Full text: St. Ingberter Anzeiger

so besser.“ Zu einem Gendarmen, der sich durch einen sehr langen 
Vollbart auszeichnete, sagite er, indem er seinen eigenen Bart 
möglichst lang dehnte: „Da kann ich doch nicht mikommen.“ Einem 
rüheren Königsregimentler, der jetzt Beamier ist, machte er es 
zum Vorwurfe, daß er nicht schwimmen koͤnne, denn wer weiß, 
ob wir nicht heute auf der Fahrt nach Gotziow über Bord fallen.“ 
Wer aus diesen Worten Hoffnung schöpfte, daß der hohe Gaf an 
der Fahrt nach Goßlow doh noch cheilnehmen werde, täuschte sich. 
Die: Fahrt nach Gotzlow mußte ohne den Kronbrinzen Stait finden. 
— Von der Inspellion der Kriegervereine erzählt man sich, daß 
der Kronprinz einen etwas bele'bten Herrn, als ihm diefer, befragi, 
dei welchem Regimente er gedient habe, zur Antwort gab, „bei den 
aeumärkischen Dragonern,“ wieder gegenfragte: „Glauben Sie wohl, 
daß Sie Ihr Pferd heute noch tragen könnte?“ Einem Vereinz? 
mitgliede, welches im letzten Kriege Armee Lieferant gewesen ist, 
warf ex lächelnd das Scherzwort hin: „Nun, da wird' wohl Etwas 
Abrig aebleeben sein.“ Am längsten unterhiell sich der Kronpring, 
det abgesehen von den eisernen Kreuzen auf die Retiungs⸗Meduillen 
vesonders fuhndete, mit Herrn Rehbein aus Auclam, welcher der 
einzige im Kriege zum Kruppel Geschossene war, der bei der In⸗ 
peltion erschienen. Gelegentlich der Feier haben bekauntlich mehrere 
Auszeichnungen Siatt gesunden. Die Dekorationen heftele der 
stronprinz den Betreffenden jelbst an die Unfform. Bevor er Dies 
zei dem Vinsildirektor „Vater Orlen“ that, der den Hohenzollernschen 
H mrorden erhlelt, fragle der Kronprinz ihn erst, od er (.uf Or⸗ 
lin's linke Brust deutend) da noch Platz habe. Erst als Herr 
Orlin mit den Worten „Es geht noch Kaiserliche Hoheit“ de 
Frage bejaht hatte, heftete der Kronprinz ihm den Orden an. 
Spaͤter verlangte er ven Papa Orlin noch eine Cigarre, war aber, 
als ihm diese gereicht wurde, doch vorsichtig genug, noch zu fragen, 
ob sie nicht eiwa aus Vierraden staume. Nach dem Diner im 
Offizierstasino schmauchte der Kronprinz im Garten sein gewohntes 
urzes Pfeifchen. 
F.Die Einnahmen von Zöllen und gemeinschaftlichen, Ver⸗ 
zrauchtsteuern, sowie anderer Einnahmen des deutschen Reichs für 
—— 
haben ertrogen: Zölle 146,235, 107 Maͤrk NRuen⸗ Zuaetsteuer 
56 387,866 Mark, Salzsteuer 41,605. 228 Mark, Tabatsteuer 
1,408,029 M., Brannweinsteuer 68,466,824 M. ebenne 
aAbgaben von Brannswein 161,373 M., Braustener 22,631,384 M., 
ebergangsabgaben von Bier 1, 159,252 M. Zusammen 343, 042, 1388 
M. Wechselstempelsteuer 8,896,04 1 M., Reichspost⸗ — 
graphenverwaltung 146,818,776 M., Reichseisenbahnverwaltuig 
—13, 318, 267 M. ——— 
f Gon Ame:sen getödtet.) In einem nabe bei Koltwiß 
in Preußisch · Schlesien gelegenen Walde wurde füngst ein auf einem 
Ameisenhaufen liegender Arbeiter gefunden. Derfelbehatte sich in 
runkenem Zustande dort niedergelegt, um seinen Rausch aris zuschlafen. 
