Full text: St. Ingberter Anzeiger

Vaterland und Freiheit. in z Sonderung, die erst dann vollständig vor sich ging, als 
Jeder⸗ Mensch˖ mit hoher sittlichrr Tendenz verachtet die das errenthum die Mittel zur Unterjochung der Freihe it belam. 
* de⸗ oe — 35— 8 —2 waann zu Man sollte glauben, daß die Geschichte dem Volke seine Interes⸗ 
Renen Ihm find Talente, Lebenssiellung Vermögen Haus, keu kennen lehrte, daß es keiner dreiheit traue, die es auf. Ko— 
Freiheit und Vatexland nicht abgeschlossene, nur dem eigenen Ge— ten und in der Lostrennung vom Baterlande erlangen sollte. Das 
nügen dienstbare Dinge, sie sind ihi die Mittel, die großen Zwecke Baterland ist der Boden, auf dem die. Freiheit erlampft werden 
ner Kullue Abscheffung von Vorurcheilen, geistige Veredelung des nuß, auf dem sie zu den höchsten Zielen der Menschheit leitet — 
menschlichen Geschlechts zu erreichen. ßer ihm führt sie zum Verderben. 
Weil ihm das eigene Wohiergehen nicht letzter Zweck, so Aber doch gibt es Viele, welche heute noch die Freiheit ver⸗ 
wird er sich nicht begnügen mit Freihett für seine Person — er langen ohne das Vaterland. —5 1..44 9 
vird die Freiheit für ein Vaterland wollen, welches die Mittel Von welcher Art diese Fzzeih eitsfreunde 
zur allgemeinen Kulturentwickelung gibt. sind, läßt sich aus ihrer Bereitwilligkeit, ih 
Die Freiheit des Individuums muß da,!wo fie gegen die rom Eifena Lich dem Erzfeinde unserenfreiheit 
Freiheit des Menschen im Siaaie verstöht, sich dieser unterordnen, in die Armezu werfen, ertennen. Frei serbt 
hant sie dem allgemeinen Wohle und nicht dem Egoismus diene mit Hälfe Frankreihsist ihr Loosungswort 
Dienvollständige Freiheit, die der Wilde des Urwaldes ge⸗ und zuglei h die beste Keunzeichnungfür Leute— 
nießt, ist die Befriedigung eines Naturtriebes, die Freiheit des “ elche die Freiheit uurthrer Selbstsucht diemst⸗ 
Zuͤrgers im Staate ein Gesetz der Moral. Dort ist sich die barrer ew ih rem Ramendas Vater— 
Freiheit selbst Zweck ohne sittliche Wirkung, hier ist sie die Trä— 18 36 
jerin einer gr Kulturmission. Deßhalb legt hier die Freiheit Gebt den Propheten dieser Freiheit die Macht, netjmt von 
elbst den Individuen. Beschränkungen auf, die das persönliche ihnen Gesetz und Führung m Deutschland, unterwerft fuch 
Unabhängigteitsgefühl und Selbstbestimmungsrecht verletzen, um gegen die Kegel freiet Slaaten ihrer Minderheit, so werden fie 
die Ziele der Humanität zu verfolgen und gerade in den freiesten den Abfall von der nationalen Gemeinschaft als Verrath erllären. 
Daden seten wir die indwipuelle Ungebundenheit durch Ueder und sie werden schnell begreifen, daß es in der Lostrennung vom 
inkunft Aller in mancher Beziehung mehr beschränkt als in des⸗ Vaterland keine wahre, fruchtbringende, gefi herte Freiheit gibt. 
