Full text: St. Ingberter Anzeiger

Landtage erschienen im Ganzen 226 Abgeordnete. Die Czechen von den czechiichen Parteiführern Rieger und Palacki. Aus Gali—⸗ 
sehlten jsämmtlich. Im mährischen Landtage waren abwesend der zien waren 40 Festtheilnehmer, und zwar sämmtlich in polnischer 
Erzbischof von Olmütz, der Bischof von Brunn und die Föde- Nationaltracht, aus Posen und Westpreußen nur 4 erschi nen, die 
alsten. Fnigration war durch einige Deputirten aus Paris vertreten. 
Die in Zürich sich aufhaltenden polnischen Enigranten, welche 
der Festfeier in Rapperswyl aufangs entgegen waren, ließen 
ich noch im letzten Augenblick bestimmen, an derselben theil⸗ 
unehmen. 
Frankreich. 
Paris, 19. August. Die Abreise des Kaisers nach dem 
Lager von Chalons, wohin ihn der taiserliche Prinz begleitet, wird 
an' 25. bis zum 27. festgeseht. Am 65. September soll dann 
der ganze Hof nach Biarritz abgehen. — Nach dem „Evenenent“ 
joll der Graf von Chambord den Grafen von Maris als Sohn 
anerkennen wollen. 
Paris, 21. August. Der Kaiser hat seine Reise in das 
Lager von Chalons um 8 Tage verschoben. — Fürst Meiternich 
wurde gestern in Fontainebleau empfangen. 
Pari's, 21. Aug. Die bereits kurz gemeldete Correspon⸗ 
denz der „Gazette de France“ aus Luzern lautet: Mittwoch um 
2 Ühr Nachmittags wurde ein zur Ermordung der Königin Vic⸗ 
oria hierher gekonmener Fenier vor dem „Schweizer Hofe“ von 
wei englischen geheimen Polizeiagenten verhaftet. In der eng⸗ 
lischen Colonie herrscht große Aufregung. Man glaubt, der ver⸗ 
hafiele Fenier sei nicht der einzige, welcher nach Luzern gekymmen. 
Auch wird erzählt. die Königin wäre schon vor ihrer Abreise nach 
der Schweiz von dem Mordplane unterrichtet gewesen. 
ge man heute aus Madrid erfährt, ist die Königin in 
ihrem Vertranen auf die Reaction doch erschüttert, und J. katholische 
MWajestät soll nachgerade Angst vor den Ereignifsen bekommen, die 
sich auf der Halbinsel vorhereiten. Man schließt aus der Anwe⸗ 
jenheit des Generals Concha und der Exminister Alonzo Marti⸗ 
nez und Conovas in Lequeito auf die Möglichkeit der Bildung 
eines der siberalen Union günstigen Ministeriums der Versoͤhnung 
wenigflens war das Geruͤcht von einer solchen Eventualität in 
Madrid stark verbreitet. Die energische Protestation des Herzogs 
8. Montpensier soll auch einen starken Eindruck auf die Königin ge— 
macht und ihr die ebenfallz aus Portugal datirte Beschwerdeschrift 
des Infanten Don Carsos in's Gedaͤchtniß zurückgerufen haben. 
Belgieun. 
Wie die „Köhn. Zeitung“ dersihert, hat Belgien die nach 
Brüssel gesendet e · Anfrage, obe es sich bestätige, daß Fränkreich 
Belgien bezüglich Abschlufses einer Militäre und —A 
wie wegen ebentuelleit Durchinarsches nach Hosland interpellirt habe, 
verneinend beantwortet.“ Dagegegen bat belgischerseits ein einge⸗ 
hender Meinungsaustausch mit England stattgefunden.“ 
Englaude 
London, 21. August. Auf der Eisenbahnlinie Chester—⸗ 
Holyhead stieß der um Mitternacht für Irland abgehende Passa— 
Fiertrain bei Llandulas mit einem Petroleum führenden Güterzug 
zusammen. Die Locomotive, der Tender und drei Waggons er—⸗ 
ster Klasse des Passagierzugez wurden zertrümmert. Das entzün— 
dete Petroleum verursachte den Tod von 23 Passagieren erster Klasse, 
welche lebendig verbraͤnnten.“ Die unerkennbaren Leichnahme der 
selben wurden in Särgen' in der Kirche zu Abergeley ausgestellt 
Es befinden sich darunter Lord und Lady Farnham. Der Machi— 
nist des Zuges hat blos Verwundungen davon getragen. 
