Full text: St. Ingberter Anzeiger

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zum Lehrer an der unteren prot. Mädchenschule in Speyer der 
Schulverweser Friedrich Rapp daselbst ernanut worden. * 
Berlinn, 10. Dec. In der heutigen Sitzung der Be⸗ 
ichlagnahme-Commission über das Vermögen des Ex⸗-Kurfürsten 
erklärte Ministerpräsident Bismarck: Der Kurfürst habe auf die 
herannahende Kriegsgefahr gerechnet und wiederholie Warnungen 
unbeachtet gelassen. Die Besorgnisse vor einem Ausbruch des 
strieges waren vorigen Sommer nicht unbegründet und wurden 
nur durch ein unverhofftes Ereigniß beseitigt. In Hietzing be⸗ 
stehe ein preußenfeindliches Agitations-Comite, welches welfische, 
hessische, dänische und republikanische Mitglieder zähle. Beiläufig 
bemerkte der Minister, daß ihm die bekannte Usedom'sche Note 
erst durch die Zeitungen bekaunt geworden sei, da sie bei ihrer 
Sendung nach dem Kriegsschauplatz verloren ging. Die Regie— 
rungsvorlage wurde schließlich mit 13 gegen 1 Stimme GVirchow) 
genehmigt mit dem Amendement, daß die Aufhebung der Beschlag⸗ 
nahme nur durch ein Gesetz zulässig sei. —W 
Berlin, 11. Dec. Indem die „Kreuzztg.“ auf die Mit⸗ 
theilungen verschiedener Blätter über den Vorschlag zurückkommt, 
den status quo in Deutschland unter die Garantie der Mächte 
zu stellen, sagt sie: Es steht fest, daß Deutschland keine unbe⸗ 
rechtigte Einmischung in seine Angelegenheiten dulden wird; die 
Machte, welche den Frieden zu erhalten wünschen, thun am besten, 
den Hetzereien von gewisser Seite entschieden entgegenzutreten. 
— Aus Berlin wird unter'm 12. telegraphirt: „In 
allen unterrichteten Kreisen wird Preußens Auftreien in dem grie⸗ 
Visch⸗türklischen Streite in Uebereinstimmung mit den Schutzmächten 
sowohl zu Konstantinopel als zu Athen besiätigt. Die Friedens⸗ 
aussicht wurde dadurch verstärkt. Die türkische Note mit den be— 
kannten Forderungen wurde am 10. Dec. mit fünftägiger Frist 
in Athen übergeben. 
Wien, 11. Dec. Der „Neuen Freien Presse“ zufolge 
ist das türkische Ultimatum am 7. d. in Konstautinopel abgegangen. 
Rach der „Debatte“ hätte sich dasselbe der Unterstützung Ruͤßlands 
nicht zu erfreuen. F 
Prag, 11. Dec. Zwischen dem deutschen und dem czechi⸗ 
schen Clerus steht ein Bruch bevor. Ersterer will sich auf den 
berfassungsmäßigen Boden stellen und die „freie Kirche im freien 
Staate“ anstreben. 
Fraukreich. 
Am 10. December waren es volle zwanzig Jahre, daß in 
Frankreich das gewaltige Manbver der allgemeinen Abstimmung 
Suffrage universelle) ausgeführt wurde; man wollte den „Chej 
der executiven Gewalt“, wie man damals sagte, wählen. Ein 
Pariser Correspondent der „Köln. Ztg.“ knüpft an die Erwäh— 
nung des Jahrestages folgende Betrachtungen: „Der Neffe des 
Mannes von St. Helena erhielt 5,8562,834 Stimmen, der ehr— 
liche Cavaignac blos 1,469, 166, während 400, 000 Stimmen 
zwischen Ledru Rollin und Raspail zersplittert wurden. Wenn 
heute noch einmal die Wahl zwischen einem Bonaparte und einem 
Cavaignac schwankte, würde jener noch vierfacher Sieger bleiben? 
