Full text: St. Ingberter Anzeiger

f Auf belgischem Gebiete fand am 27. d. zwischen dem 
ranzdsischen Major Graf v. Malartie, der in Mexico unter Maxi⸗ 
nilian eine hohe Stellung einnahm und ein großer Verehrer 
tismarck's ist, und einem hannov. Obersten (dessen Name unbe⸗ 
sannt blieb) — anläßlich einer beleldigenden“ Aeußexunge des 
ietzteren über Bismarck. ein Pistolenduell statt, in welchem der 
Dberst einen Streifschuß, der Major einen Schuß in die rechte 
Seite erhielt. J 
7 Ein gelehrtier Schweizer, der Archivar Otto Henne⸗Am 
sRehyn in St. Gallen, hat ein culturgeschichtlichss Werk „Das 
tuch der Mysterien“ veröffentlicht, das viel Aufsehen macht. 
Fr stellt u. A. die Jesuiten und die Freimaurer einander gegen⸗ 
iber. Der Gegenpol des Jesuiten⸗Ordens ist der Freimaurer⸗ 
zund. Die Jesuiten gehorchen den Befehlen eines Einzigen, ihres 
Benerals in Rom, Diese dem Willen der Mehrheit; Jene machen 
zie Sittlichkeit von Gründen der Zweckmäßigkeit, Diese von der 
Rücksicht auf das Wohl der Menschheit abhängig; Jene erkennen 
nur einen Glauben an, ohne ihm aufrichtig anzuhängen, Diese 
ehren jede aufrichtige Ueberzeugung, ohne eine einzelne als allein 
eligmachend anzuerkennen; Jene suchen die Selbstständigkeit 
der Einzelnen immer mehr zu unterdrücken, Diese sie zu ent⸗ 
vicheln u. s. w. 
f London, 27. Febr. Ein schreckliches Unglück trug 
ich gestern gegen Ahend in dem Stadtbezirke Bethnal Green zu— 
kine Anzahl Arbeiter waren mit der Ausbesserung eines Eisen⸗ 
zahnboges auf einer Strecke der Great⸗Eastern-⸗Bahn beschäftigt, 
als etwa vier schwer geladene Kohlenwaggons den Bogen 
zurchbrachen und 19 Personen unter einem Haufen von Holz 
Steinen und Eisen begruben. Der Bogen war sechzig Fuß hoch, 
und so groß war die durch den Einsturz verursachte Erschütterung 
aß in mehreren benachbarten Häusern die Fensterscheiben sprangen. 
Obwohl thätige Hilfe rasch zur Hand war, konnten 14 der 
Arbeiter lebend aus dem Trümmerhaufen befreit werden und nur 
venige von ihnen kamen mit unbedeutenden Verletzungen davon. 
Fünf Personen dagegen fanden ihren Tod und ihre Leichen waren 
o zerschmettert, daß es erst gelungen ist, drei derselben zu 
dentificiren. 
f Im Jahre 1831 wurde das große Eisenbahnnetz in den 
Bereinigten Staaten mit der Anlage der Baltimore und Ohio⸗ 
Fisenbahn begonnen. Im Jahre 1870 wird die Union 38,00000 
kinwohner und 45,000 Meilen Eisenbahn haben, oder eine Meile 
uuf je 830 Einwohner. . 
fF Neubildung des Gehirns. Herr v. Parville erwähnt in 
zer wissenschaftlichen Uebersicht des officiellen Journals den merk⸗ 
vürdigen Fall von Amputation und Wiedererzeugung der Gehirn⸗ 
Hemisphären, die namentlich das Resultat der jüngsten Forschungen 
es Herrn Voit von der Münchener Atademie sidd. 
