Full text: St. Ingberter Anzeiger

vorgtommen. Der Delinquent, ein Kleinbürger, welcher zu hundert 
Beitschenhieben verurtheilt war, weil et zum drittenmal aus Sibirien 
sch geflüchtet hatte, war ein bereits älterer Mann mit einem durch⸗ 
ngeuden Blick, den man schwer aushallen konnte. Mit Mühe 
zestieg er unter lautem Weheklagen, unterstützt vom Henker, das 
Zchaffot und empfing stilljschweigend, nur zuwe len stöhnend, die 
— die Exekution vor sich ging, 
jatte sich eine ungeheure Menschenmenge eingefunden, die mit Grauen 
as dustere Schauspiel betrachtete. — Wie der Korrespondent des 
Golos“, dem wir dieses entnehmen, henzufügt, sollen in nächster 
zeil noch drei solcher Exekutionen in Kasan vollzogen werden. 
Der Geldstand ast in Europi im Laufe dieser Woche 
mmer knapper geworden; die Bank von England hat am 11. d. 
hren Zinsjuß auf funf Procent ercöht und doch find den drei 
dauptbanken gegen sechzig Millionen Mark Gold entnommen. Mag 
uch ein Theil diefer Summe den Unforderungen des Herbsigeschäfts 
enen; vorzugsweise is das Edelmetall nach Amerika zur Bezahlung 
er Getreidesendungen und nach Rußland zur Deckung seiner drin⸗ 
zeadsten Kriegszahlungen gegangen.. Es find dies Anforderungen, 
delche auch durch eine weilere Diskonto Erhödhung nicht zurückzeschreckt 
verden; die Geschäftswelt mag sich also auf eine Zanahme der 
deldknappheit gefaßt machen. 
pDas freie Amérika. Eine der größten Schwind l⸗ 
Operationen und ein jahrelang fortgesetzter Auspressungs-Modus, 
pie ihn eben aur die Bereeinigin Staaten aufzuweisen im Stande 
id.“ ist soeben in Süd Carolina entdedt worden. Eine Anzahl 
ogenannter „carpet baggers“ wurde bekanntlich vom General 
X nach dim Süden gefandt, von der bewaffneten Macht und 
zer/ oͤffentlichen Meinung des Nordens unterstützt und ihnen die 
Regierung und das Wohl und Weh der besiegten Süd⸗-Staaten 
wWberlassen. Wie sie geschaltet und gewaltet, zeigten ihte Thaten, 
ind eist dem jetzigen Prasidenten Hahes ist es u danken, daß 
igen unerhörien Mißbräuchen ein Eude gemacht ist. Der „Ring“, 
vessen Hauptsißz Eharleston war, begann damit, sofort 2 Millionen 
gfund Sterling an Staatsobligationen in die Welt zu fetzen — 
sermit bezadlien sie fich jelbst, kauften die Nerer⸗Stämme und 
rigneten sich fast 1 Million Pfund Sierling von Eisenbahn⸗Ptio- 
itaten zu. Se verlauften Staats Obligationen mit 10- 20 pCt. 
es Werihes und theilten den Eclss; sie wechselten eine Art Obligation 
jegen andere um, so oft sie konnten, nut um überall die Coupons 
ofott in Händen zu haben und erdoben dieselben; sie brachten 
aglich neue Gesetze in die ProvinzialVersammlung, tauften für 
Held die Majotiat und führten sie zu ihren Z vecken aus. Es 
s bewiesen, daß der bezahlte Preis für eine Slimme in 
ver Versannmlung von 500 —5000 Dollars betrug, und in der 
etzien Zeit war der Gehorsam dieser Versammlung so weit gebracht, 
aß jedes proponirte Gesetz und selbst die eclatantesten Unlerschleife 
ofort die Sanction erh'ellen. De Unlerhaltungstosten der Pro⸗ 
Ainz'al⸗Legislatur sollen fast die Höbe derjenigen des Cougresses in 
Washingion betragen haben. Bejeichnend ist d'e Thatsache, daß 
ziese Verwalier, als sie sich der Rothwendigkeit fügten ihren Nach— 
olgern 42 Dollars im Siaatsschaßz übergaben. Die offenen Be— 
tenntnisse der Betheiligten, die einzelnen Zasern der gezahlten und 
xhaltenen Bestechungssummen, die Art und Weise des Verfahrens 
und besonders die allen Ideen des Anstandes und der Ehrlichleit 
hohnsprecheuden Ungenirtheit der Leiter dieses echt amerikan schen 
crzjeugnisses lassen es für den Europäer kaum glauslich erscheinen, 
zaß im 18. Jahrbundert solche Zustände jahrelang über möplich 
sein sollten. 
