Slt. Ingberker Anzeiger.
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Samstag, den 8. August
41868.
Deutschland.
München, 4. August. Der Staatsminister Fürst v. Ho—
jenlohe ist gestern Abend von Schillingsfürst zurückgekehrt und hat
jeute die Leitung des Staatsministeriums des k. Hauses und des
Jeußern wieder übernommen.
— Der König hat genehmigt, daß im Nachgange zu den
uus Anlaß der Aufhebung des Salzmonopols und der Ueberwei-
ung der Salinenwaldungen an die allgemeine Staatsforstverwal⸗
rung bereits erlassenen organischen Verfügung bezüglich der Sali⸗—
renderwaltung nunmehr vom 1. September d. Is. an 1) die
Hauptsalzümter Kissingen und Dürkheim aufgelösst, dann 2) das
Hauptsalzamt Berchtesgaden, als solches aufgehoben und statt des⸗
elben für die Verwaltung des Salzbergbaues und der Saline
»aselbst zwei der Generalbergwerls- und Salinenadministration
unmittelbar untergeordnete Aemter mit der Benennung „Salzberg⸗
zerwaltung Berechtesgaden“ und „Salinenverwaltung Berechtesga⸗
den“ errichtet werden.
Kissingen, 4. August. Der König von Bayern ist mit
einem Gefolge von 48 Personen hier erschienen und scheint dessen
VBerbleiben auf eine längere Zeit berechnet zu sein. Da sich die
Verwandten des russischen Kaiserhauses immer zahlreicher einfin⸗
den, so gewinnt die Vermuthung einer Verbindung Königs Lud⸗
vig II. mit der Großfürstin, die gegenwärtig in Schwalbach, im⸗
mer größere Wahrscheinlichkeit.
Köln, 3. August. Der Köln. Ztg. wird aus Paris geschrie⸗
hen, daß sichere Nachrichten aus Spanien einen allgemeinen, von
Seite der Regierung nicht abwehrbaren Aufstand signalisiren. Die
meisten spanischen Emigranten sind aus Paris abgereist.
Berlin, 5. August. Die „Prov.Corresp.“ sagt anläßlich
der Wiener Schützenfestreden: Deutschland mißbillige diese Um—
riebe, weil es einen aufrichtigen Frieden und gute Beziehungen
wischen Preußen und Oesterreich lebhaft wünscht. Mit Genug⸗
huung sei hervorzuheben, daß die kaiserliche Regierung aus freien
Stücken dafür gesorgt hat, jede Urheberschaft oder Theilnahme an
den beim Schützenfeste stattfindenden Kundgebungen in Abrede zu
tellen, um eine Trübung des guten Einvernehmens zwischen
Breußen zund Oesterreich zu verhüten.
Berlin, 5. August. Die „Spener'sche Zeitung“ dementirt
die von der „Correspondance Nordest“ gebrachte Nachrichten, wo⸗
riach Oesterreich und Norddeutschland über ein Allianzverhältniß
interhandeln, diese Unterhandlungen sich jedoch in Folge der
Interpellation des Generals Lamarmora zerschlagen hätten.
Berlin, 5. August. Gegenüber den Nachrichten über die
angeblich bevorstehende Ernennung eines päpstlichen Nuntius für
»eu Norddeutschen Bund erklärt die „Nordd. Allg. Ztg.,““ daß
zdie Nuntiaturfrage noch von keiner Seite in Anregung gebracht
vorden ist.
Gumbinnen, 2. August. Der Departementsthierarzt Dr
stichter ist aus Rußland zurückgekehrt; er hat daselbst nur den
Milzbrand gefunden, der sich jedoch immer weiter verbreitet. Auch
Penschen sind von der Seuche befallen; in den Grenzdistricten
vurden 5 Todesfälle constatirt. Die Verluste an Rindvieh und
Pferden belaufen sich auf 600 Stück.
