Full text: St. Ingberter Anzeiger

gegen den Beichtvater der Königin Isabella, den Pater Claret, 
eine Criminaluntersuchung im Gange, weil derselbe aus der Klo— 
sterkirche des Escurial mehrere kostbare Kirchengefäße entwendet 
hat, deren Werth man auf sieben Millionen Realen veranschlag! 
hat. Pater Claret ist aufgefordert worden, diese Schätze sogleich 
zurückzuerstatten, widrigenfalls man in Paris seine Auslieferung 
als die eines gemeinen Verbrechers verlangen wird. Es mag 
diese Thatsache mit zu den Motiven des Zorilla'schen Dekretes, 
das alle Kunste und Werthgegenstände von Klöstern ꝛc. ⁊c. als 
Staatseigenthum erklärt, gehört haben. 
Griechenland. 
Athen, 2. Febr. Der Rücktritt des Ministeriums Bul— 
garis ist Thatsache. Der Köonig ist entschlossen, die Conferenz⸗ 
Erklärung anzunehmen. Volksaufläufe finden statt, um den König 
in seinem Entschlusse wankend zu machen und zur Wiedereinsetzung 
des Ministeriums Bulgariens zu bewegen. — (Weitere telegraphische 
Notizen melden: Griechenland habe vor seiner Rückäußerung auf 
die Conferenzerklärung die vorgängige Zurückziehung des türkischen 
Uliimatams verlangt und Dank der Mäßigung der Pforte auch 
erlangt. Die übrigen griechischen Forderungen seien wesentlich 
gemildert worden. — Ferner: In Konstantinopel wolle man 
bereits bon einer definitiven Annahme der Conferenzerklärung von 
Seiten Griechenlands wissen.) 
Donaufürstenthümer. 
Belgrad, 3. Febr. Das Journal „Serbia“ constatirt 
in einem anscheinend inspirirten Artidel die Resultatlosigkeit (2) 
der Conferenz und stellt für den Fall eines türkisch⸗griechischen 
Krieges auch das wahrscheinliche Eintreten in Action Serbiens 
Bulgariens, Macedoniens, Bosniens, der Herzegowina und Mon⸗ 
tenegros in Aussicht. 
Vermischtes. 
Herr M. Escales in Zweibrücken hat einen Waggon 
Steinkohlen unter die dortigen Armen vertheilen lassen. 
F Waldfischbach, 1. Febr. Im benachbarten Orte 
Geiselberg ereignete sich dieser Tage eine scandalöse Scene. Ein 
19jähriger Bursche mißhandelle seine Mutter, sein Vater eilte 
zur Hülfe und erhielt nun von dem allen Gefühls baaren Sohne 
einige furchtbare Schläge, wahrscheinlich mit einem Feuerstahle 
Der Vater ist schwer verletzt und verliert vielleicht das Gehör 
Wie uns mitgetheilt wird, ist die Sache bereits gerichilich 
angezeigt. 
F Zu der am 3. d. M. in Speyer abgehaltenen Prüfung der Ein⸗ 
jährig-Freiwilligen hatten sich 62 junge Männer eingefunden. Das 
Thema: „Gedanken über das Reisen? bildete den deutschen Auf— 
satz. Die Fragen aus der Geographie lauteten: Welches sind die 
Grenzen des Norddeutschen Bundes * Ist es moͤglich, zu Wasser 
eine Reise um die Erde zu machen? Durch welche Meere und 
Erdtheile gelangt man hierbei und wie oft muß man, don Europa 
ausgehend den Aequator passiren? Aus welchen baherischen Pro⸗ 
dinzen erhält der Rhein Zuflüsse, und endlich: Welche bayerischen 
Städte haben über 20,000 Einwohner? 
F Würzburg, 27. Jan. Vor ungefähr 6 Tagen ver— 
ließ der Studirende der Würzburger Hochschule, Graf Max v. 
Seckendorf, Mitglied der Verbindung Bavaria einen Commerece 
derselben — und ist seitdem verschollen. Man vermuthet ein 
Unglück. Seine Familie ist trostlos. 
