Full text: St. Ingberter Anzeiger

mn der Borse und die Leute waren zufrieden. Diese Zuftiedenheit 
würde zur allgemeinen Freude heranwachsen, wenn das Gerücht 
ich befatigte. So eminent friedlich aber auch die politische Lage 
Furopas sein mag, so muß bis auf Weiteres an der Ansicht, welche 
n dieser Stelle bereits Ausdrud erlangt hat, festgehalten werden, 
aß in dem Programm einer europä schen Conferenz oder eines 
uropaischen Furstencongrefses, wofern sie oder er überhaupt zu ˖ 
ammentreten sollten, von einer allgemeinen Entwaffnung nichts 
nthalten sein dürfte und zwar gerade im Hinblick auf die inneren 
Zuftände Frankreichs. Das schließt Beurlaubungen im groößdenk⸗ 
zaren Maßstabe nicht aus und wenn Preußen eine dahin gerichtete 
xrbffnung nach Paris hat gelangen lafsen, so haben Sparsamkeits- 
rückfichten den Ausschlag gegeben, denn der Finanzminister wird 
ich mit dem Gedanken vertraut machhen müssen, von der Militär⸗ 
erwaltung mehr als 5 Millionen Ersparnifse zu fordern, um das 
Deficit zu decken, wofern er gegen die Veraäußerung von Domänen 
pponiri und der Reform der Finanzverwaltung abgeneigt bleibt. 
Bielmehr als mit den Entwaffnungsgerüchten beschastigt man fich 
n politischen Kreisen mit den sozialistischen Agitationen in Franl⸗ 
reich und Belgien. Sollte die Untersuchung über die Vorfälle in 
SüAubin ergeben, daß äußere Einflüsse die unglüdliche Kata- 
trophe dort herbeigeführt haben, so dürfte für die Regierungen 
‚er Uugenblick gekommen fein, sich diese Agitotionen naher 
u besehen. * 
Wien, 13. Oct. Die Genxcalversammlung der 
deutschen Schillerpiftung hat Weimar zum Veororte 
zewuhlt. dm* . . 
Frankreich. 
Pariss, 11. Oct. Der alte, katholische Adel Frankreichs 
heabsichtigt, aus seinen Mitgliedern eine Ghrenwache Sr. papstli⸗ 
hen Heiligkeit für die Dauer des TConcils auf eigene Kosten 
zn bilden. 
Baris. Eine neue, unerhört kühne Kundgebung. Die 
Roforme“ drudt die Resolution des französichen Senates vom 
. April 1864 ab, durch welche Ropoleon J. und seine Erben 
für des Thrones verlustig erkläärt wurden und beaniragt für den 
26. Oktober folgende analoge Entschließung: 
Napoleon der III. har Steuern ohne geseßliche Genehmigung 
eingeführt, namentlich auf den Tabafff. 
Napoleon II. hat soeben ohne Nothwendigkeit den gesezgeben⸗ 
den Körper, noch ehe er sich constituirt hatte. anfggelöst und zwar 
in einem Augenblick, da Frankreich durch mehr als vier Millionen 
Stimmen erklärt, daß es seine Regierungsart verundern will, da 
Ale Geschäfte in Foige des Mangels an Vertrauen unterbrochen 
ind, da man sich durch einen heuchlerischen Trug das Ansehen 
gab, die Befugnifse des gesetzgebenden Körpers erweitern zu 
wollen. 
Napoleon Ul. hat die Verfassung verlezi, namentlich den 
Artiklel 46, welcher ihm die Pflicht auferlegt, das Laud iemaels 
anger als sechs Monate seiner Vertreiung beraubt zu losen. 
Napoleon U. hat beständig die Prefse der Willtur seiner Po-⸗ 
lizei unterworfen: die Gensur besteht noch heute für die Illuktra⸗ 
ionen, nuud die scheinbare Freiheit, deren sich die Blätter erfreuen, 
ist eine bloße Toleranz, vielleicht ein Fallstric, da sie durch kein 
Geseß verbürgt ist. 
