Full text: St. Ingberter Anzeiger

istischen Freswilligen, worin er sagt, daß er dem Rufe des ster⸗ 
henden Spaniens folge, um unter Gottes Beistand für das Vater⸗ 
land und Gott zu kämpfen. In Zugarramurdi, wo⸗Don Carlos 
mit Valdegnpina und Lizzarrags bich aufhält, herrscht große Zu- 
hersicht in Folge der Forischruͤte, welche die carlistischen Waffen 
in lehßter Zeit gemacht. 
Perpignan, 15. Juli. Die Karlisten haben Berga 
eingenonmen; die Besatzung von 500 Mann wurde kriegs- 
Jefangen ent —D 
Baroebong,: 14. Juti.'n Die hiesigen Internationalisten 
riefen die Arbeiter auf dem Platz von Catalonien zusammen, wo⸗ 
elbst sie dieselben aufforderten, das Vorgehen ihrer Gesinnungs⸗ 
genossen in Alcoh nachzuahmen und die Kirchen sammt dem Stadt- 
haus zu verbrennen. Die Arbeiter pfiffen jedoch die Internatio- 
nalisten aus. Betraͤchtliche Truppenmengen hielten die Ordnung 
aufrecht. Neue Hetzereien werden morgen erwartet. 
In Leon, Vurgos und Gaucien sind carlistische Abtheilungen 
nufgeiaucht, in letzter Provinz unter den drei Führern: Ostandi, 
Flotes unt Monianto. In Vimanzo. Provinz Corunna, haben 
die Bauern den republilanischen Behörden die Steuern verweigert 
und eine gegen sie ausgesandten Truppenabtheilung mit blutigen 
Zöpfen heimgeschickt. Auch an demi Kampfe bei Alpens sollen 
gauernschaaren in bedeutender Starle auf Seiten der Carlisten 
Zeilgenommen haben. 
Prozeß gegen Adele Spitzeder und Genossen. 
— — ——N ⸗ 
(Sorrtsetung.)— 
Mänchen, 14. Juli 1875. 
Nun degann ein Leben im großen Styl, und auch das Ge— 
haft nahm dedeutendere Dimensionen an, wozu' haupijachlich ihre 
hohlüberlegte Taktit beitrug, dasselbe gegenüber den Leuten als ein 
Mmiernehmen hinzuftllen, welches auf den Nutzen und die Förde— 
rung der Interesser des armen und gemeinen Mannes im Gegensat 
—— Dadurch, daß ße Jedem, der für 
Andere Geld eintegte, einen Vermittlerlohn von 52- 790 auszahite, 
schuf fie fich eine Masse eifriger Agenten, welche schon aus eigenem 
Fitresse den Ruhm und die Uneigennützigkeit des Dachauet Bant⸗ 
Jeschäfies der Adele Spitzeder nach allen Himmelsgegenden ver⸗ 
sundeten. Auch war sie darauf bedacht; den Kreis ihrer Anhänger 
durch Uebernahme zuhlloser Gevatterschaften und Spendung reicher 
Pathengeschenle bei Taufen und Firmungen zu erweitern. So 
sand sie vom Ende 1869 bis Ende Olt. 1872 dah er allein 64 
Mal zu Gevatter. Schon beim Einzug“ in das Haͤus an der 
Schönfeldstraße war ihre Popularität so groß, daß sich derselbe zu 
Inem Fefste gestaltete, und ihre Anhänger und Anhängerinnen, 
Bedienstete u. s. w. ihr Ovationen und Geschenke verbrachten. So 
am es, daß der Zudrang des kleinen Kapitals immer größer 
vurde. Eine geraume Zeit hindurch mag die Summe der Einlagen 
äglich im Durchschnitt 50,060 — 60, 000 fi., keinesfalls unter 
230600 fi. betagen haben. Die Menge der Leute, welche dort 
Beld anlegen wollten, war so groß daß Viele Tage lang auf 
ihre Abfertigung warten mußten. Diesen bot das Fräulein inzwiaschen 
ein Asyl in der von ihr erworbenen Gastwirthschaft „Zum Withelm 
Tell“, wo dieselben auf ihre Kosten bewirthet warden. Die Zahl 
zer bios im Geschäfte augestellten und verwendeten Personen belie 
ach schliehlich auf 2527. 
