Gesandten hat die italienische Regierung an den päpstlichen Schatz
8 Millionen Lire als Abschlagszahlung auf ihren Antheil an den
Zinsen der päpstlichen Schuld abgeliefsert. — Der Papst Pius
Jat gestern in St. Peter in Gegenwart seines Hofstaates, des
diplomatischen Corps und einer ungeheueren Menschenmenge eine
feierliche Messe gehalten.
Donaufürstenthümer.
Belgrad, 2. Juli. Soeben verkünden Kanonendonner
und Glockengeläute daß die Skuptschina Milan Obrenovic IV. als
Fürsten von Serbien proclamirte. Die Stadt prangt im Fest—
ichmuck. Der junge Fürst fuhr von der Volkscavalerie begleitet nach
Topschider, wo er von der Skuptschina stürmisch begrüßt wurde.
Sämmtliche Consuln der auswärtigen Mächte waren anwesend.
Der Fürst sprach zur Skuptschina: „Obwohl noch jung, werde ich
bei Anstrengung aller Kräfte lernen mein Volk glücklich zu machen.“
Darauf hielt der Fürst in Oberstuniform unter endlosem Jubel
eine Revue über die Truppen ab. Die Abgeordneten von Bel—⸗
zrad schlugen eine Regentschaft vor, bestehend aus dem Kriegsmi—
nister Blatznavac, dem ehemaligen Minister des Aeußern Ristic
and dem Senator Gavriacovic, welche von der Skuptschina ein⸗
stimmig bestätigt wurden. Auch die bisherige Civilliste wurde
für Milan bestätigt. Morgen wird die Skuptschina ein neues
Ministerium wählen.
Proceß Ehorinsky.
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Gortsetzungh.
8 München, 23. Juni.
Die Zeugenaussagen bieten bis jetzt im Ganzen genommen
wenig Neues. Das Streben der Vertheidigung, den Angeklag-
len als unzurechnungsfähig darzustellen (weßhalb auch sechs Psy
chiatriker als Sachverständige geladen sind), fand in gewisser Hin⸗
sicht eine Stütze an der Aussage des Adalbert Mikulitsch, der
früher im Chorinsky'schen Hause Erzieher gewesen und mit der
derlebten Gräfin Mathilde in sehr vertrauten Beziehungen gestan⸗
den hat. Er ist der Vater ihres noch lebenden Kindes. Dieser gab u. A.
an: Nachstellungen von Seiten ihres Mannes habe die Gräfin immer
gefürchtet; ob gerade Nachstellungen nach ihrem Leben, kann Zeuge
nicht ang ben. Auf das Bestimmteste behauptet aber Zeuge, daß dieGrä⸗
fin erählte, ihr Mann habe ihr mehrmals vorgeschlagen, von Prostitu—
ion zu leben. Im Hause Ihrer Schwiegereltern sei die Gräfin geachtet
gewesen, doch habe sie das Haus verlassen, weil sie jede Hoffnung
auf eine Aussöhnung mit ihrem Manne aufgegeben hatte. Die
Bräfin habe auch erzählt, daß ihr Mann manchmal sehr gut,
dann wieder ein höchst leidenschaftlicher Mensch sei, und daß es
ihr vorkomme, als ob es bei ihm manchmal „rapple“. Später
sagte sie, sie spreche den Ausdruck „rappele“ einem Arzte nach, der
behaupie, der Graf Chorinsky sei ihm ein Räthsel; er könne
nicht begreifen, wie man eine Frau. die gar nichts verschuldei
hat, verstoßen und einen so enormen Haß gegen sie hegen könne.
Auf die Frage des Vertheidigers, ob die Gräfin wirklich einen so
üblen Geruch an sich trug, bemerkte Zeuge: „Es empört mich,
das zu hören. Das ist eine freche Lüge.“ Auch Frau Hartmann
bestätigt, daß die Gräfin keinen üblen Geruch hatte. — Daß die
Gräfin Ebergenyi auf die Heirath nicht so erpicht war, als Gras
Chorinsky, wird durch die Aussage der Rittmeistersgattin Annav.
