begraben und aus irgend einem Adreßkalender sich einen andern zu
holen, was dann? Sehr schlimm, dann muß auch Herr Baroche
sich die Erlaubniß ertheilen seiinen Namen zu ändern, denn —
ihr habt es wohl noch nicht vergessen — sein Sohn, welcher in
der Affaire Miros der Gaunerei und Betrügerei angellagt war,
wurde auf den Placaten an den Mauern von Versailles durch
Herrn v. Persigny, der die Candidatur dieses lästigen Kindes be—
fämpfte, als „Spitzbube“ bezeichnet. Leider fürchte ich, daß der
aunglückliche Schulmeister, welchen Namen er auch annimmt, immer
zrkannt werden wird. Es gibt Beziehungen, die man nicht so
leicht los wird. So hat ein gewisser Louis Bonaparte, nachdem
er unter diesem Namen das tollste Leben geführt, allen Verdacht
von sich abzuwenden gesucht, indem er sich Napoleon III. nennen
ließ. Und doch weiß Jedermann, daß es derselbe ist!:!:
Paris, 1. Oct. Unier den Begleitern der Königin be—
findet sich außer Marfori, der, wie Louis Ulbach in seiner morgen
erscheinenden „Glocke“ sagt, die päpstliche Tugendrose der Königin
in jeinem Knopfloch trägt, noch ihr Beichtvater, der einflußreiche
Podre Clarret, welcher sehr niedergeschlagen aussehen soll. Für
das Wohlbestuden der Königin Isabel n Eril braucht übrigens
den Anhängern dieser entthronten Majestät nicht bange zu sein.
Außer den immensen Summen, welche sie seit zwei Jahren im
Ausland untergebracht hat, nahm die für den Unterhalt ihrer
zahlreichen Familie besorgte Königin auch sämmtliche Kronjuwelen
mit, und man sagt ihr nach, sie hätte sich aus dem Staats⸗-
schätze noch eine Summe von 23 Millionen Renten kurze
Zeit, bevor der Hof nach Lequeito übergesiedelt, aushändigen
lassen ...
Paris, 3. Oct. „Elendard“ und „Presse“ kündigten dic
Hisdung eines spanischen Ministeriums an, das folgendermaßen
zusgmmengesetzt wäre: Serrano. Ministerpräsident ohne Porte—
feiülle; Castisla Handel; Topete Marine; Aguirre Justiz; Prim
srieg; Olozaga Aeußeres; Madoz Finanzen.
aris, 3. Olt. Die Exkonigin Isabel wird sich schon in
nächster Zeit nach Rom begeben, was beweist, daß sie wenig auf
ꝛinen Umschlag zu Gunsten der Dynastie zählt. Sie wollte schon
hon San Sebastian aus direct nach Civita⸗-Vecchia; da ihr indes⸗
sen hiefür ein französisches Schiff erst in 24 Stunden zur Ver—⸗
fügung gestellt werden konnte, die Basken aber ebenfalls ihr Pro—
nunciamiento schon gemacht hatten, und also höchste Eile geboten
war,“ so mußte sie vorerst ach Frankreich gehen. Der Papst
Piuͤs hat ihr bereits einen Trosibrief geschrieben.
Paris, 5. Oct. Der „Moniteur“ meldet: Die Königir
Christine hat sich auf einem französischen Dampfaviso (wohin 7)
ringeschifft. Die Junta von Madrid hat den Marschall Serrand
zum Obercommandanten der spanischen Armee und einen Demo—
craten, Hrn. Escalendte, zum Obercommandanten der National⸗
garde ernannt.
Spanien.
