Full text: St. Ingberter Anzeiger

machten. Ein Wiener Journal wollte bereits wissen, oer vem⸗ 
berger Polizei sei gelegentlich der Hausdurchsuchungen, die sie vor⸗ 
genommen, der ganze. Falschungs⸗Apparat, bestehend in Platten, 
Pressen ꝛc. in die Hände gefallen, eine Angabe, die indeß nach 
späteren Nachrichten sich nicht bestätigt. Es ward nämlich im 
Besitze der Verhafteten wohl eine große Zahl falscher Hundert⸗ 
Rubelscheine, aber keinerlei Apparat zur Anfertigung derselben 
gefunden, was der Vermuthung noch Raum gibt, daß vielleicht 
die Falfificate im Auslande —, in Frankreich oder der Schweiz 
— sabrizirt worden und durch Genossen in Lemberg und Gali— 
zien, überhaupt nach Rußland eingeschmuggelt und dort verwerthet 
werden sollten. Es fehlt bereits nicht an Stimmen, die Miros⸗ 
lawski und seinen Anhang mit diesem eigenthümlichen Finanzer⸗ 
periment in Verbindung bringen; nach andern Angaben wieder 
wären seitens der Polizei Spuren entdeckt, die im socialistischen 
Lager der polnischen Emigration — deren Chef der ehemalige 
Injurgentenführer Haulke, auch Bosak genannt — zusammenliefen. 
Wie dem auch sei, Thatsache ist, daß seit der Entdeckung der Fal⸗ 
sificate und der Verhaftungen in Lemberg und Brody die russischen 
Polizei- und Zollbehörden die wolhynische Grenze überhaupt strenge 
wWerwachen. ünter anderm ist seitens der Russen der ganze 
Grenzstrich von Radziwillow bis Beresteczto am Bug mit einem 
verstarkten Zollwächtercordon versehen worden. die nebst Kosaken- 
Deiachements längs jener Strecke einen ununterbrochenen Patrouil⸗ 
lengang unterhalten. Daß unter solchen Umständen anch der Ver⸗ 
keht der Reisenden aus Galizien nach Wolhynien sehr erschwert 
wird, ist selbsiverstündlich, und zumal ist gegenwärtig die Waaren 
und Gepäckrevision über alles Maß streng geworden. 
Frankreich. J 
Paris, 29. Nod. Der Präsident des Gerichishoses von 
Clermont⸗Ferrand, ein Hr. Salneuve, hat von Richtern aus 
allen Theen des Landes mehr als 2000 3 u stimmungs⸗ 
ertlaärungen erhalten. — Heute früh ist Herr Berryern 
gestorben. 
,Avenir“ läßt sich aus Berlin telegraphiren, daß Herr 
b. Bismarck gleich nach seiner Ankunft die Unterhandlungen bezüg⸗ 
lich Nordschleswigs wieder aufnehmen werde, und daß derselbe zu 
Concessionen an Dänemark geneigt sei. 
Gegenüber den Andeutungen des „Journal des Debats“ ver⸗ 
sichern die Regierungsblätter, an einen Staatsstreich oder eine Zu⸗ 
růcknahme der gewährten Freiheiten sei nicht zu denken. 
England. 
Die Exeesse in Kilbrittain (Irland) scheinen alles bisher an 
Wahltumulten Dagewesene zu übertreffen. Polizei und Truppen 
versuchten, wie es heißt, vergebens mehre Stunden lang die bei— 
— in ihrer Gewal 
hatten, zu trennen. Sechs Polizeisoldaten sollen auf dem Platze 
geblieben, und es soll eine große Anzahl der Ruhestörer verwun— 
det und festgenommen sein. In Bristol wurde ein Apotheker, der 
erwiesenermaͤßen das Gesindel auf seiten der Tories zum Fenster⸗ 
zertrümmern und zu anderm Unfug angeführt hatte, vor die 
Assisen verwiesen. 
