Full text: St. Ingberter Anzeiger

Angeklagte zu einer Gefängnißstrafe von neun Monaten verur— 
theilt wurde.. 
Zweibrücken, 17. Aug. (Nachmittagssitzung.) Anklagt 
gegen Katharina Theobal d, 20 Jahre all, Dienstmagd von 
Ilbesheim, wegen Kindsmords. Die Angeklagte hatte mit einem 
uͤcht gut beleumundeten Burschen während ihres Dienstes in Godram 
stein Bekanntschaft und näheren Umgang gehabt, in Folge desser 
sie in andere Umstände kam. Dieselbe leugnete jedoch, selbst ihrer 
Mutter, ihrer Dienstherrschaft und am 3. Mai, abhin noch, dem 
Arzte, der sserauf Zumuthen ihres Vaters untersuchte, hartnäckig 
hren Zustand Am nämlichen Tage des Abendsum 9 UÜhr de 
gab sie sich in die Oberstube, wo noch ihre 3 kleineren Geichwister 
schliefen, zu Bett und ihre Mutter, die nach O Uhr und um 
2z1 Uhr in der Nacht; hinauf kam, merkte: nichts Auffallendes. 
Am 6. Mai aber verbreitete sich in Itbesheim das Gerücht, daß 
mit der Angeklagten etwas vorgegangen sein müsse, und unoch am 
nämlichen Tage wurde dieselbe durch den kgl. Bezirksarzt unter⸗ 
jucht, der constatixte, daß sie vor einigen Tagen geboren haben 
müsse. Des andern Tages fand man auch im Keller die Kinds— 
leiche mit einem festgeknüpften Strumpfband um den Hals. Nach 
dem ärztlichen Gutachten war das Kind lebensfähig und hatte 
gelebt, war aber gleich nach der Geburt erdrosselt worden. Die 
Angeklagte gibt auch zu, das yoch lebende Kind mit dem 
Strumpfband erdrossest zu habene Bei diesem Geständnisse der 
Angeklagten blieb deren“ Vertheidiger, Herrn Rechtscaudidaten 
Rosenberger, in der Hauptsache nur übrig, die Frage geminderter 
Zurechnungsfähigkeit zu berühren, welche auch von den Geschwo 
renen, die die Angeklagte fürt schuldig erklärten,“ Hejaht wurde 
Letztere wurde sodann von dem Schwurgerichtshofe zu einer vier 
ahrigens Zuchthausstrafe verurtheilt. — 72 
Zwejbrücken, 18. Aug. Angeklagt üst Melchior Orth 
Ackeret von Birkwerler, wegen crimineller Verwundung. Vertheidn 
ger Herr Rechtscandidat Rosenberger. Bei Gelegenheit der am 
1. April li J. zu Landau stattgesunden Landwehrcontrolversamm⸗ 
lung hatten mehrere Bursche von Birkweiler sich nach Landau be⸗ 
geben, unter diesen auch der Angeklagte, Heinrich Bittighöfer und 
ein beurlaubter Soldat, Namens Huhm. Auf dem Heimwege von 
Landau, den die meisten vrn ihnen in elwas animirtem Zustande 
antraten, gingen der Angeklagte und Bittighöfer Arm in Arm 
Ersterer gerieth mit genanntem Huhn, welcher sich bei ihm ein 
hvängen wollte, in Disput, und wäre es schon damals ohne di 
Intervention der übrigen Burschen zum Handgemenge gekommen. 