Die gefraßigen Wald Ameisen machten fich über den hilflos Daliegenden 
und zerfraßen ihm das Gesicht, die Zunge und den ganzen 
Ubrigen Körper. Vorübergeheude funden endlich den beklagenzwerlen 
Menschen in feinem entsetzlich n Zustande und schafften ihn in seine 
Wohrung, wo er bald darauf seinen Quoslen erlag. 
fWGerktteidiger⸗ Honorare und Gerichtskosten) Dem Verthei⸗ 
ziger des Henry de Tourbellets Dr. Markbreiter aus Wien war, 
venn es ihm gelänge, ein freisprechendes Urtheil zu erz'elen, ein 
honorar von etwa 50 000 fl. zugesichert, welche Summe bereits 
mn einem Wiener Bankhause deponirt war. So ist das Honorar, 
velches dem Vertheidiger Ofenheims Dr. Neuda versprochen und 
uuch wirklich im Betrage von 40,000 fl. ausgezahlt wurde, noch 
ibrrtroffen worden. Da die Geschworenen ader den Angeklazten 
derurtheilten, so tritt eine Klausel in Kraft, in Folge deren Dr. 
Marlbreiter nur die Hälfte der obengenanrten Summe — immer 
och ein ganz schönes Honorar — erhält. Die Kosten für diesen 
Prozeß werden sich überhaupt ungeheuer hoch belaufen. So erhielt 
der zweite Dol netsch, Herr Lederer aus Wien, für seine Bemühungen 
Vorhinein eine Entschädigung von 500 Mark, Eesatz der Reise⸗ 
osten nach Bozen, täglich 10 fl. an Diäten süe den Aufenthalt in 
Bozen und überdies die Zusicherung einer größeren Renumeration 
aach Abschluß der Verhandlung. 
f Ein rührendes Veispiel von der Treue eines Hunden 
esen wir im „Independant de Deuai“. In Nimes siarb vor 
etwa acht Tagen ein Fleischergeselle. Derselbe besaß eine große 
Bulldogge, und während der Dauer der Krankheit'bar das Thier 
nicht aus dem Zimmer seines Herrn zu entfernen. Es lag dicht 
neben dem Bette, wies jedem die Zähne, der es vertreiben wollte, 
und verschmaähte zugleich jede Nahrung. Auch auf den Kirchhof 
olgte der Hund der Leiche und war nur mit großer Mahe von 
dott zu verjagen. Als einige Tage darauf der Todiengräber eine 
ue Gruft auswersen wollte, bemerkte er in dem Grabhügel des 
Fleischers ein tiefes und einen Vieler breites Loch und darin, voll. 
dmmen enttraftet, den Hund des Verstorbenen. Von Witleid er⸗ 
riffen, benachrichtigte er die Ver vandien des Tobien und diese 
nahmen das Thier mit nach Hause,, aber“ von Neuem verschmähte 
hasselbe jede Nahrung und anderen Morgens fand man es sodt 
an der Thür liegen. ve 4. 
M& stau,4. Juli. Dr. Sttousberg ist zug der Schuld⸗ 
zaft entlassent und befindet sich wieder im Hausarrest in Hoiel 
Dusseaux. Die Falliterllärung ist durch die belteffende Kommijssion 
innullirt. Wie es heißt. kame in den nächsien Tagen der ander⸗ 
veitig gegen Dr. Strousbeg ersolgte Ürtheiisspruch auf Landes⸗ 
perweisung zur Ausfütrung. .. 
7 Die Baumwollspinngreider v. John Roberifon u. Co. 
in Gla s gow ging am 28. v. M. icenweise in Flammen auf. 
Die Fabriß, eine der größten in Schottland, umfaßt ejnen Flaͤchen⸗ 
raum von s Aecres, enthielt 25,000 Webstuͤhle und 60, 00 Spin⸗ 
)eln und PBeschäftigte 2000 Arbeiter. Nur der Flügel, in welddem 
ich di'e Weberei befand, entging der Zerstörung. 09 Arbeiter 
ind durch das Feuer vorübergehend beschäftigungslos geworden. 
Der angerichtete Schaden wird auf circa 80 000 ost. geschatzt. — 
Zu gleicher Zeit brannte die Zwirnfabrik der Herren B. Clark u. 
To. in Paisley total nieder. Schoden Lst. 18,000. F 
7Sbmuggehbei. —* Zoll beamien ionfiszirien in New⸗ 
Hork an Bord des Hamburg˖x Dampfes , herder“ Spizen und 
andere Arlikel im Werthe von mehrereti Tausend Dollars. Die 
xᷣchmuggler, eine Familie Rothstein aus Polen, machten als Grune“ 
de Ueberfahrz iat Zwischendeck. Als Ir Zollmspelioe Ihsapmidn das 
Bepãck der Passagiere untensuchteensvecte er in einem ver Koffer 
inen doppelten Boden Und, imter demselben versteckt, mehrere Packet 
er feinsten Spißen. Ver Eigenthümer des Koffers, Abraham Roth⸗ 
tein, behauptet kein Wort Englisch zu verstehen. Der Werih der 
onfiszirten Waaten: wurde auf 10,000 Dollar Gold geschatzt. 