Den angeblich dott waltenden Geist sollte der in großen 
dettera auf Plataten, die im Hause angebracht waren, gedruckte 
Spruch mantfestiren: Thue Recht und scheae Nie nand — 
das zu den S!'schen Korrespondenzen verwendete Briefpapier trug 
diese Devise. Die Dame selbst eischien nie, dhne ein goldenes 
Zreuz, das Symbol der qristlichen Liebe und Duldung, um den 
Hals zu tragen, und d'e ihr diensiharen Zeitungsblätter verfehlten 
e, den Ruf ihrer Frömmigkeit besonders unler die Kreise des 
eichtgläubigen Landvolkes zu verbreiten. Sie war in der That 
ine derühmte Persönlichkeit geworden, — auf Kosten des Ruines 
zon Taufenden. Ihre und die weiter entstandenen Dachauerbanken 
ogen mehr und mehr die Kapitalien der ländlichen Bevölkerung 
an sich, Ans den Sparkassen wurden häufig die Einlagen zurncke 
zenommen, um sie in die Schwindelbanten zu bringen, wodurch 
ich erstere gendthigt sahen, ihre meist in Hypotheken auf dem Lande 
angelegten Kapitalien in dedeutenderen Betragen zu künden. Hier⸗ 
— Fä 
—AVD——— Die Anklage⸗ 
schrift geht sodann auf die Warnungen über, womit diesem ver⸗ 
rech rischen Treiben zuerst die „unabhängige, ihrer siltlichen Auf⸗ 
Jabe bewußte* Presse, dann die Staatsregierung entgegen trat und 
rzählt, we schließlich in der bereits bekannten Weise die Kata- 
trophe eintrat, wie aber auch vor derselben in Folge des Miß 
rauens, welches jene Warnungen endlich doch hervorgerufen hatten, 
Fagndrang der ihre Einlagen zurückfordernden Wechselglaubiger 
hedeutend geworden waren, und dabei die Kapitalzzuflüsse sich er— 
jeblich gemindert hatten, so daß z. B. am 8. Nov (am 12. er 
olgte die Sperrung) die Einlagen nur 165—16,000 , die Rüd—- 
ahlungen dagegen 40,000 fi., am 11. Nov. die Einlagen nus 
3800 fl. die Rüdzahlungen 65,000 shh betrugen, oẽ daß die 
eforgt werdende Adele zu derzweifelten⸗Mitteln griff, indem fie 
die Rückzahlung verfallener Wechsel auf die Morgenstunde 6—27 
Ubr beschränkte, sowie anordnete, dak Mittwochs und Samstage 
meifalleut · Wechfel gar nicht angenommen werden dürsten; ja am 
I. Nov. kam ses quch nochvor, daß sogar in der dazu festgesetzten 
Slunde die Zahlung der an diesem Tage fälligen Wechsel ver⸗ 
weigert wurde, weil der Tag noch nicht abgelaufen sei, welche 
Weigerung jedes rechtlichen Grundes entbehrte. 
Ueber die Details des Geschaftsbetriebes gibt die Anklageschrif 
olgende Aufklärungen. Die Einlagen wurden früher mit 10, sei⸗ 
Mine ds. Irs. 1871 aber in der Regel mit 8 pCt. per Monat, 
uso jährlich mit 96 pCt. verzinst, ein 2monat!icher Zins aber 
Aberdies schon bei der Einloge ausbezahlt und üder die Einlage⸗ 
jummen unter Zinszurechnuog eines weiteren Lmonatlichen Zinses 
in Wechsel auf 83. Monate ausgestellt, so daß man dei einer Ein⸗ 
lage von 1000 ft. sofort 160 fi. baar als Zinsen und einen 
Wechsel über 1080 fl. erhielt. Die meissen Einlagen wurden aber 
hzurch Zutreiber vermittelt, welche die dereits erwähnten —B 
Zündenlohn bekamen. Unter den Ködern, welche die Spihedn 
auswarf, erwähnt die Ankageschrift auch die Andeutungen, die sie 
in unbestimmter Weise dahin machte, daß iht in Folge geheimniß⸗ 
boller Verbindungen unerschöpfliche Mitiel zu Gebote fländen. 
