Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anwendbarkeit des neuen Berggesetzes genauer begrenzt, hauptsächlich 
der Uebergang aus dem seitherigen Rechtszustande in den neuen 
unter Wahrung der wohlerworbenen Rechte vermittelt und das 
BergeRegale aufgehoben. 
Sgermischtes. 
FZweibrücken, 25. Jan. Herr Dr. Schmitt von 
München ist gestern von hier abgereist. Sehr eingehend hat 
derselbe das diesseitige Gerichtsverfahren kennen zu lernen gesucht. 
Wie wir hören, hat dasselbe einen sehr günstigen Eindruck auf 
ihn gemacht und soll er insbesondere auch mit dem Institute der 
Huissiers äußerst zufrieden sein. Von einem hiesigen kgl. Gerichts- 
boten ließ er sich Formulare aller Gattung behändigen, um 
solche bei Einführung dieser Beamten im jenseitigen Bahyern 
entsprechend zu verwerthen. Von diesem Zeitpunkt an wird 
sicher in der Pfalz die Benennung „Gerichtsbote“, die für 
die wichtigen Funktionen dieser Staatsdiener wohl nicht ge⸗ 
eignet erscheinen dürfte, schwinden, und werden solche, wie dies 
auch in anderen Ländern der Fall, den Titel „Gerichtsvollzieher“ 
erhalten. 
Sschiferstadt, 23. Jan. Heute starb dahier einer 
der wenigen Veteranen der großen Armee, Moritz Langknecht im 
hohen Alter von 83 Jahren, ohne je einmal krank gewesen zu 
jein. Bis zu seinem Lebensende behielt er seinen klaren Verstand 
und erzählte mit Begeisterung von den Schlachten und Märschen, 
die er in den Reihen der großen Armee und namentlich in dem 
deukwürdigen Feldzuge in Spanien, woselbst er alle Schlachten 
mitfocht und wegen schwerer Verwundung lange Zeit außer Dienst 
zu bleiben genöthigt war, durchlebte. Noch die letzte Viertelstunde 
feines Lebens brachte er auf dem Schlachtfelde zu. Für seine 
Tapferkeit erhielt er vielfache Belobungen und bezog seit 1814 
Pension. Er war mit 3 Frauen verehelicht, die er alle überlebte, 
und folgen ihm die Segenswünsche seiner Kinder, Enkel und 
Mitbürger in das Grab. 
f Aus Würzburg berichtet man, daß daselbst am 13. d. 
Nts. der 152 jährige Schuhmacherlehrling J. M. Froneis, der 
am 10. August v. J. die Scheune seines Meisters in Brand 
steckte, in Folge dessen 38 Wohnhäuser, 44. Scheunen und 28 
Stallungen niederbrannten, vom Bezirksgericht zu 498 Jahren 
Gefängniß verurtheilt wurde. Als Motiv der That bezeichnete der 
jugendliche Verbrecher, er habe bei einem früheren Brande einige 
Tage nicht zu arbeiten gebraucht und sich also Feiertage machen 
wollen. 
fWiesbaden, 21. Jan. Vor kurzem ging durch die 
Zeitungen die unglaubliche Geschichte, ein Schullehrer sei, weil 
er einen Häring gegessen, von dem Schulrath Baher derartig 
angefahren worden — der Herr Schulrath wollte u. a. wissen, 
warum der Lehrer Häringe esse — daß der Lehrer seine Entlas⸗ 
sung gefordert. Wir wollen an solche Erbärmlichkeiten nicht glau⸗ 
ben und erwähnten die Sache zunächst nicht. Aus einem Wechsel 
von Erklärungen des Schulraths Bayer und des Lehrers Bauch 
ergibt sich aber jetzt im wesentlichen die Richtigkeit jener Zeitungs— 
angaben. Der Herr Schulrath wirft dem Lehrer zu häufigen 
Wirthshausbesuch vor, und es scheint, daß er in dem Verzehren 
eines Härings —aus bekannten, mit der Natur des „Katzenjammers“ 
des Lehrers zusammenhängenden Gründen — auf die Richtigkeit 
dieser seiner Anklage geschlossen. Letzterer erklärt den Wirthshaus⸗ 
besuch dadurch, daß ein Gesangverein, dessen Dirigend er ist, die 
Proben in einem Wirthshause abhalte und daß er, der Lehrer, 
dem Sohne des Besitzers eines andern Wirthshauses Clavierunter⸗ 
richt gebe. Der famose Häring aber bildete das Frühstück, wel⸗ 
ches dem Lehrer täglich von seinem Hauswirth geliefert wird. 
Nach alle dem bleibt die Thatsache bestehen, daß ein preußischer 
dehrer unach der Meinung des Herrn Schulraths Bayher keine 
Haͤringe essen darf, will er sich nicht eine Behandlung zuziehen, 
welche ihn zum Austritt aus dem Schuldienste nöthigt. 
Uleim, 19. Jan. Vorgestern Nacht geschah ein frecher Dieb— 
stahl in einem bayerischen Gepäckwagen. Unter den Frachtstücken, 
die nach München zu befördern waren, befand sich auch ein Fäß⸗ 
chen mit Postentschädigungsgeldern, die Württemberg an Bayern 
herauszuzahlen hatte. Es soll einige tausend Gulden enthalten 
haben. Dieses Fäßchen wurde nedst den andern Frachtstücken 
übernommen und in den dazu bestimmten Wagen des Bahnzuges, 
der am andern Morgen früh abgehen sollte, eingeladen. Dann 
wurde die Thür verschlossen und mit der Plombe versehen. Auf 
dem Wege von Neu⸗Ulm nach Hunzonrs wurde enldeckt, daß das 
Fäßchen fehle. Wahrscheinlich hat es der Dieb in der Nacht auf 
dem Ulmer Bahnhof noch geholt. 
f Iun Kirchheim (Kreis Schwaben) trank bei einem 
Leichenschmause ein —jähriger Knabe so viel Bramiwein, doß er 
am nächsten Tage am Starrkrampfe starb. 
rEinglückliches Dorf. Im Dorfe Radensleben 
Kreis Ruppin in Preußen) mit 500 Einwohnern ist im ver⸗ 
jangenen Jahre Niemand gestorben. Dies ist seit 1708, also 
eit 160 Jahren, nicht der Fall gewesen. Während damals nur 
3J Kinder geboren wurden, sind im Jahre 1868 die doppelte 
Zahl, nämlich 18 geboren. 
