Alles, was in Newyork deutsch ist, drängie sich um sie. Natür—
ich hetrachtete man sie als Gäste; sie janden ihre Wohnung in
inem der ersten Gasthäuser (Prescott⸗Hotel) vorbereitet und vier
Lage lang wurden sie von Festlichleit zu Festlichkeit geführt, so
daß sie trotz aller Befriedigung froh gewesen sein mögen, als sie
im Montag Abend in einem Waggon der Pensilvania⸗Central⸗
xisenbahn saßen und ihrem Ziele, Chicago, jurollten. Chicago,
zas vor einem Menschenalker nur ein Dorf war, ist jetzt eine der
zgroßten und blühendsten Städte der Union, und, was sie vor Al⸗
em wichtig macht, der Mittelpunkt des deutschen Lebens im west⸗
lichen Amerika. Die Staaten Illinois und Wisconsin waren von
seher mit Vorliebe von deutschen Einwanderern aufgesucht, und nir⸗
gends in der Union übt das deutsche Element einen so entscheiden ⸗
ʒen Einfluß, wie gerade dort, Vas zeigte sich auch dei der leh—
en Convention von Chicago, auf welcher Grant zum Candidaten
ür die Präsidentschaft aufgestellt wurde und an welcher General
Schurz und H. Raster. der Redacteur der großen, weitherbreiteten
deutschen) „Illinois Staatszeitung,“ einen herporragenden Antheil
nahmen. Daß der Gesang blüht, wo deutfche wohnen, ist eine
ekannte Thatsache. Auch hat es an Liederfesten in Amerika nicht ge⸗
zehlt. Das Fest in Chicago: sollte jedoch das graßartigste von
allen werden, die bis dahin auf amerikanischem Boden stattgefun⸗
den; es sollie, wenn auch in heiterer · Fotui, die Macht und die
Zusammengehoöͤrigleit Zes deuuscher Elements zeigen. Deshalb
pünschte man die Betheiligung von Sängern aus dem Mutterlande
und der Jubel, daß diesem Wunfsche, wenn auch nur durch eine
lleine Anzahl von Abgesandten, entsprochen wurde, zeigte fich schon
jn den 80 Kanonenschüssen, welche in Chicags abgefeuert wurden,
obald man durch eine ielegraphische Depesche erfahren, daß die
zeutschen Sunger den amerikanischen Boden betreten hatten. Wir
schweigen, wie erwähnt, über die Einzelheiten des Programmes
»as ganz dem unserer deutschen Männergesangfeste entsprach. Es
cheint in jeder Beziehung Treffliches geleiste worden zu sein.
Much Wagner gelangte durch den Schlachtgesaug aus „Rienzi“
zur Geltung; gerühmt wird: die Direction des Musikdirectors
T. Bergmann,/ Dirigenten des Arion in New -York. Was aber
unseren deutschen Abgesandten theilweise höchst seltsam vorkam
das war die Begeisterung für das „Neue Deutschland“ oder den
Rorddeutschen Bund, die fie überall unter den Deutschen in Ame—
rika vorfanden. Ganze Wolken von deutschen Fahnen bedeckten
ie Straßen von Chicaga, aber sie varen sämmtlich — schwarze
othweiß nur ganz vereinzelt zeigte sich eine jchwarzrothgoldene
Fahne — das Symbol unserer ——— jetzt durch
ꝛine zwar herbe, aber praktische und fruchtbringende Wirklichkeit
ersetzt sind! Freilich war die schwarzrothgoldene Fahne nie das
Banner deutschen Reiches — was die Deutsch⸗Amerikaner auch
ehr gut wissen. Die practischen Leute halten fich an die Wirk
ichkeit. Ihre Zeitungen sprechen es offen aus, daß fie jetzt auf
den deutschen Namen stolz sind und gern auf die früheren fenti—
mnalen Träume verzichten, daß die Gegenwart doch Etwas, wenn
auch nicht Alles bietet. Einen sehr bestimmten Ausdrucdk fand diese
Anficht am Schlußtage dieses Festes, auf einem großen Picknick
in Wright's Grovay, einem sehr schönen Wäldchen in der Nähe
von Chicago. General Willich, einer der beliebtesten Deutschen
n ganz NordAmerika, war vom Fest⸗Comite beguftragt, die üh⸗
chiedsrede zu halten. Der Anfang derselben lautet: Deutsche
Männer und Frauen! Vor mehr als fünfzig Jahren sang unser
— des
Deutschen Vaterland ?“ und gab darauf die Antwort: ——
So weit die deutsche Zuge lling
Und Gott im Himmel Lieder singt; F
Das ganze Doeutschland soll es seinn
Wäre Arndt heute unter uns, so küme er zu einer andern
Aniwort. Das Vaterland hat keine geographischen Grenzen mehr,
as ganze deutsche Heimathsland ist uns zu klein geworden; ja
die ganze weite Erde ist unser Vaterland! — Wie durch Dampf
ind Electricität der Wechsel der Begebenhefjten schneller geworden,
jo ist das, was gestern unerreichbar, außerordentlich schon, heute
um Gewöhnlichen geworden und morgen tritt ein Neues, Großes
in seine Stelle. — Wie viele Millionen haben unserem Arndt
ieses Lied nachgesungen, wie viele haben Gelübde abgelegt, es
ur Wahrheit zu machen und Arndt's Worte zu verwirklichen.
