Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bei der durch Hrn. Exter vorgenommenen Abstimmung be—⸗ 
arkundete sith eine so große Einhelligleit, daß bei der Gegenprobt 
sich nur zwei Hände (und sehr wahrscheinlich in mißverstandener 
Weise) emporstreckten. 
Nach Hru. Jacob sprachen die zu diesem Feste eingeladenen 
Saste. Der Erste, Herr Prediger Müller an der Jerusalems« 
firche zu Bersin, erging sich besonsers über das „Wesen der 
Union.“ — Ihm 'solgte Heir Bluntschli, der zuvörderst für 
das freundliche Entgegenkommen von Seiten der Pfalz, bei Gele— 
zenheit des zweiten Protestantentages dankte, Redner betont, daß 
Union“ den Frieden bedeute, im Gegensatze zu theologischer 
Rechthaberei. Die Pfalz sei so viellseitig augeschwärzt, als ob sie 
rivol wäre — er aber möse die Anschwärzer jetzt hier sehen, da⸗ 
nit sie sich überzeugen könnten, welcher Geist die Versammlung 
zeherrsche — es sei der Geist der Nenzeit. — 
Redner bedauert ferner, daß die Geistlichkeit, bei der Feier 
aicht theilnehme — „ist das christlicher Sinn, wenn sich die 
hirten von ihrer Heerde trennen? —Schließlich mahnt Hr. Blunt 
hli an das hohe Königswort unseres unvergeßlichen Maximilian 
IJ.: „Ich will Friede haben mit meinem Volke!“ und wünscht 
daß das Kirchenregiment dasselbe thue und Friede mit den Ge⸗ 
meinden mache. (Stürmischer Beifall.) J 
Der letzte Redner war Herr Kirchenrath Dr. Schenke 
rus Heidelberg, der die Versammlung im Namen der dortigen theol. 
Facustät begrüßt und deren Glücwünsche zu dem heutigen Feste bringt 
ẽr nennt das Fest ein herrliches, nicht wegen des äußeren Schmu⸗ 
tes, sonnern weil es ein Fest der protestantischen Geistesfreiheit 
st. Auch er bedauert die Abwesenheit der Geistlichen, aber wie 
Nancher wäre wohl gerne gekommen, wenn er nur gedurf 
zätte. Geifall.) 
Deßhalb müsse auch Milde gegen sie geübt werden. — Die 
Feinde der Union mögen übrigens mit gezogenen und ungezogenen 
Zanonen gegen sie ankämpfen, unsere Waffe sei die der Liebe und 
Duldung. Auch Heidelderg habe schon schwere Kämpfe bestanden, 
aber gerade die Pfalz sei es gewesen, die ihnen treulich zur Seit 
danden, und als Dank dafür, wollen sie aber auch dafür Gewähr 
—ED 
don dorten heimkehren. (Großer Beifall.) 
Hierauf statlete Herr Exter den Güften seinen Dank ab und 
noch Verleiung mahrer Schreiben und Absingung des Chorals 
„Nun dan et Alle Gott“ schloß die erhebende Versammlung. 
Nach B.endigung des Kirchlichen Festes, war ein Festessen 
m Krafeschen Saale. 
Aus der Pfalz, 31. Juli. Die Preisvertheilung an 
zie schön?en in der Vfalz gezogenen, fowie zur Nachzucht ver— 
wendeten Pferde findet Freitag, den 11. Sept. d. J., Morgens 
11 Uhr, im Gestütshof zu Zweibrücken, die Musterung Tags 
dorher statt. Die Summe der zu vertheilenden Geldpreisen beläuf 
ich auf 1500 fl. Stut⸗ und Hengfstfohlen unter 2 Jahren wer⸗ 
en nicht zur Preisbewerbung zugelassen. Von den hiezu be— 
timmten Pferden muß durch Zeugniß des betreffenden Bürger- 
neisteramtes nachgewiesen werden, daß die ansässigen Personen 
der Pfalz gehören. 
