Full text: St. Ingberter Anzeiger

‚wingen, Mäßigung im Actionsmomente zu befolgen. Die Stel— 
jung der Pforte gegenüber Griechenland, welches in flagranter 
Feindseligkeit sich bewegt, ist unertraglich und hat der Tuͤrkei schon 
bdiel Menschen- und Geldopfer gekostet. Es war endlich Zeit, daß 
die Pforte durch die Haltung, welche ihre Würde ihr angerathen, 
Actionsfreiheit erlangte. Dies ist das einzige Miltel vielleicht 
eine europäische Conflagration zu vermeiden und der bisherigen 
dage, sowohl den Freunden wie den Feinden gegenüber, ein Ende 
zu machen.“ — 
Unter'm 12. meldet die Russische Telegraphenagentur in 
Petersburg ebenfalls aus Konstantinopel: In Folge der 
energischen Schritte des russischen Boischafters stellten Frankreich, 
England und Preußen der Pforte vor, daß die von ihr gegen 
Griechenland beabsichtigten Maßregeln den Frieden bedrohen 
Daraufhin verschob die Pforte den definitiven Bruch um 
einige Tage, und der russische Botschafter bemüht sich nun— 
wenigstens den plötzlichen Abbruch der Handelsbeziehungen ju ver⸗ 
hüten. Die Türkei concentrirt in Tessalien eine Invasionsarmee 
bon 40,000 Maunn. — 
Amerika. 
Rach dem Monatsausweise des Schazzsectetärs belief sich die 
Staatsschuld der Vereinigten Staaten am 1. Dec. auf 2,645,750. 000 
Doslats (gegen 26041 Millionen am 1. Nov.). Der Kassenbe⸗ 
stand betrug 106,705,000 Dollars, davon 88,8500,000 Metall⸗ 
vorrath. 
Am Y. December kraf in Havania die erste Verstärkung von 
Truppen aus Spauien ein, die sofort nach ihrer Ausschiffung 
gegen die Aufständischen marschirte. J * 
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Uebersicht der in der beginnenden Landtags-⸗Sefsion 
zur Berathung vorliegenden —— 
1. Gesetze. 
J. Gesetz, die privatrechtlichen Verhältnisse der Genossenschaf— 
ien betr., („dieses Gesetz soll besonders den neu entstehenden 
Credit⸗, Consum- u. dgl. Vereinen zu Gute kommen.“) 2. Gejetze, 
die Actiengesellschaften betr, 3. Berggesetz, 4. Gesetz. die Errich 
tung eines Verwaltungs-Gerichtshofs betr., 5. Schuigesetz ; G. Ge⸗ 
jetz, das Eisenbahnnetz betr., 7. Gemeindegesetz (wird voraüssicht 
lich von den Kammern bis Neujahr erledigt werden). 8. Armen⸗ 
gesetz, 9. Vilitärgesetz. — Zu diesen Gesetzvorlagen kommen vor—⸗ 
aassichtlich noch 1. Gesetz, die Bürgerwehr betr, 2. Gesetz, die 
Wehrsteuer betr. 3. Strafproceß, 4. Militärstrafproceß. 
J. Anträge von Mitghliedern der 
Kammer. 
4. Antrag des Abgeordneten v. Stauffenberg (Augsburg 
Fortschrittspartei), die Freigabe der Advocatur betr.. 2. Antrag 
des Abg. Hirschberger (Landshut, Mittelpartei), Abänderung des 
Art. 150 des Notariatsgesetzes (betrifft die Aufhebung der ÄAnmel⸗ 
decertificate). 3. Autrag des Abg. Dr. K. Barih (Augsburg, 
Rechte), das Gesetz, die Jagdübung betr., 4. Antrag des Abg. 
