Full text: St. Ingberter Anzeiger

Juli zusammentritt, ist (wie schon bemerkt) die sogenannte „Große 
Stupischina,“ die aus viermal soviel Mitgliedern besteht als die 
zewöhnliche (also 480). — Die Mörder des Fürsten sind aus⸗ 
ndig gemacht, und die Untersuchung befindet sich im vollen Gange 
Obwohl mehrere Verhaftungen vorgenommen wurden, so blieb 
doch die Ruhe ungestört. Das Landvolk liefert aus freien 
Stücken verdächtige Persönlichkeiten ein. Der schrecklich verstüm⸗ 
melte Leichnam des Fürsten wird heute einbalsamirt und über⸗ 
morgen bestattet werden. Morgen findet die öffentliche Ausstell⸗ 
aug statt. Die Fürstin Julie (die geschiedene Frau des Ermor⸗ 
deten, eine geborene Gräfin Hunyady) wird aus Wien 
rwartet. 
— Belgrad, 13. Juni. Eine Proclamation des Kriegsmin isters 
an die serbische Armee macht bekannt, es sei der Wille des verbliche⸗ 
—D—— 
olger werde, und fordert die Armee auf, den Willen des Fürsten 
auszuführen. Das Militär nahm die Proclamation sehr günstig 
auf. Die Wahlen zur Skuptichina finden am 21. Juni statt, 
die Eroffnung derselben am 3. Juli. 
— Die hiefige Gemeindevertretung proclamirte einstimmig 
den Reffen des ermordeten Fürsten, Milan Obrenovic, als präsum⸗ 
tiven Fürsten von Serbien. Auch die Stimmung des Landes ist 
zieser Thronfolge günstig. — Das Resultat der bigher eifrig fort⸗ 
gesetzten Unterfuchung constatirt, daß sich eine Verschwörung zu 
Gunsten der Dynastie Karageorgievie gebildet hatte. Die einge⸗ 
zogenen Mörder heißen Radovanovie aus Schabatz, Rogic und 
Aihanarkobic aus Pofcharevaz. In Schabatz ist die Behörde faß 
zußer Stande, die Familie Radovanovie gegen die Volkswuth 
esen 
Das aofficiesle Regierungsblatt und der „Vidovdau“ er— 
tiaren, der Ueheber der Mordverschwörung sei der entthronte Fürft 
Alexander Karageorgevic. Das Haupt eines Morders werde aber 
die Krone Serbiens nicht tragen. „Michael III. Ist gefallen, et 
lebe Füxst Milan IV.!“ 
Die Ermordung des Serbenfürsten Michagel (er war geboren 
1823 und solgte seinem Vater Milosch J. im Jahre 1860) kann 
m sofern zu ernsten Verwichlungen führen, als derselbe keinen 
Frben hinterlaßt und den Umtrieben also Thür und Thoe geöffnet ist. 
Die ‚N. fr. Pr.“ schreibt darüber: Bis zum Zusammentritte 
der Skupschtina wird es an Intriguen aller Art nicht fehlen. 
