Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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der St. Ingberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗, Donnerstags⸗ und Sonntags⸗ 
Luwmer) erscheint wöchentlich vi er mal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteljiährig 42 Krzr. oder 
12 Silbergr. Anzeigen werden mit 83 Krzr. die dreispaltige Zeile Blatischrift oder deren Raum berechnet. 
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hr. 66. Dienstag, den 27. Apri. 18869 
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Deutschland. 
München, 22. April. Die Nr. 93 des „Volksboten“, 
velche diesen Abend erschien, wurde auf Grund des Art. 126 des 
ztrafgesetzbuches (Beleidiguug der Staatsregierung ꝛc.) confiscirt; 
z3 war die er ste Nummer, wesche Hr. Karl Zander (der aus 
stom zurückgekehrte Sohn des Verlegers) als verantwortlicher 
dedacteur unkerzeichnet. (Das Blatt kam hier mit einer „Censur— 
ücke“ an.“ An der Spitze desselben trägt es eine Erklärnng 
dr. Zãndẽts. ine welcher er seinen, Aeltesten“ dem Wohlwollen 
er Volksbotenleser empfiehlt und dafür Bürgschaft leistet, derselbe 
verde den Volksboten würrding führen, da ihn gleiche Grund⸗ 
ätze. und Gesunungen beseelen, wie seinen Vater. . in 
Münnsch ein 220 April?DerDruck des neuen Ciinpil⸗ 
oroceßgesezes — 22 Bocen Octav — ist so weit vorge— 
chritten, daß mit dessen Ausgabe Ende des Monats begonnen 
verden kann. Das k. Justizministerium laͤßte, es Iin 12,000 
Fremplotren drucken. VD— 
München 28. April. Der funct. Stnatsprocnra torsub⸗ 
titut K. Hosemann in Landau wurde zum Landgerichts-Assessor in 
Landau ernaunt; dem Landgerichte Germersheim ein Assessor aüßer, 
nem Stanis beigegeben und diese Stelle dem Polizeicommissür 
A. Pauli in Edenkoben verliehen. 4 
München, 24.. April. Die Wahlel der Abgeordneten 
zum Landtag werden nach Maßgabe des Gesetzes vom 4. Juni 
1848 unverzüglich eröffnet, die Wahlen selbst nach Art. 15 dieses 
Gesetzes 1) für die Urwahlen am 12. Mai, P) für die Wahlen 
der Abgeordneten am 20. Mai d. J, vorgenommen. Die Wahl- 
ergebnisse sollen bis zum 10, Juni d. J. dem Ministerium des 
Innern vorgelegt werden“ da auf 31500 Seelen ein Abgeord⸗ 
ꝛeter trifft und die Seelenzahl des Königsreichs nach den Unions⸗ 
ühlungen oom Jahre 1867 4,824,421 beträgt, so sind 154 
dandtageokgeordnete zu wählen, die sich auf die einzelnen Pro— 
izen folgendermaßen vertheilen: Oberbayexn 26, Niederbayern 
9. Pfalz 220,. Oberpfalz und Regensburg 16, Oberfranken 
7, Miittelfränken 18, Unterfranken und Aschaffenburg 19, Schwa⸗ 
en und Reuburg 19. 
Die Pialz ist in 6 Wahlbezirke,getheilt, nãämlich I) Speyer: 
dantone Frankenthal, Grünstadt, Ludwigshafen und Speyer 
ählen 3 Abgeordnete; 2) Edenkoben: Kantone Dürkheim, Eden⸗ 
»ben, Landau und Neustadt, wählen 4 Abgeordnete; 8) Kandel: 
dantone Annweiler. Bergzabern, Germersheim und Kandel 
ählen 3 Abgeordnete; 4). Zweibrücken: Kantone Blieskastel, 
)ahn, St. Ingberi, Neuhornbach, Pirmasens und Waldfischbach 
ählen 3 Abgeordnete; 5) Landuhl: Kantone Homburg, Kusel, 
andstuhl, Lauterecken, Waldmohr und Wolffiein wählen 8 Abge—⸗ 
rdnete; 6) Kaiserslantern: Kantone Göllheim, Kaiferslautern, 
irchheimbolanden, Obermoschel, Otterberg, Rockenhauseu und 
Vinnweiler wählen 4 Abgeordnete... 3 
München, 26. April. Die Reichsrahskammer hat das 
infühtungsgesetz zur neuen Civilproceßordnung nach den Anträgen 
er Ausschüsse beider Kammern einstimmig angenommen, und es 
st jomit Gejammtbeschluß erzielt. In seinem einleitenden Vortrag 
jetonte der Referent v. Vomhard die“ Verfassungsbestimmung, 
velche eine einheitliche Gesetzgebung für das ganze Königreich 
vorsieht; er weist darauf hin, daß die gegenwürtige Proceßord⸗ 
iung dem noch in der Pfalz geltenden Gesetze nachgebildet sei, 
ind spricht die Hoffnung duhß daß das Gesetz bei der Vermisecht es. 