Spiegel (Bischofsheim, Fortschrittspartei), Aufhebung, der. Brod— 
uud Mehltare betr, 5. Antrag des Abg. Krumbach (Freising, 
Mittelpartei), Beitrüge der Brandbversicherungsanstalten für die 
Feuerwehren betr. 6. Antrag des Abg. Dr. Brater GNürnberg, 
Fortschrittspartei), Erweiterung des Petitionsrechts des Landtag? 
ind der Staatsangehörigen betreffend, 7. Ankrag des Abg. Dr 
Marq. Barth (Kaufbeuren, Fortschrittspartei), Herabsetzung der 
steisegebühren der Abgeordneten, 8. Antrag der Abg. Stenglein 
Kronach, Mittelpartei) und Dr. K. Barth (Augsburg, Rechles,) 
Abäuderung des Einquartirungsgesetzes betr, 9. Antrag des Abg 
). Schultes (Schweinfurt, Mittelpartei), Aufhebung des Jminpf⸗ 
wanges betr., 10. Antrag der Abg. Croisant, v. Stauffenberg 
und Dr. Brater (Fortschrittspartei), Abeanderung des Vereinsge⸗ 
etzes betr. 11. Antrag der Abg. Jörg und Dr. K. Batth 
Rechte), Abänderung des Landtagswahlgesetzes betr., derselbe An- 
rag war früher schon von dem Abg. Krämer, (Nürnberg, Fort⸗ 
chritispartei) gestellt, von der Kammer aber verworfen worden. 
2. Antrag des Abg. Spiegel (Fortschrittspartei), Aufhebung des 
Art. 38 des Preßgesetzes, (der das Hausiren mit Dtucschriften 
»hne besondere Erlaubuiß verbietet) betr, 18.. Antrag der Abg. 
Dr. Brater, Krämer (Fortschrittspartei) und Hänle (Muünchen 
Mittelpartei) den Art. 40 des Wehrgesetzes betr, 14. Antrag 
»es Abg. Dr. Völk (Immenstadt, Fortschristspart i) auf Besteue⸗ 
ung der aus dem Auslande bezogenen Capitalien. 
Bei der Wichtigkeit der zu berathenden Gesetze möge jeder 
Staats-Bürger, der Auträge bezüglich derselben zu steüen oder 
Wünsche zu äußern hat, bald möglichst an den Abgeordneten 
eines Bezirks schreiben. 
BVBermischtes. 
. Zweibrücken, 9. Dec. Nachdem unterm 7. l. Mis. 
n hiesiger Stadt ein brauner Jagdhund getödiet werden mußte, 
weil derselbe nach mehrtägiger Abwesenheit mit allen Erscheinungen 
der Hundswuth in die Wohnung seines Herrn zurückkam, und 
nachdem die Section dieses Hundes nach thierärzlichem Gutachten 
das Vorhandensein der Wuth in hohem Grade bestätigte; nach—⸗ 
dem ferner dieser Jagdhund laut Anzeige während seines herren⸗ 
losen Umherlaufens auch Menschen und Thiere gebissen hat, so 
purde im Interesse der öffentlichen Sicherheit durch die königl. 
Districtspolizeibehörde dahier unterm Heutigen eine Hundesperre 
in der Daner von 6 Wochen verfügt. 
7 Letzten Samstag ereignete sich zu Obernheim⸗Kirchenarnbach 
ein schredlicher Unglücksfall. Ein erwachsener Bube nedte sich mit, 
dem Knechte; dieser, halb erbost, ergriff eine Haue, um den Kna⸗ 
zen zu bedrohen, und Letzterer, der auf die Seite springen wollte, 
zerieth in die dort stehende Dreschnaschine, welche den Unglücklichen 
ofort mit rasender Schnelle herumriß und ihm ein Guied nach 
dem andern zerschmetteree. J 
7Würzburg, ReDec. Von bayerischen Infanterie- Ge⸗ 
vehren nach dem Werder'schen System befinden sich dermalen hier 
30, von österreichischen nach dem System Werndl 4, mit welchen 
allen Schießversuche auf dem Artillerie-Kugelfange und auf der 
Infanterie⸗Schießstätte angestellt werden.“ Ein definitives Urtheil 
er Sachverständigen über den Vorzug des einen vor dem andern 
als Massengewehr hat sich noch nicht festgestellt; doch kommt man 
darin überein, daß das Werder'sche Gewehr zwar eine etwas grö⸗ 
zere Schüssezahl gibt, aber anch leichter Hemnissen und Beschädig⸗ 
ingen unterworfen ist, von denen die österreichische Waffe bisher 
zanz frei blieb, so daß Fortsetzung des Erperimentirens nothwen⸗ 
dig ist, um zu einem sichern Resultat zu gelangen. 