Fürst Michael ist von der Pforte 1860 durch Berat als Fürst von 
Serbien bestätigt worden, doch hat die suzeräne Regierung die 
erbliche Nachfolge in der Familie Obrenovich nicht anerkunnt. Fürst 
Michael starb kinderlos, uud es heißt, er habe schon längst seinen 
Neffen, den Sohn der in Wien lebenden Fürstin Marie Obren⸗ 
‚vich iestamentarisch als Thronerben eingesetzt. Nach den Aben ⸗ 
ruern, welche diese Tame jedoch mit dem Fürsten A. Cusa in 
Bucharest erlebt, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß die Serben 
ihren Sohn — derselbe ist erst 13 Jahre alt und wird in Paris 
·rzogen — als Fürsten acceptireu. — Ein anderer Prätendent 
vaͤre noch der 1859 vertriebene Alexander Karageorgievich. Man 
Jennt auch noch den Ex-Minister und Senator Garaschanin, eine 
Nreatur Rußlands, als von dem Ehrgeize beseelt, den Fürsten⸗ 
thron zu besteigen. Die Vertreter der Mächte, so wird aus Bel⸗ 
grad telegraphirt, haben haäufig Conferenzen mit provisorischen 
RKtegierung. Den Mächten wird es obliegen, Sorge zu tragen, 
daß die Frage der Thronbesetzung nicht durch einen einseitigen Ein⸗ 
fluß entschieden wird. Hand- und Staatsstreiche sind in Serbien 
twas sehr Alltägliches. Ueber die Entschließuug der Pforte ver⸗ 
(autet noch nichis. Als Schutzmacht und Unterzeichnerin des 
Pariser Vertrags steht ihr das Recht einer gewichtigen Einsprache 
zu. Daß die großserbischen Plaͤne jetzt zu verwirklichen gesucht 
verden. besorgen wir weniger. Rußland freilich wird sich bemü— 
hen, Alles untereinander zu hetzen, aber der gesunde Sinn des ser— 
bischen Volkes und die Wachfamteit der Mächte werden hoffentlich 
schweres Unheil zu vermeiden wissen. — Personen, welche in der Lage 
ind, die Dinge uud Verhältnisse in Serbien aus näherer Anschau— 
ung zu kennen, versichern, daß bei dem Attentate weniger politische 
Moͤtide, als vielmehr religiöbser Fanalismus im Spiel sein soll. 
Man bezeichnet nämlich seit geraumer Zeit und ziemlich allgemein 
zas Fräulein Katharine, Tochter der Auka Konstantinovich (welch 
letztere hauptsächlich großen Einfluß auf den Fürsten geübt und 
besonders die Trennung seiner Ehe mit der Fürstin Julie veran⸗ 
laßt tzaben soll) als die zulünftige zweite Gemahlin des Fürsten, 
and da diese — nach serbischer Genealogie — eine nahe Ver— 
wardle desselben ist, wollte eine fanatische Partei diese „religisse 
Sunde“ vom Throne Serbieus abwenden. 
Amerika. 
NewYvrk. 3. Juni. Der Senat in Washington haͤt 
mit 87 gegen 141 Stimmen dem abgetretenen Kriegssecretar 
Stanton ein Dankvotum ertheilt, dagegen einen Antrag auf ein 
Dankvotum für den Oberrichter Chase wegen der Leitung des 
Processes Johnson abgelehnt. Auch hat derselbe der Wiederer⸗ 
ennung des Hrn. Stamberry zum Attorney⸗General seine Ge⸗ 
nehmigung nicht ertheilt. — General Shofield hat die Leitung 
es Kriegsdepartements übernommen; im Commando des ersten 
Militärdistrikis ist er durch General Stoneman ersetzt. Der ehe— 
malige Präsident Buchanan (Lincolns Vorgänger) ist gestorben. 
— Man befürchtet einen Einfall der Fenier in Canada bei 
Prescott und Cornwall; die canadischen Freiwilligen sind jedoch 
nuf ihrer Hut. 
Wafhinton. 11. Juni. Der Senat genehmigie seiner— 
eits mit 81 gegen 5 Stimmen die vom Repräsentantenhaus be— 
ritis beschlossene Zulassung der ehemaligen Rebellenstagten Nord- 
uind Südcarolina, Georgia, Alabama und Louisiana zur Vertre— 
zung im Congresse. 
Eine amerikanische Stimme über Deutf chland. 