Wien, 3. August. Der gestern im Sperl Saale abgehal—
enen, sehr zahlreich besuchten Volksversammlung wurden folgende
Resolutionen vorgelegt: „Die Versammlung verurtheilt die Zer—
reißung Deutschlands. insbesondere die gewaltsame Ausscheidung
DeutschOesterreichs, welche gleichweise die Machtstellung und den
Frieden des Gesammtvaterlandes wie Deutschthum in Oesterreich
geführdet. Die Versammlung proteftirt gegen die Lösung der dent—
chen Frage auf dem Wege der Annexionen und fordert die durch
Selbstbestimmung aller deutschen Stämme zu vollziehende Wieder⸗
»ereinigung des ganzen deutschen Vaterlandes. Die Versammlung
pricht den auf dieses Ziel gerichteten freiheitlich:patriotischen Be—
trebungen der deutschen Volkspartei ihre Zustimmung aus und
erklärt es für das eigenste Interesse unseres Volkes und Staates,
diese Bestrebungen nachdruksvoll zu unterstüten.“ Im Verlaufe
der zum Theil sehr stürmischen Debatten wurden hiezu noch An⸗
räge gestellt, welche die socialen Fragen mit hineinzuziehen den Zweck
jatten. Es veranlaßte dies vielfachen Widerspruch. Die eigent⸗
ich Spitze der Resolutionen „Zustimmung zu den Bestrebungen
der deutschen Volkspartei“ wurde abgelehnt, und zwar setzte dies
der in Masse aufgetretene hiesige Bildungsverein der Arbeiter
durch. Man entschied, sich schließlich für das Programm Johann Ja—
oby's und der norddeutschen Democratie und verweigerte einen
Nusspruch zu Gunsten des Südbundes, sprach aber Mißbilligung
iber die Ausschließkung Oesterreichs aus Deutschland aus. — Die
Franksurter und die Bremer Schützen haben sich gestern in feier—
icher Weise vom Fest-Comite berabschiedet und werden heute ab⸗
reisen. Obwohl sich mehr als die Hälfte der Schützen schon von
jier entfernt hat, sind doch noch mehrere Tausend anwesend, und
e5 wird heute Vormittag, des ungünsltigen regnerischen Wetters
ingeachtet, doch wieder sehr viel geschossen. Im Gaben—
empel ist gestern eine Stiege eingestürzt, glücklicher Weise ohne
ernste Folgen.
Wien, 6 August. Aus einer Rede des Reichskanzlers Beust,
velche uns nur fragmentarisch zukam, entnehmen wir: „Nicht nur
ils Deutscher, sondern so recht eigentlich als Oesterreicher wünscht
Zeust Oesterreichs Geschicke zu leiten in Verbindung mit Deutsch-
and, was gewiß keine Partei in Deutschland, keine Nationalität
)er österreichischen Gesammtmonarchie zurückweisen wird. Soll aber
eutsches Element in Oesterreich Träger dieses Gedankens sein,
»ann darf man es nicht von den anderen Stämmen trennen,
velche mit gleicher Becechtigung durch ihre Treue, Tapferkeit und
dingebung dem Reiche angehören. Die Vereinigung und Eintracht
iller unter Oesterre chs Kaiserscepter lebenden Völker kann allein
zie Erfüllung jener culturhistorischen Mission Oesterreichs verbür⸗
gen, welche das Interesse sowohl Deutschlands als Oesterreichs ist.
Diese Rede wurde mit stürmischem Beifall aufgenommen.)
Graz, 3. Angust. Gestern Aben hielt Johannes Ronge
zier im Ressourcensaal seinen ersten Vortrag vor einer sehr zahi⸗
reichen und gewählten Versammlung, in welcher namentlich die
Damen stark vertreten waren. Anknüpfend an seinen ersten Be—
uch und die Gründung der freien christlichen Gemeinde im Jahre
1848, erläuterte er die Ginndidee und die Sittengesetze der freien
hristlichen Kirche und wies namentlich auf die erhöhte Aufgabe
»er religiösen Reformpartei im Jahre 1868 hin. Nach seinem
Vortrag begannen die Einzeichnungen für die sich neu bildende
Hemeinde.
Fraukreich.
In der' „Liberte“ fordert Emil Girardin wieder auf,
ohne weiteres die Rheinlande zu überfallen und „‚mit Gewalt zu
nehmen, was die Gewalt uns (Franzosen) 1815 genommen hat;“
nach dieser That der Manneskraft wird Preußen es machen, wie
Desterreich; es wird sich in seine Niederlage fügen, und die Deut⸗
chen, welche aus preußischen Unterthanen französische Sujets ge—
vorden, werden es machen, wie die hannoverschen Deutschen, welche
Breußen wurden.“
Die Zustände in Algerien verschlechtern sich. Der
Marschal Mac-⸗Mahon ist deßhalb wieder nach Paris be—
ufen worden.
Paris, 8. August. Der „Moniteur“ meldet, daß das
-Scheibenschießen der Vogesenschützen in Plombieres am Sonntag
röffnet wurde. Vor Beginn des Schießens defilirten die Schützen
vor dem Kaiser, welchen sie mit Zurufen begrüßten.
Belgieu.
Mit dem Befinden der unglücklichen Kaiserin Charlotte von
Nexico geht es jetzt weniger gut, als vor einigen Wochen; man
aubt, daß die hohe Temperatur eine üble Einwirkung gehabt.
Mamentlich hat fich die Unruhe und die Abneigung gegen die Spei⸗
en wieder gesteigert; mehre Nächte hintereinander mußte die Köni⸗
zin gerufen werden, um die Unglückliche durch sanftes Zureden zu
bewegen, sich zu Bett zu legen, und tagelang nahm diefselbe nur