F. Augsburg, 10. Dec. Letzten Freitag wollte eine 
Zellnerin Baumwollgarn auf einem Knäul wickeln und nahm aus 
Bersehen dazu 52 Stück verschiedene Banknoten ihres Dienstherrn, 
der sie aber glücklicherweise bei dieser Wickelei überraschte, ehe 
die Banknoten noch ganz verschwunden waren. Bei näherer 
Durchforschung ihres Koffers fanden sich noch allerlei Ver— 
vickelungen, und so wurde denn die Wicklerin der Polizei 
ibergeben. 
Auf der allgemeinen Lehrer⸗Versammlung zu Kassel wurd 
zeschlossen, die nächste Versammlung zu Pfingsten 1869 in Berlin 
ibzuhalten. 
Trier, 10. Dec. Vor dem lgl. Assisenhof wurde ge⸗ 
tern und heute die Sache gegen den Schusterlehrling J. S. aus 
Sirzenich verhandelt, welcher angeklagt war, am 8 Sktt. v. J⸗ 
zu Sirzenich seinen Meister vorsätzlich und mit Ueberlegung ge⸗ 
rödtet zu haben. Nachdem die Geschworenen das „Schuldig“ aus- 
sesprochen, verurtheilie der Kgl. Assisenhof den Angeklagten zur 
Todesstrafe. 
F Durch eire auf der Zeche Neu⸗Iserlohn am 4. d. entstan⸗ 
dene Explosion schlagender Wetter wurden 8 Knappen verletzt, 
einer jedoch lebensgeführlich . 
Immer neue Nachrichten treffen ein, theils über die riesen⸗ 
jafte Ausdehnung, theils über die außerordenttiche Gewalt des 
Sturmes vom 6. auf den 7. Dec. Sehr ins Gewicht fällt dabei 
der Schaden, den der Sturm in den neulich schon so empfindlich 
urch Schneebruch heimgesuchten Wäldern anrichtele In 
düren ist durch die Maht des Stur nes die eben neu erbaute 
-zynagoge eingestürzt. In der Umgegend der Porta⸗Westfalika 
vurde gleichzeitig (früh zwischen Snd 6 Uhr) ein wellenförmiges 
ürdbeben verspürt; auch anderwäris will man Erderschütterungen 
vährend des Sturms wahrgenommen haben. Die Zahl der 
Todten beim Zusammensturz des Thurmes in Fritzlar wird nun 
nuf 25 angegeben. 
fParis. Der „Gaulois“ erzählt folgende hübsche Ge⸗ 
chichte: Hr. v. Z. heirathet aus Liebe seine Consine, eine Taub— 
tumme. Sie ist fabelhaft schön, Milch und Blut, mit schönen 
zroßen Augen, die träumerisch in die Well schauen, als käme sie 
ius jenem „Hain in der Nähe von Athen“, in den Shakespeare 
eine Titania versetzt hat. Die junge Frau brachte ein kleines 
Löchteichen zur Welt. Nach der Entbindung wird der Arzt un— 
uhig. Achten Sie wohl auf die Kranke, sagt er, sie hat etwas 
Fremdes im Blick, etwas Unruhiges in ihren Wesen, eine fixe 
Idee scheint sie zu quälen, vielleicht eine vorübergehende Seeclen— 
törung — sie könnte, wenn man sie allein ließe, irgend eine 
Sinnlosigkeit begehen. Man bewacht also die junge Mutter sorg- 
ältig. Eines Morgens aber springt sie plötzlich auf, eilt zur 
Thür hinaus und in den Garten, sie rafft mit aller Kraft ihrer 
leinen Hände einen müchtigen Stein auf. Sie stürzt damit auf 
die Wiege ihres Kindes los und läßt ihn dort zur Erde fallen. 
Die Kleine fährt aus dem Schlafe, und die Muller fällt auf die 
Kniee: Gott sei Dank, ihr Kind kann hören!