Spanien. 
Madrid, 30. Nov. Die Regierung ertheilte den 
Präfecten strenge Ordre, die Ordnung um jeden Preis auf⸗ 
recht zu halten. 
Wie die Comite's von Sevilla und Salamanca, so hat 
jetzt auch eines der Wehrcomite's von Valencia die Initiative 
ergriffen, den Marschall Espartero als Candidaten zum spanischen 
Thron anszurufen. 
Eine Correspondenz aus Lissabon theilt mit, daß man von 
der Caundidatur Don Fernando's zum spauischen Thron kaum noch 
spricht. Der König selbst ist von äußerster Zurückhaltung in die⸗ 
ser Angelegenheit. 
Man“niest in der „Discussion“ vom 26. Nov.: „Wir 
haben eine Monarchie gestürzt, und wir halten ihre wesentlichsten 
AÄlribute aufrecht. Das ist der Grund der Mißstimmung 
und des Ekels, die man empfindet, und denen abgeholfen 
werden muß.“ 
Türkei. 
Konstantinopel, 80 Nov. Wie verlautet, hat die 
Pforte ihren Gesandten Photiades ⸗Bey in Athen angewiesen, ernst⸗ 
uͤch von der griechischen Regierung die Verhinderung fernerer 
Freiwilligen⸗ Zuzüge nach Kreia zu verlangen und im Weige 
rumgsfalle die Abberufung ihres Gesandten in sichere Aussich 
zu stellen. 
Rußland. 
Petersburg, 29. Nov. Die internationale Conferenz; 
zur Abdschaffung des Gebrauchs der Sprenggeschosse entschied, daß 
die contrahirenden Mächte bei See- und Landkriegen die vunwendung 
bon Sprenggeschossen aufgeben, deren Gewicht weniger als 409 
Gramme beträgt, und die mit Brennstoffen gefüllt sind. Die Ver⸗ 
pflichtung hört auf, sobald Staaten am Kriege betheiligt find, 
die den Tractat nicht unterschrieben haben. Preußens Antrag 
auf erweiterte Erörterung der Frage wurde verworfen. Das Pro⸗ 
locoll unterzeichneten die Verlreter von Oesterreich, Frankreich, 
Bayern, Großbritannien, Württemberg, Holland, Griechenland, 
Danemark, Jialien, Preußen, Portugal, Persien, Rußland, Türkei 
und Schweden. 
Amerika. 
Auf Cuba flüchten sich die Neger vor den Insurgenten. 
Eine aufrührerische Proclamation ist aufqefunden worden, in 
welcher die Neger zur Ermordung aller Weißen angespornt wer⸗ 
den aus der Umgegend von San Jago de Cuba ist eine große 
Anzahl wohlhabender Bürger mit ihrem beweglichen Eigenthume 
nach Jamaica ausgewandert. 
An der Küste von Chili und Peru wurden noch immer Erd⸗ 
sioße vderspürt, und in Cobija richteten dieselben großen Sch aden 
an. Menschenleben gingen nicht verloren. 
SEchwurgerht⸗itzung . — 
IV. Quartal 1868. 2* 
Zweibrücken, 27. Rov. Anklage gegen Georg Kern, 
18 Jahre alt, Bahnarbeiter von Queichheim, wegen Koͤrperver⸗ 
letzung im Verbrechensgrade. Der Angellagte, der bisher einen 
zuten Ruf besaß und noch nie bestraft wurde, arbeitete am 13. 