Madrid, 30. Sept. Die amtliche „Gaceta de Madrid“
bringt eine Proclamation der provisorischen Regierung, welche die
Enithronung Isabels ausspricht und die Volkssouveränität
hyroclamirt. Dieselbe schließt mit den Worten: „Nieder mit den
Bourbonen!“
Der „Gaulois“ schreibt: Die dynastische Frage ist die erste
Frage, welche in Spanien zur Erörterung kommen wird. Man
fann sie als im Vorris entschieden betrachten. Alle Bourbonen
werden vom Throne ausgeschlossen, wenn die Männer der Revo—
lution ihrem Programme treu bleiben. Die zweite Frage ist die
des Nachfolgers auf den Thron; hier sind zwei Candidaten: der
—DVDD
scheint die meisten Chancen zu haben. — Die provisorische Re—
gierung hat alle körigl. Beamten abgesetzt und ueue an ihre
Stelle ernannt, welche schon Besitz von ihren Posten genommen
haben. — Man sagt, daß Isabella von Bourbon die Krondia⸗—
manten mitgenommen hat, die Ssaatseigenthum sind. Es wird
einer der ersten Acte der provisorischen Regierung sein, auf diplo⸗
matischem wie juristischem Wege die Rücklieferung dieser Pretiosen
zu betreiben. Die provis. Regierung wird zugleich 23 Mill. Realen
retlamiren, welche sie sich aus dem Staatäaschatze hat vorschießen
lassen. — Der „Temps“ gibt einigen näheren Aufschluß über
herschiedene Persönlichkeiten, welche in der spanischen provis. Re—
gierung sitzen. Hr. Jose Olozaga ist der Bruder des hervorra—
gendsten Staatsmannes der Progressisten-Partei, des augenblicklich
in Paris sich befindlichen Hre. Sallustiono Olozaga. Hr. Cantero,
Senator, ist Mitglied der liberalen Union. Hr. Figuerola ist ein
gemäßigter Democrat. Hr. Rivero, ehemaliger Deputirter, gehört
der vorgerückten Democratie an. — Unter den Verfügungen, welche
die Junta von Sevilla getroffen hat, befinden sich diejenigen, welche
ich auf die Freiheit des Cultus, des Unterrichts, des Handels
ind der Industrie beziehen; ferner die Reform der Tarise und
zie Erklärung zu Freihäfen aller Häfen an der andalusischen Küste
Madrid, 1. Oct. Don Sebastian (Sohn des Großvater—
Bruders-Isabellen's) ertheilte der Königin den Rath, einen Bür—
gerkrieg zu beginnen, aber die baskischen Provinzen verweigerten
Mannschaften und Geld und erkannten die Revolution an. —
Ddie Boͤtse verkehrt in steigender Tendenz. n
Madrid, 3. Oct. Die Exkönigin Isabel hat von Pau
aus eine in heftigen Ausdrücken abgefaßte Proclamation hierher
gesandt. Heute fand eine Revue des bewaffneten Volkes
tatt; die Truppen stehen im besten Einvernehmen mit dem
Volke. H
Madrid, 8. Olt. Die Revue der Nationalgarde rief
großen Enthusiasmus hervor. Serrano ist hier eingetroffen und
hegeistert empfangen worden; er spricht sich für die lieberale Union
aus, Prim befindet stch noch in Barcellona. (Der Pariser Gau—
lois, der von Prim'schen Agenten seine Nachrichten erhält, stellt
entschieden in Abrede, daß dieser General für Einführung der
Republik sei. .
Madrid, 4. Oct. Serrano hat den General Prim (in
Zarcellona) und Hrn. Olozaga (in Paris) telegraphisch eingeladen,
mit ihm eine provisorische Regierung zu bilden, welche die Leit⸗
ung der Verwaltung bis zum Zusammentritt der constituirenden
Cortes in die Hand nehmen würde.
Barcellona, 1. Okt. Hier kam es zu ernsten Unruhen.