F München, 1J. Febr. In letzterer Zeit kamen dahier 
und wohl auch auswärts falssche einfache Friedrichd'ors 
mit Jahreszahlen aus den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahr⸗ 
hunderts in Umlauf, welche mit solcher Geschicklichkeit hergestell! 
sind, daß selbst erfahrene Geschäftsleute getäuscht wurden. Dieser 
Tage ist es nun gelungen, die hiesigen Verbreiter dieser Falsificate 
in der Person eines vacirenden Schuhmachergehilfen und seiner 
Geliebten, einer arbeitslosen Nähterin, welche in der Dachauer⸗ 
straße in komfortabelster Weise zusammenwohnten, zu ermitteln 
und zu verhaften; da die Erhebungen alsbald dringenden Ver— 
dacht ergaben, daß die Falsificate von dem Vater der Letzteren, 
einem bereits mehrmals wegen Falschmünzerei bestraften Gürtler⸗ 
meister in B. bei Krumbach fabrizirt wurden, so wurden sofor 
Beamte der hiesigen Polizeidirection dahin abgeordnet, welche 
nach Vornahme einer Haussuchung den Verdacht so bestärkt fan⸗ 
den, daß die Verhaftung des „Biedermannes“ erfolgen konnte. 
fFrankfurt, 1. Febr. Sonntag Morgen gegen 9 Uhr 
gelang es dem Besitzer einer hiesigen Schwimm⸗ und Bade⸗An 
stalt, Herrn Kleblatt, die Leichen der beiden Sachsenhäuser Mäd— 
chen vor dem Gitter des Winterhafens unter dem Eise aufzufin— 
den. Es bedurfte einer anstrengenden Arbeit bis man die beiden 
wohlerhaltenen Leichen an das Land schaffen konnte. Daß seiner 
Zeit die drei Sachsenhäuser Mädchen gemeinsam den Tod gesuch. 
und gefunden, steht außer allem Zweifel. Bei Lebzeiten 
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noch hatten sich die 8 Lebensmüden mit ihren Schürzen zusam— 
mengebunden, um durch gemeinsamen Sprung in das Wasser 
gleichzeitig ihr Leben zu endigen. Dabei muß die Schürze der 
vor 14 Tagen aufgefundenen Schäfer zerrissen sein, denn sie 
fand sich an den beiden Schürzen der gestern gefundenen Mäd⸗ 
chen vor. Die jüngste Sch. scheint einen schweren Todeskampf 
bestanden zu haben, denn dieselbe hat sich die Zunge auf der 
einen Seite durchgebissen. Eine große Menschenmenge eilte aus 
die Nachricht von dem Auffinden der Leichen an den Winterhafen. 
Jeder stand vor einem, bei dem anerkannt guten Ruf der drei 
Mädchen bis jetzt noch nicht gelösten Räthsel. Der freiwillige 
Tod der drei Mädchen ist psfychologisch um so merkwürdiger, als 
sie, in guten Verhältnissen lebend, jederzeit ein heiteres Gemüth 
bekundeten. 
In Leipzig wurde vom 18.— 27. Januar durch die List 
u. Frank'sche Buchhandlung die Bibliothek des Kaisers Maximilian 
von Mexico, nach dem ursprünglichen Besitzer derselben die Andra⸗ 
de'sche genannt, versteigert. Selbst aus London, Paris und New— 
york hatten sich Buchhändler dazu eingefunden. Es ist Schade, 
daß diese bedeutendste Büchersammlung über Mexico nun nach 
allen Weltgegenden zerstreut wird. 
GEin neuer Hinterlader.) — Auf einem großen 
hausball — so erzählt das „Wiener Fremdenblati“ — fand sich 
auch ein Student ein, der dem Söhnlein des Hauses mit Erler— 
nung einer todten Sprache das Leben verbittert. Der Student, 
ein armer Teufel, war förmlich geblendet von dem Glanze, der 
bei diesem Feste entfaltet wurde, und namentlich war es das Buf⸗ 
fet, welches ihm die sehnsüchtigsten Blicke entlockte. Was er sonst 
nur hinter den Schaufenstern unserer ersten Delikatessenhändler sah, 
Fasane, seltene Seefische u. s. w., sie lagen und schwammen in 
pikanten Garnirungen und Saucen, und der Student, dessen Be⸗ 
griffe von Delikatesse fich höchstens zum Kuchentische der, Schmaus⸗ 
waberl“ verstiegen, schwamm in einem Meere des Entzäckens. 