ortigen deutschfühlenden Bevölkerung bald werde einheimisch Kaiserslautern, 23. April. Durch Stadtraths- 
verden. * beschluß vom Gestrigen wurde der Gesammtgehalt des israelitischen 
Mannneim, 23. April. Clericalen Blättern zufolge hat Lehrers — den die israel. Culusgemeinde bisher mittelst Umlage 
as Oberhofgericht die Auklage gegen den Biethumsverweser Kübel, von den Mitgliedern dieser Gemeinde erhoben hat und mußte — 
wegen Excommunication des Bürgermeisters Stromeher in Con⸗ auf Rechnung der Stadikasse übernommen und durch diesen hoch— 
tanz) für unstatthaft erklärt. herzigen Beseluß einen Act der religiösen Toleranz geübt, 
Fr ankreich. 83 der Siuunt und ihren Vertretern zur höchsten Ehre 
Parxis, 19. April Der „Constitulionnel“ meldet, daß eiiee 7 In Neustadt hält der deutschkatholische Prediger Czersli 
ulgemeine Enquöte über die Frage der Aufbesserung aller sich auf eben uͤneutgeltliche Vorträge 
veniger als 2000 Francs belaufenden Bezüge der Schul? 
lehrer und sonstigen Staatsbeamten eingeleitet werden soll 
Wahlmanöver ) 
Wie hermetisch man Frankreich, speciell Paris, von der 
Lectüre der deutschen Presse abzusperren sucht, geht unter Anderm 
daraus hervor, daß die „Köln. Ztg.“ volle 2 Monate, vom 
20. Februar bis 20. April in Paris nicht ausgegeben wurde. 
Paris, 21. April. Die Rede des Grasen Bismarck im 
Keichstag lenkt hier die Aufmertsamkeit auf Reugestaltung Deufsch- 
———— Ansicht das sich jenseits des Rheines ein Wieder⸗ 
aufleben· des fsrderalen uund autonomen Gefühls“ kundgebe, daf 
ich in Deutschland äne Neaction gegen' 1866 vollziehe, iritt eine 
Torrespoudenz in den Debats“ entgegen, der wir Einiges ent⸗ 
nehmen, weil sie die Meinung einer immerhin beträchtlichen Meng 
besonnener und gufgeklärter Franzosen abspiegelt. „Ohne JIweifel 
sagt der Berichterstatter u. a. — ibtes mehr als einer 
Deutschen. der mit dem egenwärtigen!“ Zustand seines Vaterlande⸗ 
anzufrieden ist, den ær dach so tang ersehnte, den er für so schön 
hielt, so bangererenur eie einfacher Traum watr. Aber es ist 
darum nicht minder wake: müßten die Deutschen zu dem vorhe— 
cigen Zustand der Dinge zurückkehren, sie Awürden ein: ähuliches 
Befühl empfinden, wie wir es empfinden, wenn man uns vor 
chlüge, auf die Telegraphyen und Eisenbahnen zu verzichten, deren 
invoslkommente Einrichtung und theuere Preise uns doch zu so 
autem Geschrei veranlassen. .... In den annectirten Ländern 
ind' alle junge Leute, welche der Ärmer angehört haben, und 
yesonders die jungen Lente der wohlhabenden Klassen endgiltig 
ür die nationale Sache gewonnen. Es ist ebenso mit den Offi— 
ierscorps des Südens, welche lieber nicht in mikroskopischen 
Irmeen dienen wollen; mit den gelehrten Körperschaften, welche 
in diesen Ländern so einflußreich sind und in der That ebenso— 
giele preußische Missionen für die außerhalb des Bundes geblie— 
henen Theile Deutschlands abgeben. Die leidenschaftliche und 
hätige Propaganda: der Priester und Frauen vermag nichts 
jegen die regelmäsßige, langiame, zähe, unermüdliche Thätigkert 
ieser großen Kräfte, die um so mächtiger sind, weil sie sich auf 
Zrincipien stützen. Sie haben triumphirt unter weit schwierigeren 
Lerhältnissen, da sie' durch die preußische Regierung selbst be— 
ämpft wurden; sie haben die Einigung Deutschlands von 1839 
dis 1866 vorbereitet. Man kann diesen Zustand der Dinge be— 
dauern, aber es wäre unnütz, ihn zu leugnen und sich in Illu⸗ 
ionen zu wiegen. Ob man es wolle oder nicht wolle, Deutssch— 
and ist gemacht 42