Londomn, 21. August. Neuere Nachrichten uüber das Ei— 
senbahnunglück auf der Linie Chester Holyhead melden daß der 
Heizer des Zuges todt geblieben sei. Die Explosion des Petrole 
dens wurde durch die Heizung der Locomotive veranlaßt. Die Herzogin 
Abercorn und Lord George Hamilton sind gerettet. Ueber die Zahl der 
Opfer sind die Nachrichten widersprechend. — Der Brandschaden 
ia Rorthumberland House wird auf 80,000 Pfd. St. geschätzt. 
Man hofft, daß viele der beschädigten Kunstschätze noch restaura⸗ 
tionsfähig sind. — General Napier Maadala ist aus Chalons 
zurickgelebrt. 
ESchweiz. 
Wie aus den Berichten polnischer Blätler hexvorgeht, war 
die demonstralive Spitze des am 16. d. stattgehabten Polenfestes 
in Napperswyl hauptsächlich gegen Rußland gerichtet. Alle Red. 
ner —'und die Zahl derselben war sehr erheblich — wiesen ein— 
stimmig auf die Nothwendigkeit eines europäischen Coalitionskrieges 
gegen Rußland hin und bezeichneten denselben als das einzige 
nilel, Eucopa bor den Verheerungen des vom russischen Pansla 
dismus aus beabsichtigten Eroberungskrieges zu bewahren und die 
europäische Civilisation zu retten. Unter den Rednern werden 
genannt: die französischen Publicisten Henry Martin uud Anatole 
de la Forge, der ungarische General Perczel, Gottfried Kinkel, 
der poinische Dichter Ujejsti aus Galizien und andere. Viele 
durch politische Bedeutung hervorragenden Personen, welche gehin— 
dert waren, persönlich an dem Feste theilnehmen, sandten Begluck⸗ 
wünschungs-Telegramme ein, in denen sie warme Sympathien für 
die Polen aussprachen. Solche Telegramme gingen waͤhrend der 
Festlichkeilen ein von Klapka, Victor Hugo, Quinet und sogar 
Italien. 
Florenz, 17. Aug. Der Streit zwischen den Generalen 
zamarmora und Cialdini dauert ununterbrochen fort und Ersterer 
Jat wieder eine ganze Neihenfolge von Telegrammen und Depe⸗ 
chen veröffentlicht, die zwischen ihm und Cialdini zwahrend des 
inglücklichen kurzen Feldzuges von 1866 gewechselt wurden, und 
ine Correspondenz mit Nigra, in welccher er sich über die Ver⸗ 
eumdungen der preußischen Presse und der preußischen Agenten in 
Ftalien beschwert. Auf das Publitum machen diese Publikationen 
Inen peinlichen Eindruck; alle Gebrechen der Armeeverwaltung 
Herden durch das heftige Gezänke der Generale aufgedectt und man 
tadelt es sehr, daß sie, um sich gegenzeitig anzuklagen, Telegramme, 
welche Staatsgeheimnisse enthalien, ohne Weiteres veröffentlichen 
und dem moralischen Ansehen des Heexes damit einen Todesstreich 
versetzen. Die Ofsiciere beider Armeen nehmen für ihre Generalt 
Partei und mehrere Duelle haben in den letzten Tagen hereitg 
tattgefunden. 
Amerika. 