Das Stadthaus wurde verwüstet. Eine zu Ehren Prim's verau⸗
staltete Prozession der Demokraten warf dem Generalkapitän Cheste
zie Fenster ein. Die Gendarmen gaben Feuer und verwundeten
wei Personen, worauf die Menge sich zerstreute um Waffen zu
holen, zurückkehrte und den Palast angriff. — Eine provisorische
Junta ward gebildet. Cheste erklärte dieselbe nicht anzuerkennen,
drohte die Muͤglieder erschießen und die Stadt vom Militär occu—
piren zu lassen. Gestern endlich reiste der General ab. Die
provisorische FJunta ist Herrin der Stadt. Die Truppen frater⸗
nisiren mit dem Volke.
Amerika.
In New⸗-York, befinden sich gegenwärtig mehrere 100
Juden, welche sich „reformirte Israeliten“ nennen. Diese Fort⸗
schritts- Juden haben vorgeschlagen, den christlichen Sabbath zu
feiern, und ließen für sich eine große Synagoge erbauen. Die
Synagoge wurde am 10. Sept. feierlich eingeweiht. Der Archi⸗
tekt hat seltsam genug ein Kreuz für den Plan des Gebäudes ge⸗
wählt und scheint versucht zu haben, arabischen und gotischen Bau—
tyl mit flemischem und byzantinischem zu vereinigen.
Vermischte s.
7 Am 1. November 1868 werden außer Cours gesetzt die
ranzösischen Zwei-Franken⸗ und Ein-Franken-Stücke mit älterer
Jahreszahl als 1866; ferner die Fünfzig- und Zwanzig-Cenkimen⸗
Stücke mit älterer Jahreszahl als 1864.
4 Vor ca. 8 Tagen siarb in Greßthal (Unterfr.) ein dortiger
Drisnachbar, nachdem er Birnmost, welcher in einem Petroleum
fasse aufbewahrt war, getrunden hatte, trotzdem daß das Faß vor⸗
hder gebrüht und gereinigt wurde. Da es in diesem Orke üblich
st, daß 4 Nachbarn das Grab zu graben haben, kam es nach
Beendigung dieser Arbeit dazu, daß auch diese 4 Männer von
dem erwähnten Birnmost zu trinken bekamen, woraufhin der eine
ebenfalls seinen Geist aufgab und die andern drei mehr oder
weniger erkrankten.
F Stuttgart, 1. Okt. Seit einiger Zeit kommen unter
dem Namen amerikanische Röhrenbrunnen Apparate in den Han⸗
del, mittelst deren man im Stande sein soll, in Gegenden, welche
Wasser führende Schichten bergen, in unglaublich kurzer Zeit Brun⸗
nen zu erstellen. Die Zeitungen berichten, daß diese Apparate
bei der neuesten Exvedition der Engländer nach Abessinien sich als
sehr nützlich und prattisch erw'esen haben. Um den Werth der—⸗
selben fuͤr unsere Verhälinisse kennen zu lernen, hat die kgl. Cen—
rralstelle einige Exeplare durch Vermittelung der Herren Allmann
& Sturgeon, 27 Corporation Street, Manchester, bezogen und
sofort nach deren Eintreffen am 24. d. M. auf dem Cannstadter
Wasen eine Probe damit vornehmen lassen. Gleich die erste
auf dem Volksplatze vorgenommene Probe lieferte ein überraschen
des Ergebniß. In einer guten halben Stunde war die Röhre
bis auf eine Tiefe von 12 Fuß durch zwei Männer eingerammt;
die aufgeschraubte Pumpe lieferte alsbbald reichlich Wasser, das
nach mehrstündigem Pumpen weder abnahm, noch versiegte.
Im Oberamt Neckarsulm ist ein 1 18 Fuß hoher, 2 Zoll
dicker Hanfstengel zu bewundern, dessen Aeste eine Länge von über
7 Fuß erreichten.
F Witten, 28. Sept. Gestern Abend bei Sonnenunter⸗
gang wurden wir durch eine prachtvolle Fata⸗Morgana (Luft-
piegelung) überrascht, wie sie sich auf der Meerenge von Messina
jäufiger zegen. Wir befanden uns gerade in der Nähe des He—
enenthurms, als das herrliche Schauspiel fich über eine halbe