Später ging der Angeklagte aus einer geringfügigen Ursache auf 
Huhn los und versetzte ihm einen Stoß, der von diesem erwiedert 
wurde. Auch dieser Zwist wurde beigelegt, Huhn ging voraus, 
der Angeklagte mit Bittighöfer hinter diesem. Am Werke Nr. 4⸗ 
zeriethen Huhn und der Angeklagte wiederholt aneinander. Bit— 
aͤghöfer und ein anderer Bursche suchten abzuwehren. Der An— 
zeklagte führte nach Huhn, welcher von Bittighöfer gehalten wurde, 
mit seinem mit Eisen beschlagenen Stocke einen Schlag, der jedoch 
den Bittighöfer traf, und zwär so unglücklich auf das rechte Auge, 
daß sofort das Blut herablief und eine bedeutende Schwächung 
der Sehkraft hervorgerufen wurde, welche von dem k. Bezirks— 
arzte zu Landau als der Anfang des grauen Staares bezeichne 
wird, dessen vollständige Hebung kaum zu hoffen sei. Der Angeklagte 
welcher einen sehr gulen Ruf genießt, erklärte sofort nach dem 
unglücklichen Schlage, daß er ihn geführt habe. Die Vertheidigune 
führte aus, daß der Angeklagte für die traurigen Folgen, welch 
der Schlag für den Bittighöfer gehabt habe, strafrechtlich nich 
oerantwortilich gemacht werden könne, da seine Absicht auf Miß 
handlung des Huhn gerichtet gewesen, und nur durch einen außer 
Zdem Bereiche seiner Berechnung liegenden Zufall das Auge des 
Bittighöfer verletzt worden sei; dieser sei ein sehr gutex Freund 
des Ängeklagten, und ihm gewiß nichts ferner gelegen, als jenen 
zu verwunden, oder zu mißhandeln. Es liege also eine sog 
aberatio ictus vor und könne deshalb von einer vorsätzlichen Kör—⸗ 
perverletzung des Bittighöfer keine Rede sein; es sei zwar lange 
Zeit in Doctrin wie Praxis Streit gewesen, in welcher Weist 
die Fälle der aberatio ictus zu qualificieren seien; allein dieser 
Streit sei von dem Cassationshofe Bayerns und dem obersten Ge— 
richtshofe Preußens in einem dem Angeklagten günstigen Sinne 
enischieden worden und mit Recht, da jede strafbare Handlung 
einen Causalzusammenhang zwischen dem Willen des Thäters und 
dem eingetretenen Erfolge voraussetze, die aber dann nicht zutreffe, 
wenn erwiesenermaßen der Thäter den eingetretenen Erfolg nicht 
gewollt habe; hier fehle das wesentliche Erforderniß der vorsätz⸗ 
lichen Körperverletzung, der Vorsatz, wenn auch Fälle denkbar 
seien, wo — wie beim Vorhandensein eines eventuellen dolus — 
auch der über die Absicht des Thäters hinausgehende Erfolg die— 
iem zugerechnet werden müsse. ilnter allen Umständen müsse ge⸗ 
minderie Zurechnungsfähigkeit angenommen werden, auch sei der 
Angektkagte zur That gereizt worden. Die Geschworenen erklärten 
den Angeklagten für nichtschuldig und wurde derselbe auf Grund 
dieses Wahrspruches freigesprochen. 222 
Gzermischte s. J— 
7 Am S. August haben in Speher die Prüfungen zum einjäh— 
rigen Freiwilligendienst begonnen.“ Zu denselben hatten sich 119 
unge Leute angemeldet, von denen Lenicht erschien. Die erste 
Aufgabe bestand in einem Aufsatz über. das Thema: „Welche 
Figenschaften sollen, vom Standpunct der heutigen Cultur betrach⸗ 
tet den Soldaten zieren 2743353 
Ludwaigshafen 14. Mug. Um“ 28. do findet in Kci⸗ 
erslautern eine Versammlung des Pfalzischen Lehrer⸗Vereins statt. 
Die Direction der Pfälzischen Eisenhahnen hat den Mitgliedern 
desselben, welche sich durch iihrg LAufnahmskarten begilimiren kön⸗ 
nen, eine Fahrtaxermäßigung von 50 e gewährh.“ Es werden 
daher vom 22. August an einfache Fahrbillete nach Kaiserslautern 
an dieselben ausgegeben, welche mit dem Stationsstempel ver⸗ 
sehen, Giltigkeit bis 24. August besitzem 
Behufs Ernuerung der. Gewerbes, Fabrik⸗ und Handels- 
raͤthe der Pfalz, die alle zwei Jahre zur Hälfte zu geschehen hat, 
jind die Bezirksämter angewiesen, sofort die nöthigen Einleitungen 
zur Vornahme der Wahlhandlungen zu treffen und binnen läng⸗ 
stens sechs Wochen die Listen der Mitglieder der neugebildeten 
BZremien der Provinzialregierung in Speyer vorzulegen. 3 
Der „Punsch schreibt: In Germersheim isi die Militär⸗ 
chwimmschule mit drei neuen Tafeln decorirt: „Fur die Herren 
Ztabsofficiere,“ „für die Herren Officiere“ und für „die Civil— 
abonnenten.“ Beim dritten Badhüttl hört also der, Herr auf. 