Vom 1. Juni bis zum 1. August ist die oöͤffentliche Schuld 
der Verelnigten Staaten um 18 Mill. gewachsen. 
Einem Berichte aus Mexico in der Morning Post“ zufolge 
hätte Präsident Juarez seinen Frieden mit dem Papste gemacht. 
detzterer soll dem Präsidenten einen väterlichen Brief geschrieb ei 
haben, und man erwartet binnen Kurzem sechz neue Bischöfe. 
Nichtsdestoweniger ließz Juarez die San Andreglirche, wo der 
Jahrestag von Kaiser Maximilians Tode besondere Demonstrativ⸗ 
nen hervorgerufen, dem Boden gleichmachen. —— 
Ein eigenthümliches Schriftstuck soll von Juarez veröffent- 
licht worden sein. Wie es hejßt, wäre dasselbe zur Rechtfertigung 
der Hinrichtung des Kaisers Maximitian bor etwa einem Jahre 
geschrieben worden. Der Präsident führt darin seine Ahkunft 
iuf Montezuma zurück und sieht in dem Tode Maximilian's die 
— an den 
Rochkommen des Kaisers räche, der Cortez hinausgesandt habe. Mari— 
nilian wird auf der einen Seite wegen Tapferkeit und seines 
Fdelsinnes gepriesen, während es an anderer Stelke heißt, jene 
Herbrechen gegen Mexico, seien so schwer, daß Rebellion, Verrath 
Mord nnd Siraßenraub dagegen erblassen. Uebrigens wird auch 
n diesem Schriftstücke behauptet, der Fall Queretaro's und des 
daisers Gefangennehmung seien nicht durch die Tapferkeit des 
mexicanischen Waffen, sondern durch Lopez's Verrath bewerhkstel- 
ligt worden. 
Man erwartet einen Conflict der „Vereinigten Staaten mit 
Merico, dessen Ursprung im Jahre 1866 zu suchen ist. Seit die⸗ 
ier Zeit nämlich haben mexicanische Grenzbewohner häufige Einfälle 
iach Texas gemacht und große Heerden Vieh wegtrieben — 
ingeblich etwa 250,000 Stück. Nachdem die Eigenthümer lange 
Zeit vergeblich militärische Hilse von der Regierung der Verei⸗ 
uͤgten Staaten verlangt halten, überschritten sie die Grenze und 
rnordeten mehre der Räuber. Man erwartet nun, daß Juarez 
nit einer Entschädigungsforderung hervortreten werde. Inzwischen 
ehalten die Viehbesitzer von Texas ihre militärische Organisation 
zei und haben, wie verlautet, bereits Verstärlung aus New⸗ 
Drleansg erbalten. 
Schwurgerichtssitzung. 
LI. Quartal 1868. 
Zweibrücken, 20. Aug. (Schluß der Verhandlung gegen 
Anna Steil.) Herr Rechtscandidat Lang, der die Vertheidigung 
der Angeklagten übernommen hatte, machte aufmerksam, daß deren 
heständniß nur dann einen Beweis bilde, wenn es durch die ühbri— 
jen Umstände unterstützt werde. Das ärztliche Gutachten sei je— 
soch nicht ganz sicher darüber, ob das Kind wirklich gelebt habe. 
Nuch wisse man nicht, ob nicht doch die Mutter der Angeklagten 
Theil an der Tödtung habe und die Angeklagte nur aus kindlicher Liebe 
Schuld auf sich nahm, und wenn jelbst beide die That miteinan— 
der verübt hätten, sei nicht festgestellt, wer den Tod des Kinde? 
direct verursacht habe; jedenfalls aber sei die Zurechnungsfähigkeit der 
Anzeklagten bei der That in hohem Grade gemindert ge.desen. 
die Geschworenen sprachen dieselbe unter Annahme genindecter 
zurechnungsfähigkeit schuldig, worauf sie zu 5 Jahren J.lhtyuaus 
erurtheilt wurde.