Muthmaßlich waren die Sachen für ein fashioaables Putzwaarenge⸗ 
chäft bestimmt. 
f Die ausführlichen Berichte, welche jetzt über die Erdbeben 
vorliegen, die im Frühjahr in Südameérika statigefunder 
jaben, lassen ersehen, daß dieselben mit ungewöhnlich großen Ver⸗ 
usten an Menschenleben und an Gigenihum verbünden waren. 
scicht weniger als 11 Städte und Döorfer liegen fast gänzlich in 
suinen, 600 Personen kamen um, und der Gngerichteie Schaden 
vird auf 20 Millionen geschätzt. Die: Erderschütterungen wurden 
ängs der ganzen Küste von Peru und Chili, von Callao bis Co⸗ 
juimbo verspüͤrt. Der an den Werften und Lichterfahrzeugen an⸗ 
zerichtete Schaden wird sich für die nächste Zeit als ernfilliche Er- 
chwerung dec Verscheffung von Guano erweisen. Die Vetlufte 
ind großer als diejenigen, wovon die Erdbeben von 1868 begleilel 
varen. Da eine kleine Stadt jm Inneren vollstandig erstort 
vurde, so stellt man in Peru die Theorie auf, daß die örsqhüt⸗ 
erungen nicht submarinen Uriprungs waren, sondern unter dem 
Festland entstanden, und daß der Mittelpunkt derfelben der an der 
üdlichen Grenze von Peru und Bolivia gelegene Vuscan Ilaga 
jewesen sei. In Callao herrschte panischer Schrecken unter den 
kinwohnern und Hunderte flohen per Eisenbahn nach Lima. 
f Aus Philadelphig, 21. Juni, meldet ein Telegramm 
er „Times“ üüber die von Indianern ausgegangenen Mordthaten 
n Idaho. Angefangen hatte ein Weißer. Er ödtete einen In⸗ 
nianer und büßte sammt drei andern dafür m't dem Leben. In⸗ 
)ianer und Weiße griffen nun zu den Waffen; erstere waren in 
der Ueberzahl und würheten nun in dem Thale mit Mord und 
grand. 29 Weiße wurden geloͤdtet, die übrigen flohen. Die In⸗ 
ianer waren anfangs 200, später 1300 Mann stark; auf ihrer 
Zeite fiel ein Häuptling, „Weißer Vogel“ genannt, mit seiner 
Familie. Die ausgefsandten Truppen nebst bewaffneten Pflanzern 
gelen in einen Hinterhalt, Oberst Perry und die Hälfte feiner kleinen 
Nannschaft kam um, die anderen eniflohen. So weit geht die be⸗ 
zlaubigte Mitthe'lung. Nach den jüngsten Berichten ieisteten die 
Weifen noch Widerstand. Die gesammte Küste des stillen Oceans 
st in Aufregung gekommen, da Generaa Howard nurt 800 Mann 
vur Versügung hat; doch ist von San Francisco her Hülfe ver⸗ 
langt worden und man hofft auf bald'ge Bezwingung des Aufsiandes. 
1 Die Hungersnoth in der Provin;z Shantung (China) 
ist noch nicht gehoben, und man befürchtet, daß Hunderttaufende 
der ECinwohner dem Hungertode erliegen werden. Auch in Corea 
herrjhᷣt Hungersnoth; dazu hat sich in Folge der Aussetzung von 
einer groß⸗n Anzahl Leichen die Pest geselli. Wie bereits srüher 
hat man sich auch jetzt wieder an Japan um Lebensmiltel und 
Medika nente gewandt. 
n Dienstesnachrichten. 
Der Friedensrichtet Bollinger zu Habsburg wurde in gleicher 
Figenschaft an das Friedensgericht Hagenau, der Friedensrichter 
dühl zu St. Avold in gleicher Eigenschaft an das Friedensgericht 
düningen uad der Friedensrichter Simson zu Saarburg in gleicher 
üigenschaft an das Friedensgericht Habsheim verseßt. — Dem laiserl. 
Friedensrichter Roßmann zu Saargemünd wurde die nachgesuchte 
ẽkᷣnllassung aus dem Justizdienste des Reichlandes ertheill.