Welche Sympathien man in Amerika dem deutschen Volke 
entgegenträgt, ersehen wir neuerdings wieder aus einem Artikel 
der Pawtucket-Gazette,“ in welcher einer der angesehensten Ame⸗ 
rikaner schreibt: .. .Die Liebe zum „Vaterland,“ auf die ich 
nich, als so hervorragend bei den Dentschen in der Heimath, so 
Jäufig bezog, ist denn auch überall in diesem Lande höchst bemer⸗ 
enswerth. Bei der großen Mannichfaltigkeit der Personen, mit de⸗ 
nen ich zusammen kam, traf ich nicht eine, deren Mitgefühl nicht 
tark erwecdt wurde, bei der Anreguug über die Frage von der 
tünftigen Konsolidation und Macht eines einigen Vaterlandes. Sie 
nmögen kommen aus welchen Stauten sie wollen, Bayern, Würtem⸗ 
herg, Sachsen, den größeren oder kleineren Staaten, sie mögen 
noch so verschieden nach Beruf und socialer Stellung sein, immer 
die Liebe zum Vaterland ist die Empfindungssaite aller Seelen, 
deren Schwingungen der leisesten Berührung entsprechen und die 
im vollkommenen Einklang mit jenen anderer Herzen und Hoff⸗- 
aungen sind. Es liegt ein Zauber in diesem nationalen Empor⸗ 
treben. Es nährt die besten Triebe von Baterlandsliebe in jeder 
Brust, und bei uns Amerikanern sollte es unser wärmstes Mitge⸗ 
fühl erregen und zar Aufmunterung dienen. Kein Volt war uns 
jo treu in den Stunden der Verzweiflung und der Prüfung, als 
der Deutsche, und um die Größe dieser Sympathie und die Auf— 
richtigkeit derselben zu kennen, muß man mit ihm in Berührung 
zekommen sein, wie wir, als unsere Noth und unser Unglück ihre 
Thatkraft entzundete. Was auch immer wir thun können zur 
Beforderung des sehnenden Wunsches der Deutschen, sollte erustlich 
Jethan werden. Ich kann nie die Befrieorigung höchsten Grades 
bergessen, die ich bei der Versammlung deutscher Bankiers in 
Frantfurt erfuhr, welche zusammen kamen, um Mir. Lauier (von 
dem Bankhause Winslow Lanier u. Co. Newyortk) entgegen zu kommen, 
der von dem Finanzminister zu Washington hieher gesandt wurde, um sich 
des Standes amerikanischer Staatspapiere im Auslande zu ver— 
sichern. Bei dieser Versammlung von 60 oder 70 der ersten 
dandlungshäuser, die fabelhafte Summen repräsentirten, und welche 
Millionen Dollars unserer Anlehen besaßen, war der Enthusiasmus 
und die wahre Befriedigung über den Erfolg unserer legalen und 
patriotischen Armee bei ihnen so stark wie bei uns. Und die 
Reden, welche gehehalten wurden, verbürgend unsere Redlichkeit und 
Biederkeit für die ehrenhafte Bezahlung des letzten Dollars unse⸗ 
rer Verbindlichkeiten, wurden mit Beglückwünschungen und Ver— 
sicherungen unbegränzten Vertrauens empfangen. Laßt die Ge⸗ 
schichte nichts versäumen in dieser stolzen Mittheilung, daß, als 
die Finsterniß ihren schwarzen dunkeln Mantel über uns deckte, 
als die verhaßten Sendlinge verdammnißvollen Verraths sich dem 
apitol unseres Landes näherten, Tod und Vernichtung nuserer 
Republik drohend, als sogar die Erde selbst verrätherisch erschien 
und selbst Männer von Wahrheit und Patriotismus ängstlichen Blickes 
inter dem schweren Drud von Zweifel und Furcht litten, sogar in dieser 
Stunde des Kleinmuths zu Hause kamen zu uns die starken 
Stimmen der Hoffnung und frohen Muthes derselben deutschen 
Bankiers, die der Welt ihren Glauben und die Hoffnung verkuͤn⸗ 
deten, indem sie die Preise amerikanischer Anlehen auf der Frank⸗ 
furter Börse erhöhten. Gott segne das deutsche Vaterland! Möge 
eine Zukunft sein, wie der Glanz der Sterne am Firmam enie! 
Möge der östliche Himmel die glänzende Morgeupracht wieder— 
trahlen, wenn die Strahlen dieser Sonne glänzen mit der Pracht 
eines auferstandenen, mächtigen und intelligenten Bolkes, in der 
neuen Gestalt einer herrlichen Verbrüderung und Einigung gereift 
und vervollkommnet. 
— M2 
Kaiserslautern, 13. Juni, Abends 6 Uhr. Bei der 
heute stattgehabten Generalversammlung der Actionäre der Baum— 
vollspinnerei Kaiferslautern einigten sich dieselben dahin, daß der 
Verwaltungsrath das Gericht veranlasse, seinen Ausspruch um 8 
Vermischtes.