Hoye bestätigt, welcher die Ebergenyi klagte, daß Chorinsky gar
so heftig und jähzornig sei. Die Hoye rieth ihr deßhalb, ihn
nicht zu heirathen, denn nach der Heirath würde dieser Fehler in
noch viel stärlerem Maße hervortreten. Aber die Ebergenyi habe
ihr erwidert, sie müsse ihn heirathen, sie wäre sonst compromittirt,
da schon das ganze Comitat um das Heirathsproject wisse. —
Elise Hartmann, bei welcher die Gräfin hier wohnte, gibt an, sie
habe schon, als die Ebergenyi am 22. Abends sie zum Holen
einer Droschke aufforderte, kurz vorher aus einem anstoßenden
Zimmer der Gräfin einen Quikzer (Aechzen) vernommen gehabt
woraus sie schließt, daß die Gräfin damals schon todt war. —
Zeuge Student Struve, der in einem ebenfalls anstoßenden Him—
mer wonhte, hat am kritischen Abend im Zimmer der Gräfin
eine sehr heitere Unterhandlung gehört, aber kein Aechzen, Stöhnen
oder Fall; um sieben Uhr etwa hörte er die Thür heftig zu—
chlagen.
Die Sachverstündigen Professor Buchner und Professor Mar—
tin halten es für kaum wahrscheinlich, daß den nach Reichenhall
geschickten kandirten Früchten Cyankali beigemischt war, jedenfalls
enihalten die untersuchten Stücke kein Gift. Sollte Cyankali auf—
gestreut gewesen sein und sich durch die Verbindung mit Zucker
zersetzt haben, so müßte man das reine Kali noch finden; darauf
wurde die chemische Untersuchung nicht ausgedehnt, weil Kali kein
Gift ist. Für den Fall es gewünscht würde, wurde das Erbieten
zestellt, es nachträglich zu thun.
Dem Protest gegen die Vorlesung des gestern erwähnten
Schreibens eines bomischen Kupferbergwerkbesitzers an den Wiener
Antersuchungsrichter über die Möglichkeit einer Bergiftung durch
andirte Fruͤchte, gab der Gerichtshof Folge, indem er den bezüg—
lichen Antrag des Staatsanwalts aus dem Grunde ablehnte, weil
das Schreiben durchaus nicht als Gutachten im Sinn des Gesetzes
zu betrachten sei. Professor Martin und Professor Buchner sagen
übereinstimmend aus, daß die Gräfin Chorinsky durch Blausäure
ihren Tod gefunden hat.
Aus den Zeugenaussagen erwähnen wir vorerst noch die des
Jiesigen Polizeidirectors v. Burchtorff. Er bekundete außer an—
zerem, was schon bekannt ist, namentlich noch, daß, als er die
beiden Grafen Chorinsky, Vater und Sohn, bei einem Gang zur
„sterreichischen Gesandtschaft begleitete, ihm die Frage des jungen
HBrafen auffiel, ob er als Polizeidirector berechtigt sei, irgend Je⸗
manden durch die Gensdarmerie verhaften zu lassen. Bei der Ge—
andtschaft eingetroffen, trat nur der alte Graf ein, während der
unge zurückblieb. Zeuge d. Burchtorff ging mit diesem in der
dudwigsstraße auf und ab, und erfuhr bei dieser Gelegenheit von
hm, daß er von seiner Gemahlin längere Zeit schon getrennt
lebte, daß er sie haßte, daß sie die Zinsen der Caution bezog und
daß er bisher auf seine Gage beschränkt war. Zeuge bestellte die
heiden Grafen auf Abends 6 Uhr zu item, war aber wegen dienst⸗
licher Verrrichtungen erst um halb 7 Uhr in sein Bureau gekom⸗
men, wo der alte Graf auf ihn wartete; der junge Graf ging
vor dem Polizeigebaude auf und ab und' konnte nur durch drin⸗
zend wiederholte Aufforderungen bestimmt werden, ebenfalls in das
Burea des Herrn Burchtorff einzutreten. Die beiden Herren woll⸗
ren sich öfters entfernen; doch gelang es dem Zeugen, der bereits
dorher seine gemachten Erfahrungen dem Untersuchungsrichter mit
dem dringenden Antrag auf Verhaftung des jungen Grafen mit⸗
getheilt hatte, sie so lange aufzuhalten, bis der Verhaftsbefehl vom
Antersuchungsrichter eintraf. Feuge übergab denselben sofort, wo—⸗
rüber beide Grafen sehr bestürzt waren. Der alte Graf ging zum
Antersuchungsrichter, konnte aber eine Zürücknahme des Verhafts-
zefehls nicht erwirken.
