Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
⸗⸗ß 
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Nr. 195. . Decem ber 1869 
Deutschland. B 
Muünmchen, 7. Dec. Die,patriotische Partei“ befindet 
sich jetzt in einer recht jon derbaren Vage mit ihrem Wahlnege, 
welchen sie nicht nach Wuunsch zu verwerihen im Staude ist; selbst 
„Donouztg.“ und „Volksbote“ haben im Verlauf weniger Tage 
jelernt, ihre hochfliegenden Ansprüche, wenn auch groͤllend, merl⸗ 
uch herabzustimmen, und die „Augsb. Postztg“ pcedigt immer 
indringlicher ihrer Partei Maßigung, ja sie wagt es sogar, eine 
Corte pondenz abzudrucken, weiche den Ruf: „Foct mit dem guu 
gen PMänisterium!“ einen cynischen nennt. Fast traut man seinen 
Angen nicht, wenn man solche Stimmen vernimmt aus jenem 
Lager, wo vor wen g. Wochen alles einig schien ia der Verur- 
heilung der Politit des Fürsten Hohenlohe. Die „Augsb, Postz.“ 
pricht jetzt auf einmal von „Rüchsichten, die absolut geboten ünd“, 
don, „m Eijfer, weicher der patriotischen Sache nur 
schaden konnte“, von „Schwierigleiten“, und welcher Art diest 
Schwierigkeiten sind, das deutet sie mit den Worten an! „Ja 
wenns damit geihan wäre, wahrlich wir hätten mchts dagegen, 
wenn hiemit das ganze Ministerium zum Gehen und ein patrio— 
zisches, das wohlgemertt der ganzen patriotischen Partei enijprach⸗ 
auf die Stühle gebracht werden könnte.“ Damit verräth ne 
deutlich die Uneinigkeit, welche schon in der Parter einzureißen de 
miunt: die Heißsporue wollen nicht umsjonst getämpft haben, diu 
Jemäßigteren sehen aber wohl ein, daß sie ein Ministerium le⸗ 
diglich aus ihrer Partei — abgesehen von anderen Gründen — 
jchon um deßwillen nicht zu bilden im Stande wären, weil es 
an den entsprechenden Personlichkeiten fehlt, sie müßten denn zu 
Leuten greifen, mit denen sie sich zu compromittiren fürchten, oder 
wie ein Correspondent der „Augsb. Postz.“ sich euphemiltisch aus 
zrüct: „Wie nahe läge es: daß ein ausgesprochenes Parter⸗ 
Veinisterium mit den eigenen Anhängern oder mit andern Po—⸗ 
zenzen in unheilbare Collision geriethe 1“ Statt also die Veinister⸗ 
tühle selbst einzunehmen, finden es die Gemäßigteren der „Patrioten“ 
etzt tiuger, dem Fursten Hohenlohe die RKeconstruction des Mini— 
teriums“ zu überlassen und sich mit der „Controle des Cabinets“ 
u beguügen. Die „Mäßigung tiind Versöhnlichkeit“, welche fie 
hiedurch au den Tag zu legen behaupten, indem sie kein Partei⸗ 
ninistirium verlangen, wisser, wir nach dem eben Bemerkten nach 
Bebühren zu würdigen. In diesem reconstruirten Mmisterium 
urfen sich, so formuliren sie (die Gemäßigten) ihre Forderungen 
edenfalls die HH. v. Gresser, v. Hörmann und v. Schlör nicht 
efinden (sie geben es zuletzt noch billiger); aber während die 
inen sich, wie es scheint, mit dieser Regative begnügen, machen die 
underen die Bedingung, daß sie „nicht durch farblose oder 
zar der Fortschrittspartei zuneigende Persönlichkeiten“ ersetzn 
werden, daß die neuen Minister der patriotischen Parte 
angehören sollen — also ein wirktiches Coalitionsministerium 
vährend die „Augb. Postztg.“ für ihre Partet keinen Ministersitz 
ondern nur die Rolle des controlirenden Beobachters in Anspruch 
aimmt. Somit auch unter den Gemäßigten wieder ein Anfang 
ver Spaltung! 
Wie die „Augb. Postztg.“ berichtet, wird Stiftsproost 
Doͤllinger als Consultor des Kardinal⸗-Erzbischoiss, Fürsten von 
Schwarzenberg, nach Rom berufen. 
Zweibrücden, 9. Dec. In einem motivirten Schreiben 
in das k. Consistorium in Speyer hat Herr Dr. Mook, der be—⸗ 
Ranntlich nach seiner „Ersetzung“ auf der Stelle eines Pfarrver⸗ 
wesers in Bergzabern sein Domicil hier aufgeschlagen hat, seinen 
Austritt aus dem Protestäantischen Kirchendienst angezeigt. 