JHeibelberg. Bekanntlich hat Hofprediger Dr. Hoff— 
mann in Berlin Generalsuperintendent der Kurmark Brandenburg 
ind Mitglied des preußischen evangelischen Oberkirchenrathes, in 
einer Schrift „Einst und Jetzt“ auch den deutschen Protestanten 
verein in den Kreis seiner „reichsgeschichtlichen“ Beleuchtungen 
zezogen. Der Hr. Hofprediger scheut sich nicht, dem Protestauten ⸗ 
zeteün allen „Zusammenhang mit der deutschen Reformation“ ab⸗ 
uerkennen, ja zu sagen: Die Partei des Protestantendereins ist 
zicht mehr national, nur noch kosmopolitisch und kann in der preu⸗ 
zischen Landeskirche nimmermehr als eine berechtigte geduldet wer 
»en; sie kann nur wie die Freigemeindler, selbst nur wie die 
guden zur Kirche stehen.“ Auf dieses dreiste Wort ist denn auch 
der Protestantenverein die Antwort nicht schuldig geblieben, wie 
nan aus dem Artikel Dr. Schenkel's über „die neueste Bannbulle 
gegen den Prote tantenderein“ im sechsten Heft seiner „Allgemeinen 
irchlichen Zeitschrist“ ersieht. Treffend wird hi.r das Gebahren 
es Berlinet Hospredigers Hoffmann mit dem des ehemaligen 
sachsischen Hofpredigers Hoe v. Hohenegg derglichen, welcher zur 
elbigen Zeit als der dreiß giährige Krieg die dringenste Nöthigung 
uur Vereinigung aller protestantischen Kräfte bot, mit Mitteln 
oshafter Consequenzmacherei bewies, daß nur die Lutheraner 
zhristen, die Reformirten aber schlinmer als die Türken 
eleit. — 
Der Receptor der Berliner Gasanstalt, Steinäder, wurde 
zei einer Explosion des Oels seiner Petroleumlampe durch die 
rennende Flüssigkeit so durch Brandwunden verletzt, daß er starb; 
ie Explosion — und dies möge zur Warnung dienen — war 
adurch entstanden, daß er, um seine Lampe auszulöschen, den 
docht herunterschraubte, statt die Flamme einfach auszublasen. 
FAm 258. ist daz oberbessische Dorf Battenbere 
ibgebrannt; 80 Wohnhäuser, dazu: Scheuern und Skälle, liegen 
in Asche; nur die Kirche, das Schulhaus und 8—10 abseits ge⸗ 
legene Häuser blieben verschont. Viel Vieh ist mitverbrannt. 
7 In Wien ist der Kaufmann Wohlleber aus Dresden, der 
im Hotel Schipler wohnte, ermordet und beraubt aus der Donau 
gezogen worden. 
f In Wien ist am 28. ein Schützesgast, Wirth Buhler von 
Böppingen, in Folge Sonnenstichs plößlich gestordhen. — 
7 An der Spitze des Schützenfestzuges gieng, Wiener Blät⸗ 
tern zufolge der Tambour.⸗ Major der Kapelle der städtischen 
Feuerwehr, dessen Bart nicht weniger als 4 Schuh und 2 Zol 
mißt. Für gewöhnlich trägt der Besißer dieses Schmuckes den⸗ 
selben in Zöpfen geflochten unter den Kleidern, am Sonntag lich 
er ihn zu Ehren des Festes frei flatten. 
— Die Kosten der Festbauten betragen im Ganzen 295,765 fl. 
davon entfallen auf die Schießhalle sammt Anf und Nebenbau 
51,052 fl., die Festhalle 98,130 fl. den Wirthschaftsraum 
28,086 fl., das Hauptportal 11,280 II., jedes der beiden ande⸗ 
ren Poriale 3718 fl., der Gabentempel 8604 f. 
7 Der österreichische Flüchtling Goldmark, der im Jahre 1848 
vegen Theilnahme am Morde des diterreichischen Kriegsministers 
Latour in contumaciam zum Tode verurtheilt worden war, und 
zegenwärtig Befitzer einer großen chemischen Fabrik in Philadelphiu 
ist, hat sich durch einen Wiener Rechtsfreund Einsicht der ein⸗ 
schlägigen Acten erbeten, um nach Prüfung derselben daß 
Begehren auf Wiederaufnahme der Untersjuchung stellen zu 
idnnen. 