Die 'im Laufe des Nachmittages vernommenen Zeugen hatten
ür die Vertheidigung ein besonderes Gewicht, weil sie sämmtlich
zekundeten, daß Graf Chorinsky sowohl früher, als auch im Ge—
ängniß, sich als ein äußerst erregbarer, leidenschaftlicher Mensch
jezeigt habe, der voll von Sonderbarkeiten sei, dabei übrigens gut⸗
nüthig uud nach einem Zornausbruch leicht zu besänftigen. Daß
er aber an eigentlicher geistiger Störunz leide, wußten sie nicht zu
»ekunden; nur Einer, der vielgenannte Rampacher, den er hierher
chickte, um sich nach der Gräfin Mathilde zu erkundigen, sagte
jeradezu, der Graf sei ein völliger Narr. Das brachte den Au—
jeklagten in furchtdare Aufregung; er rief, das sei eine Beleidig—
ing, die er sich verbitte; er sei nicht närrisch. Und so sehr hatte
hu der Ausdruck erregt, daß er im Verlauf der nachfolgenden Ver⸗
nehmung, wo sich nur immer Gelegenheit bot, stets wieder darauf
urrückkam und gegen die Beschuldigung der Narrheit prostestirte.
lebrigens war dem Staatsanwalt die Angabe Rampachers, die
ich in seiner Vernehmung im Wiener Prozeß nicht fand, auffällig,
auf die desfallsige Frage erklärte er, er habe dort nur bezüglich
der Ebergenyi Zeugniß zu geben gehabt, also nichts, was auf des
Hrafen geistigen Zustand Bezug hatte, berührt. Es fiel auch
auf, daß Rampacher sich über seine Aussage schriftliche Aufzeich-
ung gemacht hatte, die er bei seiner Vernehmung benutzte; auf
Borhalt erklärte er, daß Frteunde ihn um Aufzeichnung dessen,
vas er von der Sache wisse, gebeten hätten; hier habe er sie nur
zenutzt, um nichts zu vergessen.
Die vom Professor Buchner weiter vernommene Untersuchung
der kandirten Früchte führte dazu, daß er angab, mit fast apo—
ziktischer Gewißheit behaupten zu können, es sei kein Cyankali da⸗
mit in Berühruug gekommen. s
Der Photopraph Angerer, von welchem die Ebergenyi sich
Tyankalium unter dem Vorwande, ihrem Bruder ein Geschenk da—
nit zu machen, verschaffte, reproducirte seine schon bekannte De—
position.
Die Zeugin Maria Hotovy, Wirthschaftspüchtlers-Wittwe von
Wessely, gibt außer den bereits bekannten Aussagen (daß ihr Ver—
jältniß zum Grafen in den letzten Monaten aus einem Liebes—
derhälniß ein freundschaftliches geworden sei, wofür sie den Grund
— die Leidenschaft des Grafen für die Ebergenjgi — erst aus
der Zeitung erfahren habe), auf die Frage des Präsidenten, wie
deun die Gemüthsart des Grafen gewesen sei, an, derselbe sei
ehr leidenschaftlich und erregbar gewesen, und sie habe oft geistige
A
Der Präsident macht Zeugin darauf aufmerksam, daß diese Aus—
sage der von ihr in Wien gemachten widerspreche, wo sie ange⸗
geben habe, Chorinsky habe ein erregbares Gemütqh und hitzizes
Temperament, und damals habe ihn der Wunsch, Hauptminn zu
verden, am meisten beunruhigt. von einer geistigen Störung habe