Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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der St. Ingberter Anzeiger (und das mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags-, Donnerstags⸗ und Sonntags⸗ 
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Ner. 900d. Samstag, den 12. Juni. 11869. 
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Deutschland. ee 
München, 9. Juni.“Das k. Finanzministerium hat zu 
der Verordnung vom 6. April 1869, die Anstellung von Unter— 
fficieren, Gendarmen und Soldaten im subalternen Civildienste 
Fett., und zu der hierauf bezüglichen Instruction des Staatsmini— 
zeriums des Innern instructive Bestimmungen erlassen. — Vom 
Kriegsministerium ergingen Bestimmungen über Vornahme der 
Inspicirungen. 
H Wie der Pf. Kurier aus Ludwigshafen schreibt, wird 
der baverische Landtag wahrscheinlich in den ersten Tagen der 
zweiten Hälste des Monats September einberufen werden. J 
Frankreich. 
Paris, 9. Juni. Geslern Abend gegen 1192 Uhr war 
der Bonlevard Montmartre abermals der Schauplatz von Unruhen. 
die Menge rief „vive Rochefort“, die Marseillaise wurde gesungen, 
ind erst gegen 1. Uhr war die Ruhe hergestellt, nachdem einige 
Verhaftungen vorgenommen worden waren. Ein anderer von 
Belleville herkommender Volkshaufen zerschlug die Gascandelaber 
und beging andere Unordnungen, so daß er von Siadtsergeanten 
zerstreut werden mußte. Auch hier fanden mehrfache Verhaftungen 
zatt. Aus den Departements werden ebenfalls tumultuarische 
Auftritte gemeldet. In Nautes wollten die städttischen Arbeiter 
nicht zugeben, daß der Regierungscandidat Gaudin durch die 
Ztimmen der ländlichen Wähler die Majorität erhalten habe; 
e plünderten die Waffenläden, es kam zu Zusammenstößen mit 
)en Truppen, welche große Mäßigung bewiesen, so daß nur wenig 
Verwundungen vorkamen. Von Tours gingen Truppen per Eisen 
dahn zur Verstärkung der Garnison in Nantes ab,“'welche feit 48 
Stunden unter Waffen steht. In Bordeaux mußte die Gendarmerie 
die Ordnung hetstellen und es wurden einige fünfzig Personen 
Derhaftet. 
Paris, 11. Juni: Gestern wiederholten sich die Unord— 
nungen auf dem Bonlevard Montmartre, auf dem Stadthausplatz 
ind anderwärts. Die Volkshaufen wurden überall zurückgeworfen 
und zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Die Passage nach 
dem Montmarkre wurde durch Cavalerie abgesperrt. 
Im „Rappel“ findet sich unter der Ueberschrift „Versprechen 
es Gefangenen von Ham?* folgender Artikel: Vor fünfund⸗ 
wanzig Jahre, im Jahre 1844, schrieb ein junger Mann, der 
zinen legendartigen Ramen trug, Folgendes auf den Tisch eines 
Gefängnisses: ,Die arbeitende Klasse besitzt nichts; man muß sie 
uum Besitzer machen. Sie hat keinen andern Reichthum als ihre 
Arme, man muß ihren Armen eine für alle nützliche Anwendung 
geben. Sie ist wie ein Volk von Heloten inmitten eines Volkes 
bon Sybariken. Man muß ihr einen Platz in der Gesellschaft 
eben und Ihre Interessen an diejenige des Bodens knüpfen. Sie 
st endlich ohne Organisation uud ohne Band, ohne Rechte uud 
»hne Zunkunft; man muß ihr Rechte und eine Zukunft geben.“ 
— Diese Zeilen gehören zu einem Werle, welches unter dem Titel: 
Ausrottung der Armuth“ veröffentlicht worden ist. Die Hand, 
die sie schrieb, ift die allmächtige Hand, die seit achtzehn Jahren 
alle Gesetze und alle Deceete unterzeichnet, die in das officielle 
Journal aufgenommen werden. Seit achtzehn Jahren! Und 
der Arbeiter, den man zum Besitzer machen mußte, besitzt immer 
noch nichts! Und man sehe nur, wie die Armuth apsgerottet ist, 
deren Ausroftung als nohwendig erklärt wurde! Ist denn das 
Versprechen des Gefangenen von Ham ein so geringes für den 
herrn der Tuiterien ?“ 
Das internationale Schützen⸗ und Turnerfest in Straßburz 
hat am 6. ds. seiunen Anfang genommen und war von einer gro— 
hen Meuschenmasse besucht. “Wie im vorigen Jahre hat auch 
diesmal der Genercil in Straßburg alles mög'iche gethan, was 
dem Feste hinderlich sein konnte. So nurde ein Zug der Schü— 
zen und Turner durch die Stadt unterjagt ꝛc. 