Napoleon III. hat sich geweigert, in Mexico, namentlich in 
Soledad, auf Grund von Bedingungçgen zu unterhandeln, welche 
ihm das nationale Interesse anzunehmen gebot und die nicht nur 
die Ehre, sondern auch die Interessen Frankreichs unverleht 
ließen. 
Napoleon UI. hat Mißbrauch mit allen Mitteln getrieben, die 
hm an Mannschaften und an Geld anvertraut wurden. Er hat 
Hundertlausende von Menschen und Millionen von Franten in 
mexico verschwendet, um die Rückzahlung einer Schuld von eini⸗ 
zen Millionen zu erwirken, deren größter Theil unter der Hand 
don seinem vertrauten Minister und Herzensfreunde Morny auf—⸗ 
gekauft waren. 
Napolton Dl. hat Verwundete ohne Pflege im Stich gelassen, 
namenilich bei Solferino, wo der Ambulanzdienst so schlecht orga⸗ 
aisirt war, daß viele Verwundete über 24 Stunden auf dem 
Schlachtfelde und über 48 Stunden in den Hospitälern liegen 
blieben, ohne von den Aerzten besichtigt zu werden. 
Napoleon III. hat verschiedene Maßregeln getroffen, welche 
den Ruin gewieser Stadte, die sich, um seine Zerstoͤrungslaune zu 
zefriedigen, über das Maß verschuldet haben, zur Folge haben 
werden. Er hat das flache Land entvölkert, indem er die Arbei⸗ 
durch eine künstliche Erhoͤhung der Loͤhne nach den Städten 
lockte. 
In Erwägung, daß der offenbare Wunsch des französischen 
Volkes nach einer anderen Ordnung der Dinge derlangt, welche 
den allgemeinen Frieden wieder hetstelle und die Abschaffung der 
aermanenten Armeen gestatte, welche über 600 Millionen jaͤhrlich 
nerschlingen, wahrend der oͤffentliche Unterricht, das wahre Budgei 
des Volkes, nur 15 Millionen zu seiner Verfügung hat; 
in Erwägung, daß Napoleon Ul. seine eigene Vefassung ver⸗ 
eht hat, sind diejenigen, welche ihm den Eid geleistet haben, ihrer 
Treue entbunden und werden von Forcade la Roquette, Magne, 
deboeuf, Rigault de Genouilly, Lerour, Delangle (Duvergier H., 
Hourbeau, die verantwortlichen Minister Napoleon's I., welche 
leis um den Willen NRapoleon's III. thaten und thun durften, 
velche vor Napoleon I. allein verantwortlich und vor sechs Mo— 
zaten von Napoleon Ul. ernannt worden waren, welcher seit 18 
Jahren regiert, ..... für alle von Napoleon IUI. begangenen 
jicte in Anklagezustand versetzt.“ 
Paris, 12. Oct. Heute beg innt vor den' Asfisen der 
Proceß gegen die Unruhestifter aus den Junitagen, welche in die 
dände der Polizei gefallen sind. Aus den blosen Umstande, daß 
nan diese Angelegenheit nicht der Wohlthat der Amnestie hat 
heilhaftig werden lafsen, geht von Seiten des Minisiers das 
Beständniß hervor, daß jene Verbrecher der Politil fremd ind. 
Der 26. October macht immer noch von sich reden. Ferry soll 
zeute in verschiedenen großen Werkstätten erschienen sein, um die 
Arbeiter aufzufordern, sich an dem gedachten Tage ruhig zu ver⸗ 
alten. Es wird verfichert, daß jetzt schon die Anordnung getroffen 
ei, die Truppen in den Casernen zu consigniren und in Ver⸗ 
ailles mehrere Cavalerieregimenter bereit zu halten. Doch wewe 
ie Regierung nur im äußersten Nothfalle einschreiten. Unter di 
sationalgardisten circulirt seit mehreren Tagen eine Aufforderung, 
en Sicherheitsdienst der Stadt am 26. Ociober selbst in die 
hand zu nehmen. 