Frankreich. — — 
Paris, 9. Dec. Mehrere große Städte Frankreichs, da⸗ 
runter auch Bordeaux und Marseisse, haben gestern die Eröffnung 
des Concils durch Ilumnationen und andere Kundgebungen die— 
er Art gefeiert. In Marseille ist es dabei zu Unruhen gekom⸗ 
men. Eine Bande von 1500 Aufrührern, sagt der officiöse „Public“, 
zurchlief die Stadt, um auf ihre Weise gegen jene Kundgebungen 
zu protestiren. Sie sangen die Marseillaise und warfen Steine 
zegen die erleuchteten Fenster. Vor dem bischöflichen Palaste und 
— 
zei dieset Gekegenheit eine Schildwache verwundet. Es find 60 
Personen verhaftet worden. — 
BParxi«, 10. Dec. Dem Gesetzgebenden Körper wurden 
heute das Gesetzbuch und das Blaubuch vorgelegt. Letzteres ist den 
uneren Angelegenheiten gewidmet, das Gelbbuch dagegen handelt 
von den Beziehungen zum Ausland. Hinsichtlich Deutschlands sagt 
dasselben; Iu den Verhältnissen des Norddeutschen Bundes und der 
üddeutschen Staaten hat sich keine besondere Veränderung zuge— 
cragen, und wir sehen in den Fragen, welche die deutschen Cabinete 
vährend dieses Jagres beschäfligten, keinen Grund, die Zurückhal⸗ 
ung aufzugeben, welche wir gegenüber den Umgestaltungen beo— 
zachteten, die jenseits des Rheines ins Leben traten. Unsere Be— 
iehungen zu Deutschland sind ohne Unterbrechung durchaus 
frreundjchaftlicher Natur gebliebn. 
— England. 
London, 10 Dec. In der Grasschaft Londonderry ist, ange⸗ 
ichts bevorstehender Demonsirationen von Seiten der Orangisten, 
»er Belagerungszustand proklamirt worden. 
St. In gurrt, 11. Dec. Nach einem diesen Abend 
dier angekommenen Privaibriefe eines Mitgliedes des soeben zu 
Zpeyer versammelten Landrathes der Pfalz ist unsere hiesige 
ateinische Schule beschlossene Thatsache. In 
der Sitzung des Landrathes vom 9. d. M. wurde ei nstimmig 
ür das latfende Schuljahr die runde Summe von 1000 fl. als 
Zreiszuschuß bewilligt; die Commission verlangte für das betr. 
Jahr den verhältnißmäßigen Antheil mit 1026 fl. 36 kr. Keinem 
Anstande unterliegt es, daß dieser Zuschuß in den folgenden 
Jahren mit Etweiterung der Schule verhältnißmäßig zunehmen 
wird. Die Nachricht wird mit großer Freude in hiesiger Stadt 
und Umgegend aufgenommen werden und wird die definitive Er⸗ 
srichtung der Schule, da jetzt hinreichend Mittel vorhanden sind, 
in nächster Zeit erfolgen. 
F'In Eisleben bildete ich am 22. August d. J. ein 
Berein zur Errichtung eines Luther-⸗Denkmals. In einem kürzlich 
erschienenen Aufrufe ladet das Comité dieses Vereins alle prote⸗ 
tantischen Christen zur Betheiligung durch Beiträge ein. 
FBerhin, 7. Dec. Gestern Abend sind hier der Besitzer 
eines bekannten öffentlichen Lokales und mehrere Meitalieder seiner 
Familie wegen Verdachts eines dreifachen Giflmordes verhaftet 
vorden. Die Sache macht ungewöhnliches Aufsehen. 
Paris, 7. Dee. Obgaleich Troppmann noch fortwährend 
Eunthüllungen zu machen verspricht, so hat der Untersuchungsrichter 
die Untersuchung doch für geschlossen erklärt, und der General⸗— 
Advokat wird heute der Anklagektammer seinen Bericht vortragen. 
Dieselbe wird jedoch nicht vor nächsten Freitag ihr Urtheil fällen. 
Die Anklage gegen Troppmann lautet, sich des Mordes, des 
Diebstahls und der Fälschung schuldig gemacht zu haben. — Diese 
Woche kommt ein eigener Fall vor den Cassationshof. Es handelt 
ich nämlich darum, festzustellen, ob die Staatsbehörde die Zimmer- 
eute zum Aufstellen der Guillotine zwingen kann. Ju St. Omer 
Jaben drei Zimmerleute die Verrichtung dieser Arbeit verweigert 
Die dortige Staatsbehörde trat gegen sie klagend auf; da die 
Berichte erster Instanz aber die Zimmerleute frei spracheun, so 
rrächte die Staatsbehörde die Sache vor den Cassationshof. 
Sunsnof 
Elnsender dieses hat eben Gelegenheit gehabt in dem Alelier 
zes Herrn Photographen Oblig hier eine phologcaphische Dar⸗ 
tellung der Stadt St. Ingbert einzusehen, und kann als Sach— 
enner nur loben, daß dieses Bild mit allem Kunstslleiß bearbeitet 
uind würdig ist, das nobelste Zimmer, ja selost einen Salon zu 
eren.