Wer etwa in die zweite oder erste Abtheilung hinübergeräth, dem 
hegeznet derRuf Da schwimmt einer in Cibib!“ 9 
t Frahnkfurt, 17. Aug. Heute Morgen ereigneie sich 
wischen Vilbel und Bonames ein höchst selten vorkommender 
Fisenbahn-Unfall, der glücklicher Weise kein Menschenleben 
forderte. Es brach nämlich ein Theil des Bodens eines besetzten 
Personenwagens während der Fahrt heraug und fiel zwischen 
das Geleise. 28 J 
. Am 10. d. schlug in Leobschüntz der Bliß aus heiterm 
dimmel, unter fürchterlichem Krachen in ein Haus und beschädigte 
7 Personen. — — c* —D00— 
f Am 11. d. sind von den 7 Haͤusern des Marktes Ober⸗ 
völbling (Niederösterreich) 67 abgebrannt; auch 2 Menschenleben 
fielen zun Opfer. 
7 Gang⸗ und Ahselschnüre.) Unsere Damen lieben es, ihre 
stoben mit militärischen Achselschnüren zu verzieren, wahrscheinlich 
ohne zu ahnen, welche eigenthümliche geschichtliche Bewandtniß es 
mit denselben hat. Der Ursprung der Achselschnüre aber war folgen⸗ 
der: Als im Jahre 1566 der blutdürstige Herzog Alba die Nieder⸗ 
lande mit Feuer und Schwert verheerte, ward hierüber ein unter 
ihm stehendes Wallonenregiment so empört, daß es sammt und 
sonders bis auf den letzten Mann zum Feinde überging. Der Herzog 
erließ hierauf an den gleichfalls übergegangenen Commandeur 
dieses Regiments die Drohung, daß er jeden Mann, wenn er ge⸗ 
angen würde, aufhängen lassen werde. Der Commandeur erwiderte 
zierauf, daß jeder seiner Soldaten, damit das Aufhäugen nicht 
zroße Umstände mache, von Stund an einen Strick und einen 
Nagel an der Schulter tragen werde. Die tapferen Wallonen 
jubelten über diese Antwort und hefteten begeistert Strick und 
Nagel an die Schulter verrichteten aber Wunder der Tapferkeit, 
uind nach Beendigung des Krieges war das Regiment, so stolz auf 
den Strick geworden, daß es denselben als ehrende Auszeichnung 
auf der Achsel beibehiet. 
Landwirthschaftliches. 
Die Laubstreuentnahme aus den Waldungen. 
Einer der bedeutendsten Krebsschäden, die noch an der heutigen 
Landwirthschaft nagen, ist die Laubentnahme aus den Waldungen, 
zum Zwecke des Einstreuens. Gerade die Gebirgsgegenden find 
nit ihren flachkrumigen Verwitterungsboden darauf angewiesen, 
yvon den bewaldeten Höhen diejenigen Mengen von feuchten Nieder— 
schlägen zu erwarten, die nothwendig sind, um die Felder in er⸗ 
tragbarem Zustande zu erhalten, denn die geringe Dicke der Krumet 
und die meistens geeignete Lage derselben sind die Ursachen, daß 
selbst öflere und starke Regen nicht von nachhaltiger Wirkung sein 
können. Rasch fließen hier die Wasser ab, und was der Boden 
nufsaugt, verdunstet schnell wieder, weiler nicht viel zu fassen 
oermag. Hier ist die Vegetation auf die feuchten Niederschläge 
angewiesen, welche die Waldungen immerwährend vermitteln. Doch 
ver es aus Anschauung kennt, wie allerwege die Laubholzwald- 
ungen mehr und mehr verschwinden und dürftigen Nadelholzbestän⸗ 
den den Platz räumen, nicht etwa, weil die Radelholzeultur er— 
ragreicher wäre, sondern weil die Laubholzbestande auf diesen 
Stellen nicht mehr fortkommen, der muß sich wohl die Frage vor⸗ 
egen, wodurch dieser Mißfland veranlaßt sei, wohin er schließlich