Fuli abhin, Nachmittags, mit dem etwas aͤlteren Jacob Hack im 
Hhüterschoppen des Landauer Bahnhofs. Letzterer hieß ihn ein 
gzisichen hereinthun und schimpfte, als Kern sich weigerte, denselben 
einen miferabeln Kerl, einen Lausbuben u. s. w. und soll ihm 
hiebei auch einen Stoß oder eine Ohrfeige versetzt haben. Der 
vurch Dazwischentreten des Oberaufsehers Rehm momentan abge⸗ 
chniltene Disput begann jedoch nach einigen Minuten wieder, und 
achdem Hack dem Angeklagten abermals einen Stoß oder Schlag 
bersetzt und sich dann umgedreht hatte, schlug ihn Letzterer mit 
rinem buchenen Prügel derart auf den Kosf, daß er zusammen— 
stürzte und versetzte ihm mit demselben noch einen zweiten Schlag 
an das Kinn. Außer den Verletzungen an den Zähnen und am 
Unterkiefer war der Geschlagene mehr als 60 Tage arbeitsunfähig 
und hat derselbe außerdem sein Gehör verloren, was als bleiben⸗ 
der Rachtheil zu erachten ist. Der Angeklagte will bei dem Vor⸗ 
fall betrunken gewesen sein. Richtig ist es, daß er etwas Bier 
getrunken hatte und dasselbe, wie Hachselbst angibt, gespürt haben 
mag. Der Vertheidiger des Angeklagten, Herr Rechtscandidat 
Lang, hob hervor, daß Hackschon am 11. August wieder, wenn auch 
nicht vollständig, die Bahnarbeiten verrichtet habe, auch dessen 
Behoör wohl nicht so schlecht sei, als glauben gemacht werde, auch 
vnne sich dasseibe immer noch bessern. Zugleich behauptete die 
Bertheidigung, der Angeklagte habe im Zustande des Reizes und 
geminderser Zurechnungsfähigkeit gehandelt. Da die Geschworenen 
auch unter Bejahung der Hauptschuldfrage diese beiden Milderungs⸗ 
zründe annahmeu, wurde Kern zu einer Gefängnißstrafe von neun 
Monaten verurtheilt. 
Zweibrücken, 28. Nov. Anklage gegen Peter Krieg, 
30 Jaͤhre alt, Maurer von Neuhofen, wegen vorsätzlicher crimi⸗ 
neller Körperverletzung. Der als etwas streitsüchtig b ekannte 
Angeklagte bewohnt in Neuhofen die eine Hälfte eines Hauses, 
dessen andere Hälfte durch die Familie des Schreiners Jakob 
Schwarz innegehabt wird. Krieg hat einen Knaben in Pflege, 
dem er verbot, mit den Kindern von Schwarz umzugehen, weß, 
halb zwischen beiden Familien öfters Zwistigkeiten entstanden. Auch 
soll der Angeklagte dem Schwarz schon öfters mit Schlägen gedroht 
jaben. Am 3. Mai dieses Jahres strafte der Angeklagte den 
bengedachten Knaben, der wieder bei den Schwarz'schen Kindern 
jewesen war, ab und äußerte mehrmals: „Warst Du wieder 
dei dem schlechten Lumpencorps?“, worauf die in der gemein⸗ 
schaftlichen Küche beschäftigte Ehefrau Schwarz demselben zurieß: 
„Das wird auch Lumpenzeug sein, wie Deins!“ Nun trat der 
uͤngeklagte unter Fluchen in den Hausgang, ergriff dort eine Kar⸗ 
roffelhade und ging damit auf Ehefrau Schwarz los. In dem⸗— 
selden Augenblick erschien, vom Larm herbeigezogen, deren Ehe⸗ 
mann, worauf der Angeklagte sich rasch herumdrehte und diesem 
nit der Hacke derart auf den Kopf schlug, daß er betäubt in sein 
Zimmer wankte. Der Zustand des Verletzten war im Anfang 
Jjöchst lebensgefährlich, der Krankheitsverlauf war aber ein gün⸗ 
tiger und blos eine totale Arbeitsunfähigkeit von 118 Tagen die 
Folge. Außerdem wird der Verletzte wegen des erlittenen Schä⸗ 
Feltdochenbruchs nie mehr vollständig arbeitsfähig und schwebt stets