Seit dem Jahre 1822 zeigte Flourenz bis zur äußersten Evidenz, 
zaß es bei verschiedenen Thieren möglich sei, einen ganzen Ge— 
jirnlappen wegzunehmen, ohne dadurch ihren Tod herbeizuführen. 
ker ging noch weiter. Er nahm Katzen, Kaninchen, öffnete deren 
Schädel mit Vorsicht und nahm das Gehirn heraus. Katzen 
und Kaninchen lebten noch ein Jahr nach dieser Operation. 
deben ist also auch ohne Gehirn möglich. Nur verlieren die auf 
diese Weise verstümmelten Thiere alle Sinne und ihre Vernunft 
und sind auf den Zustand einfacher Automaten reducirt. Das⸗ 
elbe Experiment kann auch mit dem kleinen Gehirn gemacht 
werden. Da dieses jedoch das die Bewegungen regulirende Or—⸗ 
zan ist, so bewegt fich das betreffende Thier nur nach dem Zu⸗ 
salle fort; es gleicht einem Betrunkenen und ist wirklich ein Kopf 
ibne Hirn! 
Herr Voit von München hat ein noch sonderbareres Resul⸗ 
at erlangt. Er hat mehreren Tauben das Gehirn weggenom⸗ 
nen, und nach einigen Monaten constatirte er zu seinem Erstaunen, 
daß sich dasselbe erneuert hatte. Das Gehirn war wieder ge— 
vachsen. Nach der Wegnahme des Gehirns, sagte der gelehrte 
bhysiologe stecken die Tauben ihren Kopf unter einen Flügel und 
leiben unbeweglich. Die Augen sind geschlossen, und sie scheinen 
m schlafen. Dieser Zustand dauert einige Wochen. Dann 
exwachen sie endlich aus ihrem scheinbaren Schlafe, öffnen ihre 
AIugen und beginnen zu fliegen; sie vermeiden dabei alle Hinder⸗ 
nisse und entwischen denen, welche sie greifen wollen. So ist es 
lar, daß sie wieder sehr gut sehen und hören. Einige dieser 
Thiere wurden fünf Monate nach der Operation getödtet, und 
nan fand in der Hirnschale eine weiße Masse vor, die gänzlich 
on der Consistenz und dem Aussehen der weißen Gehirnmasse 
ind auch zudem in zwei Gehirnlappen (Lobi corobri) getheilt 
var. In jeder der beiden neuen Hemisphären bemerkte man eine 
leine Stelle, die mit Flüssigkeit gefüllt war, und zwischen beiden 
ꝛine Scheidewand (Septum). Die Masse bestand aus primitiven, 
weimal gewundenen Nervenfasern und aus unzweifelhaften Gang- 
nenzellen So hatte sich also das Gehirn innerhalb einiger 
Monate neu gebildet und das neue O egan seine vollständige func⸗— 
ionelle Thätigkeit aufgenommen. —, 
Volkswirthschaft, Handel und Verkehr.· 
F Der Vorschußverein in Zweibrücken, der am 1. März Ge⸗ 
ie ralversammlung abgehalten, zühlte am 31. Dec. 1868 126 
Mitglieder. Die Stammantheile betrugen an diesem Tage 7478 
L. 46 kr. Der Reservefonds 985 fl. Depositengelder 8877 fl. 
Ʒ parkassegelder 1214 fl. 52 kr. Umschlag in 1868 504 694 fl. 
34 kr. gegen 318,235 fl. 51 kr. in 1867. Reingewinn 588 fl. 
56 kr., woraus 3124 pCt. Dividende für das halbe Jahr (im 
Banzen 230 fl.) gezahlt werden und der Reservefonds auf 1200 fl. 
erhöht wird. 
Der Vorschußverein Kaiserslautern hatte in 1868 einen 
Amschlag von 2,725,836 fl. 47 kr. und setzte eine Dividende 
von 5 pCt. fest. 
Der Vorschußverein Ludwigshafen hatte 1868 einen Umschlag 
von 721,588 fl. 13 kr. Das Geschäft ging so gut, daß auf die 
Stammtheile 12 Procent Dividende fallen. 
Die Jreiwilligkeit im SLösch dienste. 
Man kann im Allgemeinen dreierlei Arten von Feuerwehren 
interscheiden: — 48— 
w Berufs⸗ Feuerwehren. 