potischen, welchen naturgemäß die Ziele des Fortschritts fernern Ein Mann von echt republikanischer Gesinnung, der für sein 
eed dehtae ie hersonlihe Freiheit meht beshramen, Freiheitsstreben lange Jahre im Zuchthaus schmathtete. 85838 
wo ihre Ungebundenheit die Entwickelung des Volkes hindern Wirth, der Beschichtsschreiber der Deutschen spricht die Wort⸗ 
würde, sondern nur da, wo sie der Thrannei störend in den dus „Die politische Richtung wird am edelsten, wenn sie das 
Weg tritt. Deßhalb ist in despotischen Staaten die persönliche nationale Princip, die Liebe zum Vaterland zur Grundlage hat, 
ee mehedefahrven die Vontserzichung dernochlassigte der weil sie ate ausschtießender Freiheststrieb ohne Ruancht auf die 
materielle Zustand des Landes, zu dessen Nußen häufig die freie Nationalität oder gar auf Kosten derselben zum unreinen Eigen⸗ 
Verfügung des Einzelnen beschränkt werden muß, auf einer niede nutz, ja sogar zur Gemeinheit führen kann. 28 
ten Stufe. . heiztanten dehen e weiin d re 
Da sich die Freiheit nicht selbft Zweck und sie ihre Mission 7 * en u, lene behe tze 
nur in dn größern da un Goe kann, so müssen —3 die aus wirklichem, Penh auch mißleitelem Freiheitstrieb die 
por Allem trachten, eine gute“ Grundlage der Freiheit, ein kräfti⸗ Freiheit suchen (und sie nicht blos für unlautere Zwecke zum Vor⸗ 
Jes Vaterland zu schaffene. Diese Grundlage ist eine naturnoth⸗ wand nehmen), dann werden sie sich mit Verhältnissen versohnen 
vendige Bedingung der Freiheit, daher Menschen, welche ihr Va ienla doch nur Uebergangsstadium sind, und die nur durch das 
lang wahrhaft ůeben, auch stets Freunde der Freiheit sind und usammenhalten Aller eine der allgemeinen Freiheit günstige Ge— 
Paterlandsverräther auch zu Verräthern an der Freiheit werden alltung gewinnen werden. 
Menschen, welche das Vaterland aufgeben, entziehen der Frei— 
heit den Boden, in dem fich ihr Samen eutwickeln muß, und über— 
jefern mit dem Vaterlande auch die Freiheit fremder Tyrannei. 
Das tragische Geschick der Völker, welche über das Maß der ge— 
genseitigen Zugeständnisse und Opfer an Freiheit nicht einig wer— 
hen konnten und die darüber das Vaterland preisgaben, ist seit 
den ältesten Zeiten bis in unsere Tage dasselbe. Es erreichte sie 
die Strafe des Egoismus. Fremde mischen sich, gerufen oder 
ungerufen, in ihren Zwist, und indem sie ihrem falschen Frei— 
heilsstreben schmeichelten, raubten sie ihnen das Vaterland und 
zie Unabhängigkeit zugleich. Das kraurige Beispiel dieses Schick 
sals geben die bedeutendsten Kulturvölker, die Griechen, die Ita⸗ 
iener und die Deutschen. — 
Die Griechen unterlagen völlig ihrem selbsüchtigen Freiheits- 
riebe. Die Italiener haben in vielhundertjähriger Knechtschaft 
uind unsäglichen Leiden die Lehre erhalten, daß der Sondergeist 
mit dem Vaterlande auch die Freiheit mordet. Die Deutschen 
sind von den Fremden beraubt, zertreten. von heimischen Despo— 
len geknechtet, entsittlicht worden; sie haben es erfahren, daß 
alle Opfer, welche das Vaterlande ihnen auferlegte, ein unend— 
lich kleiner Bruchtheil von denen seien, die ihnen ihre eigensüchtige 
Vereinzelung gegenüber dem Ganzen aufgedrungen. 
Doch sehen wir zu, ob denn das, was auf Kosten des Va— 
erlandes als Freiheit ausgegeben wird, nicht meist nur das Ver— 
angen ist, zu herrschen und mächtig zu sein. Stritten nicht die 
griechischen Staaten um Einfluß und Ansehen? War es den ita— 
sienischen Republiken nicht um Vorrechte, Macht und Gewinn zu 
hun, und suchten sie nicht die Freiheit ihrer Schwesterrepublik dem 
eigenen Vortheil zu opfern? Kämpften nicht die deutschen Stämme 
im die Herrschaft im Reiche? Wie gut deutsch waren die Bayern 
zesinnt, wie gut die Schwaben, als ein Oberhaupt aus ihrer 
Mitte die Macht des Staates repräsentirte! 