„Der bewundernswürdige Instinkt der Massen“, den die „France“ 
heute mit votlen Backen preist, ist ein zweischneidiges Schwert 
Das Scrutinium des 10. December 1848 war der erste glän⸗ 
zende Triumph der europüischen Reaction gegen die Februariage 
„Ja, Frankreich war nicht republikanisch gesinnt!!“ jubeln die bo— 
aapartistischen Organe; aber ist es heute nicht eben so wenig 
imperialistisch gesinnt ?“ 
Paris, 10. Dec. Die Mächte leihen hauptsüchlich zweien 
Forderungen der Türkei ihren Beistand, nämlich daß Griechenland 
den Werbungen für Creta Einhalt thue und den Cretensern die 
Heimkehr erleichtere. 
Paris, 11. Dec. Der „Etendard“ sagt aus Anlaß der 
bevorstehenden Luxemburger Wahlen: Die Mehrheit des Luxem— 
burger Volkes wünsche Anschluß an Frankreich nuͤr für den Fall, 
daß die Einverleibung das einzige Mittel wäre, entgegengesetzten 
Strömungen zu wiederstehen; darum sei sie auch gegen Verlänge— 
rung des Zollverbandes mit Deutschland und wünsche überhaupt 
Erhaltung ungeschmälerter Unabhängigkeit. 
Paris, 11. Dec. Man behauptet, daß die hiesige Re— 
gierung mit der provisorischen Regierung in Madrid vollständig 
einig sei. So wäre es also mit den Männern, welchen Spanien 
sein Geschick anvertraut hat, so weit gekommen, daß sie vom Bo⸗ 
napartismus lernen wollen, wie man Völker beglückt! Die Car— 
tisten bereiten sich alles Ernstes vor, ein gewichtiges Wort bei 
den Unruhen, die sie voraussehen, mitzureden: „Jetzt oder nie“, 
cint die „Unione, welche seit zwei Monaten Karl VII. in allen 
Tonarten besingt. Ueber den Ausgang des Kampfes in Cadix 
weiß man noch nichts. Aber nicht er allein unterhält die Besorg- 
niß: im ganzen Lande herrscht eine dumpfe Aufregung, die irgend— 
bie mm̃ Auc bruch lommnen muß. Es heißt, General Pierap seir 
»on Madrid nach Catalonien entsandi, wo man Unruhen 
befürchtet. Der „Moniteur“ hat Briefe aus der Havanna bis 
zum 17 Nov., welche etwas günstiger lauten. Die Aufständischen 
waren an mehreren Orten besiegt; doch hatte man ihre Banden 
nicht zersprengen können. 
Baris, 14. Dec. Der „Moniteur“ hat ein Telegramm 
nus S. Sebastian vom 13., welches meldet: In Folge einer 
energischen Proclamation Caballeros haben sich die Insurgenten 
»on „Cadir“ gestern Morgen auf Gnade und Ungnade 
ergeben. 
Spanien. 
Madrid, 10. Dec. Aus Cadix wird gemeldet, daß der 
dampf daselbst äußerst blutig war. Derselbe sei dadurch entstanden, 
daß der Abmarsch der Truppen nach Puerta Santa Maria ver! 
zindert werden sollte, wobei 190 Soldaten getödtet wurden. Der 
Waffenstillftand endet erst kommende Nacht. Um das Bombarde- 
nent zu verhindern, haben die Aufständischen sich der Abreise der 
Tonsuln widersetzt und diese als Geiseln in das Stadthaus ein 
jeschlossen. (Ein anderes Telegramm meldet: „Die Lage der 
stegierung ist sehr peinlich, denn die Unruhen in den Provinzen 
nehmen zu.) 
Madrid, 11. Dec. Die Insurgenten von Cadix haben 
noch nicht capitulirt. (Ein Londoner Telegramm sagt: Portugal 
»ewaffnet alle Forts und die Tajomündung mit gezogenen Kano— 
ien aus Furcht, in den Wirbel der republikanischen Bewegquiug in 
S„panien gezogen zu werden.) 