ODie Sperlinge in Rord-Amerika. Wenn 
insere Spahen wuͤßten, wie viel über sie in Amerika geredet und 
zeschrieben wird, während man in Deutschland höchstens Notiz von 
hnen nimmt, um sie zu schimpfen, sie würden wahrhaft ganz hoch⸗ 
nuthig. Im Westen in große Nachfrage nach ihnen und kann man 
n den Tagesblättern ganze Spalten über ihre Geschichte, Charakter⸗ 
igenthümlichleiten, Zucht, Lebensweiie ꝛc. lesen und erhält die ge— 
iauesten Anweisungen, wie man sie zu behandeln und zu füttern 
jal.“ Viele Befitzer von Farmen und Landgütern haben sich vor 
inigen Sommern mit Sperlingen versehen und für dieselben recht 
artige Preise bezahlt. Nachdem man sie aber in den Garten hatte 
liegen lassen, nahmen sie sich gewöhnlich die Freiheit ihren Flug 
hahin zu lenken, wo es ihnen am besten paßte. Und sie wurden 
nie wieder gesehen. In der „Evening Post' führt ein Gutsbesitzer 
chrecklich Kiage über die undankbaren Spazzen, für die er 5 Dollar 
xc Paar bezahlt haben will, die es aber, trotzzem man ihnen 
nichlich Futter und Wasser auftischte, nicht ganz eine Stunde bei 
qm aushielten. Er sagte zum Schlusse: „Wenn ich in den Zei⸗ 
ungen so vieles über den Vortheil lese, welchen die Sperliage ge⸗ 
vähren, verfalle ich in trühes Nachvenlen und um meinen Mund 
in grimmiges Lächeln.“ Die Unlerschrift lautet: Ein Mann ohne 
Spetliuge. 
tEine jener fürchterlichen Szenen, von denen gelegentlich 
Anrichtungen durch den Strang begleilet sind, ereignete sich am 
25. Sept. im Staate Virginien: Ein Mann Namens Schiffler 
vurde wegen Mordes im Gefängnißhofe gehenkt. Als die Klappe 
zjel, riß der Strick. Alle Anwesenden waren entsetzt über den Uns 
all und einige Augenblicke herrschte ein tiefes Schweigen, das end⸗ 
ich durch die Stimme des unglücklichen Delinquenten unterbrochen 
vurde, welcher von Stöhnen unterbrochen austief: „Oh Gott, 
Du weißt, daß ich unschuldig bin, warum muß ich leiden?“ Schiff⸗ 
ler wurde emporzeboben und auf das Gras gilegt, wo er eine 
Zeit lang jämmerlich stöhnte. Rachdem ein neuer Strick beschaffen 
vorden, wurde er abermals auf das Schaffot geführt. Auf seine 
Bitse wurde ihm die schwarze Kappe vom Gesicht gezogen, damit 
er vor seinetr zweiten Hinrichtung noch einmal das Tageslicht er⸗ 
zlicken könne. Dann wünschte er seiner Umgebung Lebewohl und 
zetheuerte abermals seine Unschuld. Einige Miruten später war 
r eine Leiche. 
Yienstesnachrichten. 
Der Landrichter Seibert in Waldmohr wurde zum Rathe 
am k. Bezirksgerichte Zweibrücken befördert. 
Gemeinnütziges. 