Wohl ist die Zeit fortgeschritten, wohl haben sich viele Vor— 
urtheile verloren und hat sich eine höhere Auffassung von Frei— 
zeit und Vaterland herausgebildet — wir wissen heute, daß das, 
vwas unsere Fürsten früher „deutsche Freiheit“ nannten, wofür sie 
hre Landeskinder ins Elend stürzten und das Land verriethen, 
rur die fürstliche Freiheit zur ungehinderten Volksbedrückung war; 
deshalb sollte man glauben, daß das Volk, welches durch seine 
Lostrennung vom, Vaterlande in so große Leiden gestürzt worden 
war, seine Freiheit nicht in der Stammessonderung suchen sollte 
ES“chwurrgerichtssitzung. 
III. Quartal 1868. ——— 
Zweibrücken, 17. August. GVormittagssitzung). Nach 
einer Ansprache des Herrn Präsidenten, k. Appellationsgerichtsrath 
Du y, wurde die Anklage gegen David Kuntz, Schuster von 
heuchelheim wegen crimineller Körperverletzung verhandelt. Ver—⸗ 
theidiger Herr Anwalt Petersen. 
Am 27. April abhin trat der ewas angetrunkene Angeklagte 
in der Wirthschaft v. G. Kuhn in Heuchelheim an einen Tisch, 
an dem Polizeidiener Christoph Weis von da mit Feldschütz Hof⸗ 
mann und anderen Gästen bei einem Glas Wein saß, und nahm 
das auf dem Tisch stehende Glas um daraus zu trinken. .Hof⸗ 
mann nahm es ihm jedoch wieder ab und als er deßwegen 
brummte, hieß ihn der Polizeibiener vom Tisch weggehen, worüber 
der Angeklagte sich mißliebig ausließ. Später trat er wieder 
heran, machte dem Polizeidiener Vorwürfe wegen eines Proto— 
kolls, das er ihm wegen Ruhestörung gemacht hatte, und schlug 
hiebei auf den Tisch, worauf Weis ihm einen Stoß versetzte, 
so daß derselbe rückwärts zu Boden fiel. Der Disput dauerte 
fort, und als der Angeklagte dem Polizeidiener neue Vorwürfe 
machte, gerieth derselbe in Zorn und schlug ihm auf den Backen. 
Als Weis sich wieder gesetzt hatte, warf der Angeklagte demselbeu 
plötzlich, unter dem Ausrufe Lump! — noch ein theilweise ge— 
rülltes Schoppenglas in das Gesicht, daß es zerbrach und dem 
Weis sogleich das Blut herunterlief. Nach dem ärztlichen Gut- 
achten war Weis in Folge dieses Wurfes 35 Tage tbtal 
und mehr als 25 Tage theilweise arbeitsunfähig, und bei 
dem vom Wurf getroffenen linken Auge trat vöolliger Verlust 
der Sehkraft ein. Auch der Polizeidiener Weis soll an jenem 
Mittag, wo der geschilderte Vorfall statt hatte, etwas angetrunken 
zewesen sein. 
Der Vertheidiger des Angeklagten Herr Anwalt Petersen 
machte geltend, daß der Letztere in Folge des Weingenusses ohne 
alle Zurechnungsfähigkeit ist, oder doch wenigstens beiserheblich ge— 
ninderter Zurechuungsfähigkeit die That begangen habe, zu wel— 
her derselbe noch außerdem durch das Benehmen des Verletzten 
gegen ihn im hohen Grade gereizt gewesen sei. Die Geschwore— 
nen, welche den Angeklagten in der Hauptsache für schuldig er— 
tannten, bejahten zugleich die beiden gestellten Fragen bezüglich des 
Reizes und geminderter Zurechnungsfähigkeit, worauf der