Die Capitulations · Bedingungen der Insurgenten von Cadixr 
ind verworfen. Die Nachricht, daß 800 für Cuba bestimmi⸗ 
Soldaten sich den Insurgenten angeschlossen haben, wird für un⸗ 
jegründet erklärt, und ebenso gilt die Mittheilung, daß in Pam— 
jelona und andern Orten Ruhestörungen ausgebrochen seien, für 
inwahr. 
Der Regierung sind Zustimmungsadressen vmn zahlreichen 
tädtischen Gemeinden und freiwilligen Wehrvereinen, welche ihre 
Unterstützung anbieten und dief Urheber der stattgehabten Unord⸗ 
iung auf das bitterste tadeln.“ Die Bewachung der Hauptstadt 
ind die Aufrechthaltung der Ordnung bleiben nach wie vor aus⸗ 
chließlich den „Freiwilligen der Freiheit“ anvertraut. 
Madrid, 12. Dec. Die amtliche Zeitung enthält auch 
heute keine wichtigeren Nachrichten aus Cadir und bemerkt über 
die dortigen Vorgänge: Die Regierung, welche nach der Bewilli— 
gung des Waffenstillstandes ihres Sseges gewiß ist, hat den An— 
griff auf die Empörer nicht überstürzen wollen. um Unglücksfäl⸗ 
len möglichst vorzubeugen, und den Insurgenten mehr Zeit zu 
jeben, der Stimme der Vernunft und des Patriotismus Gehoͤr 
zu schenken; die Truppen der Regierung nehmen Stellung ein, 
durch welche eine enge Blocade der Insurgenten hergestellt wird, 
und sind bereit, mit Tapferkeit und Enthufiasmus vorzugehen. — 
kin Telegramm des Gouverneurs von Valencia meldet, daß in 
Nieder⸗Aragonien allem Anscheine nach Vorbereitungen zu einem 
Larlistischen Aufstande getroffen werden. 
Griechenlaud. 
Athein, 5. Dee. Die Regierung ist enischlossen, die tür—⸗ 
lischen Forderungen zurückzuweisen. Die Stimmung ist äußerst 
iufgeregt; die Journale sind voll kriegerischer Artikel; man spricht 
on der Errichtung von 30 Bataillonen Freiwilligen. Ein Reuter⸗— 
ches Telegramm aus Athen, 9. Dec., meldet: „Der türkische 
Besandte fordert Bestrafung der Aegineten, welche den mit der 
Kinschiffnng der Kretenser beauftragten türkischen Agenten miß— 
handelt haben. In der Kammer erklärte heute die Regiernng, 
indem sie die Absicht der Pforte, den diplomatischen Verkehr ab— 
zubrechen, und die Versuche der Mächte, den Bruch zu verhindern, 
mittheilte, daß sie stets im Einklang mit den Wünschen uͤnd der 
Würde der Nation gehandelt habe und nächste Woche die Acten— 
tücke vorlegen werde. Einem über Wien gekommenen Telegramm 
aus Athen nach war die griechische Regierung den Forderungen 
der Türkei bis zu diesem Tage noch nicht beigetreten. — Aus 
dopenhagen, 13. Dec. wird telegraphirt: Der Konig Chri⸗ 
tian und der Prinz von Wales haben nach Athen an den König 
Beorgios telegraphirt, um diesen zu bewegen, den berechligten 
Forderungen der Türkei zu entsprechen, indem sie ihn gleizeitig 
auf die Gefahr aufmerksam machten, welche in der gegenwärtigen 
Situation für die junge Dynastie liege. 
Türkei. 
Konstantinopel, 12. Dec. Die „Turque“ schreibt: 
Das Interesse der Mächte scheint die Aufrechthaltung der Acte von 
1856 zu sein, aber ihre Einmischung in die Ungelegenheiten des 
Inlandes wird den verborgenen Zweck zum Vorschein kommen 
lassen, das türkische Reich zu zerstören. Denn siets unzeitgemäß 
und die Autorität des Sultans verletzend, würde sie die Türkel