Nach frauzesischen Zeitungen wurde kürzlich auf den Minister 
brim in Spanjen ein Mordversuch gemacht, indem sich drei 
Männer, mit Siricken und Tüchein versehen, in der Nähe seines 
Schlafzimmers verborgen hatien. Durch das Umfallen eines 
Stuhles wurde man aufmerksam und so die Gefahr abgewendet. 
Schweiz. 
Der große Rath in Bern, der in diesem Frühjahre bereits 
)as Referendum eingeführt und ein neues Wahl- und Ab— 
tinmungsrecht angenommen hat, hat jetzt auch die Einführung 
zer obligatorischen Civilehe und die Uebertragung der Civilstands- 
register an die weltlichen Beamten besschlossen. Das Gesetz 'muß 
roch dem Referendum unterbre itet werden. (Die Landgemeinde in 
Zürich hat nur die facultative Cidilehe beschlossen und die Führung 
der Civilstandsregister dem Geistlichen überlassen. 
England. * 
London. Ueber die Rolle, welche Rapaleon im ameri⸗ 
anischen Kriege spielte, äußerte sich jüngst ein Mitglied der 
englichen Regierung, Forster, in einer öffentlichen Rede. Nach 
zemselben hatte damals Napoleon an England das Annsinnen 
Jestellt, sich mit ihm zur Ausführung seiner ehrgeizigen Absicht zu 
dereinigen und sich mit ihm zusammen auf Seite des Südens zu 
deslen. Nach Louis Napoleons Entwurf sollte der Sturz der 
mexicanischen Republik die Einleitung bilden zum Sturze der 
LUnion. In Mexico sollte zuerst militärisch Fuß gefaßt, der Jeffer— 
son Dabis'schen Rebellion gewissermaßen der Rückhalt geschaffen 
verden. Es war der andauernde Widerstand der mexikanischen 
Inabhängigkeits-Partei, der den Plan an der raschen Zeitigung 
berhinderte. »5 166 
aeeItalien. 
Die officiöse italienische Corresponden; ist in der Lage, aus 
en 13 Artikel des Prozramms für das ökumenische Concil fol— 
jendt 3 anzuführen; „Die von allen Bischöfen im General-Concil 
hestäligte Doctrin von der moralischen Nothvendigkeit der welt— 
ichen Gewalt des Papstes wird' dieheilsamste Wirkung auf die 
Ansichten der Fürsten und Völker üben, die Macht der Kirche 
hefestigen und bewirken, daß ihr die von der Revolution ujusr⸗ 
dirten Provinzen wieder zurückgegeben werden; das Dogma von 
der Unfehlbarkeit des Papstes und seiner Suprematie über das 
zkumenische Concil wird ausgesprochen werden; das Concil wird 
»en unzählichen Mißbräuchen und den rügenswerthen Gewohn⸗ 
jeiten, die sih in gewissen Kirchen, in gewissen Reichen und auch 
n einigen geistlichen Orden eingeschlichen haben, ein Ende machen.“ 
Begen solche Thesen erhebt sich in gut katholischen Kreisen Deuitsch⸗ 
sands bedeutender Widerspruch, wie eine von Coblenzer Katholiken 
n Umlauf gesetzte Adresse an den Bischof von Trier zeigt. Auch 
in Karlsruhe ist jüngst ein Aufruf von gleicher Richtuug an die 
zadischen Katholiken erschienen. 
Amerika. 
New⸗Yorl. Die Legistatur von New-Pork hal die 
Ermächtigung zum Bau einer unterirdischen Stadt-Eisenbahn der 
City Central Undergronnd Railway“ ertheilt, welche theils ganz. 
»der wo dies nicht thunlich, halb unter der Erde von City-Hall— 
Park auf der Ostseite der Stadt bis zur Brücke über den Harlem— 
Fluß führen wird. Binnen 2 Jahren ist der Bau zu beginien 
und innerhalb 5 Jahren zu vollenden. 
Vermischtes. 
QNaiserslautern. Von dem Comite für das 2. pfälzische 
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„Der deuische Schützenbund feierte glänzende Nutionalfeste in 
Frankfurt a. M., Bremen und Wien, welche im ganzen deutschen 
Volke freudig begrüßt wurden und mächtigen Wiederhall fanden. 
Zeine Nation kann sich solcher Feste rühmen! In allen Gauen 
ruseres großen Vat erlandes wird die Bedeutung des Schützen- 
wesens anerkannt, das neben der Uebung des Kerns der deutschen 
Zürgerschaft in den Waffen, zugleich Trägerin des nationalen