Paris, 13. Oct. Man liest in der „Patrie“: „Es komm 
ein Fackium zu unserer Kunde, welches, wenn es wirklich flatthat, 
eine große politische Bedeutung haben wird. Man versichert, 
daß der Sultan um der Kaiserin der Franzosen, dem Kaiser von 
Desterreich und den andern Fuͤrsten, welche ihre Absicht kundgege⸗ 
zen haben, sich nach Aegypten zu begehben, seine Huldigungen dar⸗ 
ubringen, jetzt den Beschluß gefaßt hat, in Person den Vorstz dei 
der Einweihung des Suez Canals zu führen. Der Sultan würde 
n diesem Falle von dem Großvezier und einem zahlreicher. Gefolge 
zegleitet werden. J 
Paris, 14. Oct. Die Nachrichten vom Auffinden des 
Jdeichnams von Vater Kindbestätigt sich nicht. 
Schweiz. 
Bern, 14. Oci. Gestern Abend wurde die Goithardscon⸗ 
erenz uach Unterzeichnung des Protokolls geschlossen. Die Got⸗ 
ards bahn darf als gesichert betrachtet werden. Die italienischen 
ud die schweizerischen Abgeordneten unterzeichnen heute einen 
Berlrag über die beiderseitigen finanziellen Leistungen, dem die 
ʒeutschen Conserenzstaaten später wohl ebenfalls beitreten. 
Italien. 
Mailand, 1. Oct. Die in den Junitagen verhafteten und 
n Genua und Alessandria eingekerkerten politischen Gefangenen 
depublikauischer Färbung aus Genua, Neapel und Mailand wurden 
uuu alle wegen Mangels an Beweis in Freiheit gesetzt. Ihre 
Freilassung wurde in demonstrativster Weise gefeiert. 
Spanien. 
Madrid, 11. Oct. Die Republikaner sollen morgen (in 
Balencia )) mit bedeutenden Streitkraften angegriffen werden. 
hestern wurden die Feindjeligkeiten auf zwei Siunden eingeftellt, 
im die Todten und Verwundeten wegzubringen. Mehr alg sieben 
Meilen der Eisenbahn sind zerstört worden. Saragossa ist ruhig. 
Während des Kampfes daselbst wurden 250 Menschen getodtet 
ind eine große Anzahl Häuser zerstört. 
Madribd, 13. Oct. Die Insurgenten von Valencia, haupt⸗ 
äachlich aus Bauern bestehend, haben sich aufs Land zurüchgezogen, 
vo sie sich befestigen. 18 Bataillone Regierungstruppen halten 
den größten Theil der Poovinz besetzt. Der Aufftand beschränk 
ich gegenwärtig auf Valencia, und einige kleine Banden durchziehen 
Aragon und Catalonien, doch kommen täglich Unterwerfungen vor. 
dein Truppencorps, lein Officier noch Soldat ist übergegangen. 
Die Banden Paul's und Salboechea's werden entmuthigt durch die 
Neinung, daß ihre Führer nach Gibraltar zu flüchten gedenken 
der Brigadier Caltpo besetzte Bispal, die Insurgenten flohen bei 
der Ankunft der Ariillerie. Die officielle Gazeite“ sagt: Der 
Veneral ⸗Capitain von Catalonien meldet die Unterwerfung don 
800 Insurgenten in der Provinj Tarragona, 2000 in Gerona. 
z00 in Lerida und 600 in Barcelsna. Eine Bande von 10009 
Insurgenten wurde bei Alcira geschlagen und verlor 61 Todte und 
30 Gefangene.