Gemeinde⸗ oder Pflicht⸗Feuerwehren und — 
FIJreiwillige Feuerwehren. 
Die ersteren finden wir hauptsächlich in großen Städten und 
gzilt in dieser Richtung die Berliner Feuerwehr mit ihrer vortreff- 
lich geschulten Mannschaft, vorzüglichen Telegrapheneinrichtungen 
ind ausgezeichneten Löschrequisiten als Muster. Bei der großen 
dostspieligkeit einer ständigen Berufs⸗Feuerwehr hat sich dieses 
Princip bis jetzt einer besonderen Ausdehnung nicht erfreuen 
önnen. Man begnügt sich deßhalb an den meisten Orten und 
besonders auf dem flachen Lande damit, die Gemeindemitglieder 
durch mitunter sehr sorgfältig ausgearbeitete Löschordnungen zum 
Löschdienste zu verpflichlen, indem man die einzelnen Orlsbürger 
in gewisse Abtheilungen zu der Löschoperation eintheilt. Bei der 
TFinführnung einer neuen Löschordnung geht dann auch Alles ganz 
prüchtig, findet aber längere Zeit lein Brand statt und bleiben 
die Uebungen, wie dies nur zu oft der Fall, auch aus, so rostet 
die ganze Maschinerie wieder ein und im Brandfalle zeigt sich 
derfelbe Durcheinander, wie er vor Einführung der Löschordnung 
am Platze war. Eine Besserung solcher traurigen Erscheinung im 
Löschwesen brachte das Princip der Freiwilligkeit. Die für die 
gemeinnützige Sache Begeisterten gruppirten sich zu einem militä— 
rischen Corps zusammen, kleideten sich in zweckmaͤßige Uniformen, 
chafften leicht zu handhabende Requisiten an und übien sich 
ortgesetzt in dem schwierigen Dienst, das Feuer auf rationelle 
Weise zu bekämpfen. Das Princip fand immer mehr Anklang 
und breitete sich tagtäglich insbesondere in unferm engern Heimath- 
ande Bayern derart aus, daß sich jetzt fortwährend neue 
reiwillige Feuerwehren bilden und Bahern jetzt schon 30,000 
Feuerwehrmänner zählt. Nachdem diese unentbehrlich gewordenen 
Institute jetzt eine Reihe von Jahren bestehen und glänzende 
Broben ihrer Brauchbarkeit abgelegt haben, kann man behaupten, 
zaß sich das Princip der Freiwilligkeit in der Wirklichkeit als 
ehr empfehlenswerth gezeigt hat. Wir können es daher nur als 
durch die Erfahrungen begründet ansehen, wenn z. B. die ober— 
ofülzische Regierung die Bezirlsämter ganz besonders zur Bildung 
oon freiwilling en Feuerwehren auffordert, denn die besten 
Baragraphen in den Distriktslöschordnungen möchten dem Corpsgeist 
und dem Ehrgeiz der freiwilli gen Feuerwehren gegenüber ein 
chwaches Aequivalent bieten. Der freiwillige Verein steht mit 
den Nachbarvereinen, mit den Kreis vororlen und dem Landes— 
Ausschuß in stetem Verkehr, er weiß, daß seine Thätigkeit von 
den Kameraden anderorts beobachtet und kritisirt wird, er ist 
emsig bestrebt, sich auszubilden und zu verbvollkommnen, kurz er 
eigt Leben und Streben, wogegen alles dies bei den verpflichtetken 
Löschmannschaften oft nicht zu sinden ist, und so konnte man sich 
auch nicht verwundern, daß z. B. in Koblenz die Mitglieder det 
Zemein defeuerwehr durch wiederholte polizeiliche Sirafen zu 
hrem Dienste angehalten werden mußten. Fassen wir das 
BHesagte zusammen, so dönnen wir den Magistraten und Gemeinde— 
verwaltungen, insbesondere bei uns in Bayern nur dringend 
rathen, die Gründung freiwilliger Feuerwehren mit allen Kraͤften 
u fördern!