Tharakleriftisch für die Lebensfähigleit eines sol hen Geschäftes ist 
ie Angabe eines ihrer Bedienten, er habe nach gewonnenem Ein · 
Zlick in das Wesen desselben berechnet, daß es unter den günstigsten 
Berhältnissen nur bis Mitte 1878 bestehen könne; dann aber 
anfehlbar zusammenbrechen müsse, weil bis dahin die Schuldenlasl 
u einer folchen Höhr angewachsen wäre, daß sie durch die täglichen 
Finlagen unmöglich mehr hätte gedecht werden können, — um se 
veniger, als nur ein sehr gertinger —A 
obereun Zinsen mieder /ausgeliehen, die statt Baargeld eingele ien 
Obligationen z. B. einfach bei den Friseurs · Eheleuten Spther 
»eponirt werden. Daß die Angeklagte mit Rücksicht auf die Et— 
chaffenheit ihres Geschäftes als Zauffrau“ im Sinne des Art.“ 
des Handels-G.»B. zu betrahten sei, ist nicht nur durch haudels— 
gerichtliche Erkenntnisse festgestellt, sondern auch von ihr selbst zu⸗ 
Jegeben worden, als sie in ihrer Anmeldung zum Gewerberegsler 
crilärte, sie wolle das Banquier⸗ und Geldwechslergeschäft treiben. 
In diesem Falle war sie aber auch zu der durch das H. G. B 
vorgeschriebenen, genauen Buchführung derpflichtet. Statt dec hiezu 
zehoͤrigen Bücher und Verzeichnisse wurden aber bei ihr nut ge 
übrt: 4) das sogenannte Obligationsbuch, in welchem die ge· 
auften oder an Zahlungsstatt angenommenen Staats- und Indu⸗ 
triepapiere verzeichnet wurden, b) sogenannte Quittungsbücher über 
nusbezahlte Zinsen und zurücgezahlte Kapitalien, in welchen die 
Finleget über den Empfang quittiren mußten, e. jog. Adreßbüchet, 
worin die Namen der Gläubiger verzeichnet wurden, d. ein Korit 
spondenzbuch, o. ein Verzeichniß der zu Verlust gegangenen Wedhel, 
— also nicht einmal ein Kassabuch, so daß die eigenen Leute im 
Zeschäfte nicht kontrolirt werden konnten, weßhalbe sie denn aut 
ille teich werden kounten. Und welcher Art waren die obenbezeich 
nelen Bücher! In die Adreßbücher wurden nur die Namen der 
Finleger, aber nicht ihre Kapitalsbeträge und in die Quittunge- 
„ucher neben einer Rubrik mit der Ziffer 2 oder 3 (Zahl der 
Nonate, für welche der Empfanger die Zineen erhalten hatte) aut 
sur der Name, ohne Stand und Wohnort, manchmat nur der 
Familienname eingetragen, zuweilen, wenn er es nicht schon von 
sornherein war, durch einen der zahlreichen respeltablen Tintenlleri 
inleserlich gemacht, von manchen schreibunkundigen Elnlegern auth 
zurch die bekannten 3 Kreuze ersetzt. Die „Konttoleur, Nassien 
Buchhalter“ u. s. w. bemitelten Beschaftsbediensteten waren in 
ʒer Buchführung nicht selbstständig, sondern mußten sich die An 
veisungen der hierin gänzlich unwissenden Spitzeder fügen, hatten 
uch nicht eine destimmte Geschäftesparte gegen eigene —QVV 
ichieit, sondern wurden bald da dald dort awendet, weßhalbei 
Bezug auf die untertafsene Buchführung nur die Spitzeder selts 
——— st sie abe 
nuch überführt, daß sie nach dereits erfolgter Zahlungs inst un⸗ 
inter Beihülfe ihrer Mitangek agten Roesa CEhinger, Jatob Pen 
ind Maria Pregler Vermögens bestandtheile bqseinigte. Auq d 
Details einzugehen, welche die Antlageschrift über diese Verschn 
zungen enthält, würde zu weit führen. Nur zwei Momenie bg 
rwaähnt. Das Tine ist der Umstand, daß die Spitzecer 20 en 
Fraucenthaler aus Aberglauben sowodl auf den Betstubl⸗ als⸗ 
Herschiedenen anderen Orten vertheilt und auch paarweifse nn 
gluͤmenvasen gelegt hatte, von wo sie die Ehinger, wahrend F 
eundin bei der Sperrungskommission sich befand, wegtaumit. 
d9.