Die Berl. Staatsbürgerztg.“ erzählt, daß der ceistliche 
Thef der Berliner französischen Gemeinde, Oberkonsistorialrath 
Dr. Fournier, auf Grund eines anonymen Schreibens sich gewei⸗ 
jert habe, an einem bereits vor dem Altare stehenden Brautpaare 
zie Einsegnung zu vollziehen, wenn die Braut sich nicht des Kran⸗ 
es entledige, und daß derselbe — als dies geschehen — mit den 
in die Braut gerichteten Worten: „Meine Tochter, was hast Du 
zethan?“ derselben vor allen Trauzeugen einen Schlag ins Gesicht 
zersetzt habe. (Warum sollte der Mann nicht so handeln, wenn 
er Leut findet, die sichs gefallen lassen ) 
f Der Herzog Karl von Braunschweig, der 1830 Krone und 
dand verlor und sich in England und Frankreich durch seine 
Absonderlichkeiten bekannt machte, soll nach einer der berliner 
„Tribüne“ aus Braunschweig zugegangenen Nachricht, in Paris 
gestorben sein. 
F In Kirchheim (r. Sachsen) ist der Kassier einer 
Schultze⸗Delitzsch'schen Genossenschaftsbank mit einem Kassadefect von 
52,000 Thlrn. verschwunden. 
7 Wien, 23. Jan. Der Chef des Hauses Rothschild in 
Wien, Herr Baron Anselm von Rothschild, hat dem Vorstande 
er israelitischen Cultusgemeinde 200,000 ss. zum Baue eines 
—A V 
inden sollen, angebdten. Es wird nur die Bedingung daran 
jeknüpft, daß am Giebel des Hauses der Name des verstorbenen 
Zaters, des Herrn Salomon Freiherrn von Rothschild, ange— 
)racht werde. 
F Paris, 20. Jan. Die kaiserliche Thronrede zählte 
[200 Worte. Sie wurden telegraphirt: Nach London in 14 
Ptinuten (mittelst 4 Apparaten); nach Berlin in 1 Stunde 20 
M.; nach Florenz in 1 St. 40 M.; nach Brüssel in 45 M.; 
nach Wien in 1 St. 50 M.: nach Lyon in 20 M.; nach Mar— 
eille in 28 M. Auf den beiden letztgenannten Linien bediente 
nan sich des Apparates Hughes. 
F Die Straße, welche in Paris seit langen Jahren den 
Namen Söͤguier hrug, ist in Folge des Auftretens des Nachkom⸗ 
nen des berühmten Rechtsgelehrlen umgetauft worden: sie hat 
etzt den Namen Alba (Rue d'Albe) erhalten. 
Der Kapellmeister Gilmore in Boston gedenlt mit Nächstem 
ein Monstre⸗Concert zu veranstalten, von dem man kühn behaup⸗ 
ten kann, daß es „noch nie dagewesen“*“ ist. Dasselbe soll im 
ommenden Juni auf einem freien Platze bei Boston Statt 
inden, mit einem Orchester von 1000 Instrumenten und 
einem Chor don 10,000 ausgewählten Sängern und Sängerin- 
nen aus allen Theilen des Landes. Zuir Unterstützung der 
Thöre soll der Kanonendonner verwendet werden, indem 
eine zu diesem Behufe aufgestellte Batterie durch Electricität abge⸗ 
euert wird. 
In Portland, Mayne, baut sich ein zweiter Noah eine 
Urche (sie kostet 6000 Doll.) weil er steif und fest glaubt, daß 
aächstens eine neue Sündfluth losgehen werde. 
f Eclavenschiff.) Ein englisches Kanonenboot begegnete an 
»er ostafrikanischen Küste einem Sclavenschiffe und enterte es nach 
ꝛiner zweistündigen Jagd. Das Schiff hatte bei nur 100 Tonnen 
Behalt in einem Raume 190 Sclaven eingepfercht. Viele der⸗ 
elben waren so schwach, daß sie von den Matrosen aus einem 
Schiffe in das andere getragen werden mußten. 
Volkswirthschaft, Handel und Verkehr. 
Eine Ausstellung von Maschinen, Utensi— 
ien und Producten der Müllerei, Bäckerei 
und der mit diesen Branchen in directem Zu— 
sammenhang stehenden Landwirtschaft wird im 
Mai und Juni d. J. zu Leipzig stattfinden und verspricht 
einer Uebersicht der bereits getroffenen Vorbereitungen zufolge 
großartig und von practischem Interesse zu werden. Sämmtliche 
Begenstände werden von einer Jury geprüft und die für würdig 
vefundenen prämiirt werden. Anmeldungsformulare und Pröospecte 
ann man von Herrn E. Eisenreich in Neuschönefeld bei Leipzig, 
Dampfmühlenbesitzer und Vorsitzender des Ausstellungscomites, 
gratis, wie auch jede sonstige Auskunft erhalten.