F Gumbinnen, 28. Juli. Die dhiesige Negierung hat 
don den Landräthen der Kreise Heydekrug und Gold pdie An⸗ 
zeige erhalten, daß in den angrenzenden russischen und polnischen 
Bezirken die Viehseuche wieder ausgebrochen sei. 
FWie aus einer von der Stadt Paris an die Budgetcon⸗ 
nission gerichteten Note erhellt, hat die Bevolkerung der franzd⸗ 
ischen Kapitale fich seit dem Jahre 1853 verdoppelt. Es find 
in den letzten 15 Jahren 20,000 Häuser niedergerissen und 
15,000 Häuser anfgebaut worden. Das Mehr von 28,000 
häusern hat der Stadt eine Zahl von 110,000 neue Wohnungen 
geboten. Es gibt in Paris gegenwärtig 80,000 Wohungen, die 
weniger als 500 Frs. jährlich Zins zahlen. 
7 Die Stadt Paris hat seit' dem Jahre 1833, also Un 
15 Jahren 1536 Mill. folgendermaßen verausgabt“ 884 Mill 
Ur öffentliche Arbeiten, Straßenbauten un s. w. 157 Mill. «fue 
Brunnen⸗ und Schleusenwesen, 55 Mill. für wohlthätige Anstal- 
en, 61 Mill. für Kirchen, 17 Mill. für Quais und Brücken, 
129 Mill. für Schulen, Theater, Kasernen u. s. w., 838 Mill. 
für Märkte und Hallen, 195 Mill. für öffentliche Anpflanzun⸗ 
gen, Squares ⁊c. Man sirht, daß Paris sich nicht —umsonst die 
jchönste Stadt der Welt nennt. 
Der Pariser „Charivari“ bringt ein hübsches Bild: eine 
junge Dame sieht, daß ihr Gemahl in den Budgetverhandlungen 
des Gesetzgebenden Körpers liest; die ungeheuren Zählen fallen 
ihr in die Augen, und sie sagt sich: „Das ist der rechte Augen⸗ 
blick, mit ihm über“ meine Robe von 500. Fres. zu reden; wie 
klein muß ihm jetzt diese Summe erscheinen ! — 
Neuenburg. ESschweißz.) Man schätzt die Uhrenpro⸗ 
duktion von Neuenburg auf jährlich 800,000 Stück im Werih 
von 35 Mill. Fr., wovon die gute Hälfte Arbeitslohn und Ge⸗ 
winn der 30,000 Arbeiter und Unternehmer ist. In Genf pro⸗ 
duziren 7000 Arbeiter jührlich 100,000 Uhren, wovon N2 gol⸗ 
dene, im Werth von 11 Mill. Fr., Waadt und Bern (Jura) 
verfertigen 300,000 Stück im Werth von 10 Mill. Fr. Zusam⸗ 
men 1,200,000 Stück Uhren im Werth von 55 bis 60 Mill. 
Fr. Die Hälfte dieser Summe als Arbeitslohn angenommen, 
ergibt sich für 60,000 Arbeiter, bei 250,000, Arbeitstagen, ein 
täglicher Durchschnittsverdienst von 2 Fr. J 
f Der heißeste Tag, den man in London hatte, war der 
21. Juli. Da ist auch etwas Unerhörtes geschehen. Bei riner 
Assisenwberhandlung nahmen die Herren Richter plötzlich ihre Pe— 
cücken ab und forderten die Advocaten auf, ein Gleiches zu 
thun· 
Am 26. Juli wurde zu London die 426jahrige) Sangerin 
Adeline Patti mit dem ani de Coux getrant. * 
rLondon. AUm vergangenen Mitwoch, »als die Hitze 
hren Höhepunkt erreicht hatte, wurde vom Lager in Aldershot 
eine Brigrade als fliegende Colonne ausgeschickt.— Bei dieser Ge⸗ 
legenheit wurden 9 Mann durch Sonnenstich getödtet, und 87 Mann 
mußten als krank nach dem Hospital befordert werden. 
Manchester. Am Abend des 2313 d. M. verbreitete 
ich in der hiesigen Musikhalle ein falscher Feuerlärm. 2000 Per⸗ 
onen stürzten infolge dessen deun Ausgange zu; in dem Gedränge 
purden 30 Menschen detödtet und diele verwundef