Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Zcnzeiger. 
der St. Ingberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatie verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags-, Donnerstags- und Sonntags 
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Pr. 86. J Samstag, den 8. Juni. 1869. 
Dentschland. 
München, 30. Mai. Zu den dieszjährigen größeren 
ebungen wird die Artillerie brigradenweise das Lager auf dem 
dechfelde beziehen, und je vier Wochen verbleiben; die 2. Artille— 
riebtigade (2. und 4. Regiment) beginnt ihre Uebungen in den 
letzten Tagen des Juni und beendigt dieselben am 25. Juli 
hom 26. Juli bis 22. August wird die erste Brigade (1. und 3. 
Artillerieregiment) auf dem Lechfelde concentrict sein. Jede 
Brigade wird durch ihren Commandanten, die 1. durch General⸗ 
najor Herdegen, die 2. durch Generalmajor v. Steinsdorf 
rommandirt.— 
München, 2. Juni. Fürst Hohenlohe reist heute, 
Herr von Schhör morgen zum Zollparlament in Berlin. Din 
xkEirsteren vertritt während der Dauer der Abwesenheit Staatsrath 
9. Daxenberger, den Letzteren der Culturminister v. Gresser. 
München, 4. Juni. Gestern Abend ist das neapolitanische 
Nönigspaar hier eingetroffen. ae dete 
Dienstesnachrichten. 
Die katholische Pfarrei Kirrweiler, Bezirksamts Landau, ist 
dem Priester Johannes Köhr, Pfarrer in Dudenhofen, Bezirks⸗ 
amts Speyer, verliehen worden. 
Karlsruhe, 2. Juni. Der „Karlsr. Ztg.“ zufolge 
hat der Großherzog beschlossen, der in den Adressen der ultra— 
montanen Partei gestellten Bitte um Auflösung der Ständever⸗ 
sammlung und Einberufung eines außerordentlichen Landtags keine 
Jolge zu geben. 
Hanau, 28. Mai. Dem „Schw. Merk'“ wird geschrieben 
Schon seit längerer Zeit besteht ein sehr kameradschaftliches Ver— 
hältniß zwischen unseren preußigen Offizieren und den bayrischen 
im benachbarten Aschaffenburg. So sahen wir auch am letzten 
Zonntag wieder eine größere Anzahl baherischer Offiziere hier in 
hanau und Jedermann freute sich, daß die, welche sich vor 
aum 3 Jahren so erbittert gegenüber gestanden hatten, jetzt so 
reundschaftlich Arm in Arm im ausgeprägten Bewußtsein ihrer 
Zusammengehörigkeit als deutsche Offiziere durch die Straßen 
zogen. Bis spät in die Nacht hinein blieb man zusammen und 
manch patriotisches Wort wurde gewechselt. Was den Schreiber 
dieser Zeilen als Augen- und Ohrenzeugen, am meisten freute, war 
die Erbitterung, mit welcher die baherischen Offiziere, noch unter 
dem Eindrucke der letzten Wahlen, von ihren Ultramontanen, der 
ogenannten Patrioten-Partei, sprachen. In der ganzen bayer⸗ 
schen Armee herrscht nach ihren Mittheilungen die größte Abneigung 
zegen die schwarze Gesellschaft, und es wurde lebhaft“ bedauert 
daß dieselbe immer noch einen starken Anhang unter der Landbe 
yöͤllerung einzelner Provinzen besitze. 75 J 
Berlhin, 2. Juni. Die „Provinzial⸗Corresp.“ führt unter 
den dem Zollparlament zu machenden Vorlagen auf: Zolltarif, 
Besteuerung des Zuckers, Zollordnung, Handelsverträge mit der 
Schweiz und mit Japan. Falls Graf Bismarck verhindert sein 
ollte, wird die Eroffnung durch Herrrn Delbrück erfolgen. — 
Der Reichstag wird wahrscheinlich aoch im VLauf dieser Woche 
geschlossen werden. In seiner heuͤtigen Sitzung wurde der Antrag 
von Wiggers, die Gleichberechtigung der Confessionen in bürgerlicher 
und staalsbürgerlicher Beziehung betreffend, angenommen. Der 
Bundescommiffär erklärt, der Ausschuß des Bundesraths habe 
inen mit dem Antrage im Wesentlichen übereinstimmenden Bericht 
erstattet. In der zvriten Berathung des Gesetzentwurfes, die Be— 
ichtigung des Staͤntshaltsetats des norddeutschen Bundes für 
1868 guf :22,483 4381 Thir. feststellt und Rechnungsbelegung 
vorbehalten wird, genehmigt. Ebenso wird ein Antrag Hacks 
den Bundeskanzler aufzufordern, geeignete Schritte zur Herbei— 
ührung des Abschlusses von Jurisdichonsverträgen mit den süd— 
deutschen Staaten zu thun, angenommen. —3* 
Berlimn« 3. Juni. Heule fand die Eröffnung des Zollpar⸗ 
amentes statt. Der Alterspräsident v. Frankenberg begruͤßte die 
üddeuischen Abgeordneten und ließ die Mitglieder in Abtheilungen 
»erloosen. Bis jetzt sind 231 Abgeordnete angemeldet. Ein 
-„chreiben des Bundeskanzlers zeigt den Mitgliedern des Zollpar⸗ 
amentes an, daß ihnen Portofreiheit gewährt sei. Morgen 
Zräsidentenwahl. (In der Abends vorher gehaltenen Sitzung des 
zollbundesrathes kam eine Mittheilung Bayerns über den Malz⸗ 
mischlag vor; unter den Präsidialvorlagen befindet sich eine über 
die Zollereditfrist und eine über die weitere Ausbildung der Stati⸗ 
tik des Zollvereins.. 