Liele Tausende haben ihr Blut dafür gegeben uud ihr Alles ge⸗
pfert. — Wer hat die Klagen der Verzweiflung und das Ge—
chrei der Unglücklichen, welche in den Kerkern Deutschlands wie⸗
erhalten nicht gehört ? Ihr alten Rebellen don 1848 und 1849
venn Ihr zurückdenkt an die Vergangenheit, hört Ihr nicht den
Widerhall, der Büchsenschüsse in Rastatt und auf der Brigittenau,
nit denen man den Klang der deutschen Einheit zu übertäuben
uchte? — Während in Deutschland das Lied fortgesungen wird,
adelt man doch an vielen Orten und von vielen Seiten die ein⸗
ige darauf bezügliche That, weil Zündnadelgewehre und Krupp'jche
danonen nothig waren, um die deutsche Einheit möglich zu machen. —
Bahrend sich die Leute üher die Windel der deutschen: Tinheis jtreiten
ind dadurch die Einheit hindern, flatt sich denz Manue amuschließen,
ꝛer felbst den Kaiserschnitt vislirt, geht es dennvch vorwürts. Der
eutsche Volksgeist hat langst die geographifchen Grenzen Deutjch-
ands überschritten. Die Millionen, für deren Kinder Denschland
ein Brod hatte, haben hier im Schweiße ihres Angesichts dije Re—⸗
en gepflanzt, deren Traubensaft jetzt in anseren Glaͤsern perlt
5s wetteifert der Deutsche hier mit den Angelsachsen in der Be—
aaltigung des Urwalds, der Behauung des Bodens und der Ve⸗
auung der reichen Hilfsquellen des Landeg,“ General Willich
pandte sich den amerikanischen Zuständen zu, und sagte, daß es
die Aufgabe der Deutschen sei, die KRoheit, die Hrühwinlelen und
Ruckerei, die übertriebene Maäßigkeitssucht, dig seibin gegen den
aemlosen Genuß guten Biers eifert, sowie die Schaͤden der
Ztaatsverwaltung, namentlich die unredliche Finanzverwaltung
u befeitigen, Zuletzt richtet er seine Worie noch specielt qu die
urbpaischen Abgefandten und bat sie, nicht zu glauben, daß all⸗
emeines Stimmrecht und republikanische Formen die Freiheit
cherten, sondern nur das Gefühl der Freiheit in der Brust des
rinzelnen und der Wille, sie zur Glestung zu —A
jeit gehört: aber auch die Schoͤnheit, also die Kunst und der Ge⸗
ang· Die deutschen Brüder möchten in der Heumath dafür sorgen,
ꝛaß die Vorurtheile zwischer den einzelnen“ deutschen Stammen
chwänden und daß man sich nicht über die Windein zanke, in
velche das neue Deutschland gewickelt werden soll Auf jeden
zall hat dieses großartige Fesi den eingebornen Amerilkanern, den
)ankees, gewältig imponirt, schon dadurch, daß eg in ungestörter
»armonie, ohne die gewöhnliche Raufere verlief. In Chicago
elbst herrscht allerdings zwischen den Amerikanern und Deutschen
zas beste Einverständniß? die englischen Zeitungen wetteiferten mit
)en deutschen, das Fest als ein nationales anzuerkennen. Richt
a an andern Orten, wo die Yankees immer noch sehr hochnasig
zuf die Deutschen herabblicken, Diesesmal jedoch hörie man an