Chablis und Champagner floß in Strömen, und der arme Musen⸗ 
sohn that, was man ihm eigentlich gar nicht verdenken kann, des 
Guten ein Bischen zu viel. Endlich wollte er aufbrechen, der 
CThampagner hatte ihm aber so außerordentlich gemundet, daß er 
nichts Sehnlicheres wünschte, als einen solchen Silberhelm sein 
rigen nennen zu können. — Die Weinlaune ließ ihm nicht lange 
Zeit zur Ueberlegung. — Kühn schritt er zum Buffet, packte eine 
Champagnerflasche, steckte sie in die rückwärtige Tasche des Frackes 
und suchte mit der süßen Beute zu entkommen. Bei der Thür 
des Saales begegnet er zu seinem Unglücke der Tochter des Hau⸗ 
ses, die ihr mit der Frage anhält, ob er sich denn nicht unter⸗ 
halte, daß er schon den Ball verlassen wolle. Der Student in 
der groͤßten Verlegenheit, stottert einige Entschuldigungen, das 
gutmüthige Fräulein glaubt, er sei vielleicht beleidigt, weil sich 
Riemand um ihn gekümmert und in einer Anwandlung von Groß⸗ 
muth sagte sie: „Nein mein lieber Herr Studiosus, Sie dürfen 
mir nicht früher fort, bebor Sie nicht mit mir ein Tänzchen durch 
den Saal gemacht haben. Das Orchester hat bereits den Galopp 
begonnen, also vorwärts junger Mann,“ schließt das schöne Fräu⸗ 
lein die Anrede, „stürzen Sie sich mit mir in den Strudel.“ 
Ehe sich der Champagnerräuber besinnen kann, befindet er sich 
nitten im Gewoge der tanzlustigen Paare und stürmt durch den 
—A 
tanzende Dame sinkt halb ohnmächtig in die Arme ihres Tänzers, 
der nicht figürlich, sondern in Wirklichkeit „begossen“ dasteht. Die 
Thampagnerflasche im Frachscchoße des Studenten hatte ihre 
Schuldigkeit gethan, die Stricke waren schon früher durchschnitien 
gewesen und durch die heftige Bewegung war der Wein in's 
Brausen gerathen. Mit einem gehörigen Knalle war der Stöpsel 
jeraus⸗ und der nachfolgenden Dame in Gesicht geflogen, wäh⸗ 
rend das moussirende Getränk in schäumenden Bogen ihrem Tän⸗ 
ger eine unvorbereitete und unfreiwillige Taufe verschaffte. Der 
Student mit dem Hinterlader neuester Construction in der Frack⸗ 
tasche, stürzte in der furchtbarsten Verlegenheit aus dem Saale, 
in welchem noch lange nach diesem Knall-Effecte die größte Heiter⸗ 
keit herrschte. 
fDie Richter des Herzogs von Enghien, der bekanntlich im 
Jahre 1804 in den Laufgräben von Vincennes erschossen wurde, 
sind durch ein in den Pariser Archiven aufgefundenes Schreiben 
Napoleons J. neuerdings schwer compromittiri. In diesem Schrei⸗ 
ben werden den Richtern Gratificationen von je 80,000 Franken 
bewilligt. Die Namen dieser Richter sind allerdings in geschickter 
Weise mit denen Anderer untermischt, welchen man anderer Ursa⸗ 
chen wegen eine Belohnung zuerkannte; aber die Hauptabsicht ist 
darin so leicht erkennbar, daß Marschall Vaillant, dem man als 
aiserlichem Hausminister den Brief vorlegte, sofort dessen Ver— 
jffentlichung untersagte, denn, wie er sich ausdrückte: „er handelt 
von Blutgeld!“ 
Ein Seeunfall. Das Dampfboot „Pereire“ wurde au