen und wurde heute fortgesetzt. Der Angeklagte stellt die ihm 
zur Last gelegte Thathandlung entschieden in Abrede. Dessen 
Ruf ist kein guter, obschon öfters polizeilich, so doch noch nicht 
zuchtpolizeilich bestraft worden, und gilt derselbe als arbeitsscheu. 
— Die Vertheidigung hatte Herr Advocat Keller für densel ben 
übernommen. Derselbe warnte die Geschworenen, nicht zu viel 
Werth auf den Leumund des Angeklagten zu legen, sie dur ften 
iich nur fragen, ob der Beweis erbracht sei; sie hätten aber in 
zieser Hinsicht nur einen Zeugen, die angeblich Angegriffene, 
die den Day an der Stimme erkannt haben will, sich aber hie rin 
»etäuscht haben könne; übrigens sei das von derselben erzählie 
horkommniß noch lange kein strafbarer Versuch. Die Geschwore nen 
erklärten auch den angeklagten Day des ihm zur. Last geleg ten 
Verbrechens für nicht schuldig. 
Weermisschtes. 
Im Laufe dieses Jahres sollen in der Pfalz folgende Te,⸗ 
egraphenlini e hergestellt werden: Von Pirmasens nach Waldfischbach 
von Landstuhl nach Kusel, von Zweibrücken über Blieskastel nach 
St. Ingbert, von Dürkheim nach Göllheim, von Germersheim 
nach Bellheim, oon — nach Dahn, von Winden 
nach Langenkandel, ferner die Errichtung von Telegraphenstationen 
'n Wachenheim, Freinsheim, Grünstadt, Göllheim, Lambrecht, 
dandstuhl, Kusel, Blieskastel, Ensheim, Dahn, Ingenheim, Lan⸗ 
zenkandel, Bellheim und Waldfischbach. 53 
fLudwigshafen, 2. Juni. Wie uns soeben mitge⸗ 
heilt wird, find heute Morgen um 4 Uhr auf der badischen Bahn 
wischen Mannheim und Friedrichsfeld zwei Züge zusammenge⸗ 
toßen, wobei mehrere Personen mehr oder minder erheblich be⸗ 
chädigt wurden. Dem Maschinisten des einen Zuges wurden 
heide Beine abgeschlagen. 
Nach einer Berichtigung des vorssehenden Eisenbahn⸗Un⸗ 
zlücks aus Mannheim vom 2. Juni blieben in Friedrichsfeld 
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