Nachweisung einer Berfälschung dee Bunser mit 
anderen Fetten. J. W. Gatehouse hat auf die Urlöslichleit des 
tearinsauren Kalis in alkalischen Losungen eine Methode gegrün⸗ 
vet, um eine Verfälschung der Bulter mit anderen Fettey zu er⸗ 
ennen. Dieselbe besteht in Folzendem: Die Butter wird zunächst 
nit Wasser ausgekocht und mit ihren halben Gewichte festen Ka⸗ 
ihydrats bei hoher Temperatur verseist. Ist die Butter rein, so 
st die Masse schwach geld gefärbt, ist sie dagegen verfälscht, so ist 
die Masse meistens schwarz. Es ist nothwendig, daß bei der Ver⸗ 
eifung die Temperatur einige Minuten über 20009 C. erhalten 
verd, weil sonst das gebildete stearinsaure Salz nicht unlöslich in 
er alkalischen Lösung ist. Man kecht nun die verseifte Masse 
uccessive mit Wasser aus, bis die Gesammtmenge des Wassers 
3200 Kubikcentimeter deträgt. Ein Theil dieser Löfung wird in 
in Neagensglas gegossen und das Aussehen derselben beobachtet. 
Jeigt sich nur eine schwache Opalescenz, so ist die Butter rein, im 
ntgegengeseßten Falle dagegen unrein, und zwar ist der Grad der 
crübung abhängig von der Größe der Verfälschung. 
7 Nachweis der Salicylsäure in Wein. Beklanntlich 
at man die Salichlsäure als Konservirungsmittel des Weines em⸗ 
iohlen. Für der Fall nun, daß man veranlaßt sein sollte, einen 
Wein zu prüfen, ob er mit jener Säure behandelt worden ift, setzt 
)von zu 20 Kubicentimeter des Weines * Kubilcetnimeter Sahz⸗ 
zure und schüttelt. Diese Operation bezweckt, die Salichlsäure frei 
u machen, wenn man salicylsaures Natron angewandt haben sollte. 
dierauf gießt man 3 Kubikcentimeter Aether hinzu und kehrt das 
nit dem Fenzer geschlossene Reagenglas mehrmals um, damit der 
gether sich in dem Giase leichter abscheiden kann. Nachdem dies 
jeschehen ist, decantirt man dea Aether, in welchem sich die even⸗ 
uelle Salichlsjäaure gelöst befindet, verjagt den Aether und kann 
nun die Säute leicht an ihren Eigenschaften erkennen. Man braucht 
uch den Aether nicht einmal vorher verdunsten zu lassen, sondern 
ann denselben direkt auf eine verdünnte Lösung von Eisenchlorid 
pießen. Ist Salichljäure zugegen, so bildet sich an den Berührungs 
zunkten der beiden Flüssigkeiten sofort eine violette Zone, welche in 
dem Maße, als der Aether verdunstet, an Intensität zunimmt. 
Für die Redaction verantwortlich: F. X Demeßtz. 
Unsere Leser aus dem Handelsstande machen wir auf die in 
der vorliegenden Nummer enthaltene Ankündigung der schon jetzt in 
weiter Auflage erscheinenden vierjfprachigen Handelscorrespondenz 
ius dem Verlage von H. Brücker in Hamburg aufmertsam. 
In mehr als 15000 Sätzen, welche nach den Schlagworten alpha⸗— 
zetisch geordnet sind, wird des gesammte Material des schriftlichen 
Verkehrs unter Kaufleuten behandelt, und an ebenso vielen Beispielen 
nezeigt, wie jedes Wort in se ner oft mehrfachen Bedeutung (.. B. 
Wechsel begeben und sich wohin begeben) anzuwenden und richtig zu 
ibersetzen ist. Da die Berfasser selbst praktische Kaufleute und sos 
vohl mit den Bedürfnissen ihres Standes, wie durch langjährigen 
lufenthalt im Auslande mit den fremden Sprachen vertraui ge— 
vorden sind, liegt darin die beste Gewähr, daß in dem Werk etwas 
Iraktisches und Zuverlässiges geboten Dird; competente Beurtheiler 
ennen die sich wie Originale lesenden Uebersetzungen als *vor— 
üglich‘— und das Buch als das beste unter den zahlreichen 
fẽrscheinungen der Fachliteratur. Ein reichhaltiger Anhang bielet 
zußerdem noch ganze Musterbriefe, ein Waarenler'con, drei Vocabu— 
arien und Anderes. Wir empfehlen das Buch allen Kaufleuten 
ils Nachschlagebuch und zum Comptoirgebrauch, ganz besonders 
varm aber den jüngeren Kaufleuten und Lehrlingen zum Siudium, 
za heut' zu Tage eine genaue Bekanntschaft und Fertigkeit in der 
temden Correspondenz für jeden junzen Mann unerläßlich ist. 
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