Der Reichstag nahm heute ohne Debate in erster und zweiter 
Lesung den Militär⸗Freizügigkeilsvertrag mit Baden an. Bennigsen 
begrüßte denselben als der nationaben Gesinnung Badens, die sich 
auch in der Zuschrift des Großherzoges an seinen Minister anläß— 
lich der Offenburger Adrefsse kundgethan habe. Bennigsen hofft, 
daß das entschlofsene Vorgehen Badens dazu dienen werde, auch 
in den übrigen Südstaaten die nationalen Elemente zu stärken. 
Hessein? Zu der auf den 31. d. M. in Worms einberu⸗ 
enen Versammlung deutscher Protestanten sind am 30. v. M. 
zereits zahlreiche Gäste eingetroffen, darunter Blumschli, Schenkel, 
dolzendorf, Lisko, ferner Zittel und Schellenberg aus Heidelberg, 
Manchot aus Bremen, Fresenius aus Wiesbaden, Thudichum und 
Ohly aus Darmstadt und andere. Die Straßen und Häuser von 
Worms sind mit Fahnen geschmückt, vorherrschend mit den hessischen 
und den norddeutschen Bundesfarben.“ Eine am 80. v. M. nach⸗ 
mittags im Casino abgehaltene Vorversammlung beschloß mehrfache 
Aenderungen des Programms. Die für denselben Abend beabsich— 
igte Beleuchtung des Lutherdenkmals unterblieb, ebense am Mor⸗ 
jen des 31. v. M. der Festzug nach dem Denkmal, beides besonders aus 
ttücksicht für die das Denkmal umgebenden Anlagen. An fftelle 
dessen fand am 30. v. M. eine Beleuchtung der Dreifaltigkeitskirche, 
ind am 31. v. M. um 10 Uhr vormittags ein Festzug nach der⸗ 
elbigen Kirche vom Casino aus statt. — Der Wortlaut der Er— 
lärung, welche dieser Protestantenversammlung vorliegt, ist fol⸗ 
Jender: 1) Wir, die heute in Worms versammelten Protestanten, 
ühlen uns in unserm Gewissen gedrungen, bei voller Anerkenung 
der Gewissensrechte unster katholischen Mitchristen, mit denen wir 
in Frieden leben wollen, aber auch in allem Bewußtsein der reli— 
Jiösen, moralischen, politischen nnd socialen Segnungen der Refor⸗ 
nation, der wir uns erfreuen, gegen die in dem sogenannten 
wpostolischen Schreiben vom 18. September 1868 an uns gerichtete 
Zumuthung, in die Gemeinschaft der römisch-katholischen Kirche zu— 
rückzukehren, öffentlich und feierlich Verwahrung einzuülegen; 2) 
mmer gern bereit, auf den Grundlagen des reinen Evangeliums 
mit unsern katholischen Mitchristen uns zu vereinigen, protestiren 
vir heute noch eben so entschieden, wie vor 350 Jahren Luther 
in Worms und unsere Väter in Speyer, gegen jede hierarchische 
and zristerliche Bevormundung, gegen allen Geisteszwang und 
Gewissensdruck, insonderheit gegen die, in der päpstlichen Encyclica 
vom 8. Dezember 1864 und in dem damit verhundenen Syllabus 
zusgesprochenen staatsverderblichen und culturwidrigen Grundsätze; 
) unseren katholischen Mitbürgern und Mitchristen reichen wir, 
zier am Fuße des Lutherdenkmals, auf den uns mit ihnen gemein⸗ 
samen Grundlagen des christlichen Geistes, der deutschen Gesinnung 
und der modernen Cultur die Bruderhand. Wir erwarten dagegen 
don ihnen, daß sie zum Schutze unserer gegenwäcrtig bedrohten 
zöchsten nationalen und geistigen Güter sich uns anschließen merden, 
im Kampfe gegen den nus mit ihnen gemeinsamen Feind des reli— 
zJiösen Friedens, der nationalen Einigung und der freien Cultur— 
entwickelung; 4) als Hauptsache' der religiösen Spaltung, die wir 
beklagen, erklären wir die hierarchischen Irrthümer,“ iusbesondere 
den Geist und das Wirken des Jesuitenordens, der den Protestan- 
ismus auf Leben und Tod bekämpft, jede geistige Freiheit unter— 
rlickt, die moderne Cultur verfälscht und gegenwärtig die römisch- 
latholische Kirche beherrscht; nur durch entschiedene Zurückweisung 
er seit dem Jahre 1815 erneuerten und fortwährend gesteigerten 
ierarchischen Anmaßungen, nur durch Rückkehr zum reinen Evan— 
selium und Anerkennung der Errungenschaften der Cultur kann die