illen Orten nur- anerkennende Urtheile. Und hatte das Fest auch
iur dazu gedient, um den Tag und Racht Geld schaffenden Ame—
ikanern, die keine herzliche, gemüthliche Stunde kennen. zu zeigen,
aß die Männer, welche im Kampfe für die Union so wader das
S„chwert geschwungen, in Friedenszeiten harmlos und froh ihr Le⸗
zen zu genießen und die kurze Spanne des Daseins durch Würze
ind Frohsinn zu verschönern wissen — es hätte feinen Zweck vo ll⸗
ommen erreicht! Früher hieß es, wir tdnnten nur schwa tzen,
urnen und fingen. Dags iist vorbei. Wir haben gezeigk daß wir
zuch handeln können, und vielleicht beneiden uns die Fremden da—
rum, daß wir nach schwerer gethaner Arbeit noch Kraft und Hei—
erkeil des Geistes genug besitzen, um den Genuß der Ruhe durch
in edles und schönes Lied zu erhöhen.
e r mi co te .
F3Zweibrücken, 20. Gestern Nachmittag entlud sich
iber unsere Gemarkung ein furchtbates Gewitier mit Regen und
Schlossen; wie wir erfahren, soll der Blitz in Bubenhaͤusen in
ein Haus eingeschlagen und dabei gezündet haben, doch konnte das
Feuer sofort wieder gelöscht werden; auch follen zwei Kinder dvon
»em Blißzstrahl getroffen worden sein, wodon das eine bedeutende
Zrandwunden davon getragen habe. (JIw. BJ)..
FMünchen, 10. Juli. Da im Jahre 1867 in Ober—⸗
zayern leider eine nicht geringe Zahl von Erkrankungen an Blat⸗
ern, sowohl an ächten als modificirten, vorkamen und sich auch
—DDD—
sierung in einem amtlichen Berichte die in jebem Bezirksgericht
»es Kreises vorgekommene Erkrankungen, Sterbefälle und das
Berhäͤltniß beider zu den Geimpften und Nichtgeimpften, jo wie
ur Gesammtbevöllerung“) belannt gegeben. Wir eninehmen aus
iesem Berichte, daß im ganzen Kreise 8981 Erkrankungen an
Blattern im vergangenen Jahre vorlamen. Todesfälle an Blat⸗
ern kamen 267 vor, so daß auf 15 Blatternfalle ein Todesfall
am, oder es starben 6.6 Proz. der Erkranktten. Von den letztern
varen 3767 oder 94.1 Proz. geimpft und 214 oder 53 Proz.
richt geimpft. (Meistens Säuglinge.) Von den 3767 geimpften
Blatternkranken starben 167 oder I bon 24, oder 4.. Proz. und
war meistens im vorgerüchten Alter. Von den 214 nicht geimpf⸗
en Blatternkranken starben allein 100, oder 1 von 216 vber
17 Proz., so daß die Mortalität der nicht geimpften Blattern⸗
ranken ungefähr 10mal so groß als jene der Geimpften war,
) Im Berichte heißt es auffallender Weise, daß die Bevdlkerung
Oberbayerns 145,822 Seelen betrage, während dieselbe in Wirklichkeit un⸗
efähr die vierfach⸗ Zahl beträgt. Daß diese irrige Angabe auf keinem
Iruckfehler beruht, gehi aus der weiteren Angabe hervor daß sonach auf
16.0 Personen ein Blatternfall treffe, oder letztere auf 2.2 Prozent der
Jevblkerung fich belaufen, welche Berechnung gang mit ver genannten fal⸗
hen Ziffer übereinstimmt. In der That aber lam eiwa auf 145 Personen
in Blatternfall.