Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
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M 173. Sonntag, den AM. November 1877. 
Deutsches Reich. 
München, 31. Ott. Bei der Budgeiberathung in der 
Abgeordnetenkammer wird der „Ministerial-⸗Dispositionsfonds“, dessen 
Ablehnung Dr. Rittler beantragen will, voraussichtlich zu heftigen 
Debatten führen. Wir wollen deshalb hier anführen, um weiche 
Summen es sich in dieser Beziehung bei den verschiedenen Ministe⸗ 
tien handelt: Ministerium des k. Hauses und des Aeußeren 6200 
Mark, Ministerium der Justiz 15,600 M., Ministerium des Inneren 
41,000 M., Ministerum für Kirchen⸗ und Schulangelegenheiten 
5743 M., Finanzministetium 9170 M. Es sind das bei allen 
Miaisterien underändert dieselben Summen, wie sie für die laufende 
Finanzperiode bewilligt waren, die meist gering desoldeten Beamten 
und Bediensteten, welche einer Uaterstützung bedürsen, zu Gute 
lommen. 
München, 1. Novb. Der Abg. Herz brachte in der Kammer 
den Antrag ein, dieselbe wolle an den König die Bitte richten, bis 
zur nächsten Finanzperiode sämmtliche Diplomatenstellen für die 
Vertretung Bayerns außerhalb des Deutschen Reiches aufzuheben. 
Berlin, 31. Ott. Die „Nordd. Allgem. Zig.“ schätzt die 
Vesammtstärke des russischen Heeres um Plewna auf 1306,000 
Mann, 50 Positions- und 500 Feldgeschütze, bezweifelt trotz der 
Cernirung Plewna's, daß ein allgemeiner Angriff von Erfolg sein 
würde, da die Stellung Osmann Paschas's zu umfangreich und 
derselbe im Stande sei, überallhin bei einem Angriffe Reserven zu 
mntsenden. Gerüchtweise verlautet: die Russen beabsichtigen die 
Festhaltung des Schipka⸗Passes aufzugehen. 
Berbhin, 1. Nov. Einer gelegentlichen Bemerkung des 
Finanzministers Camphausen in seiner gestrigen Rede zufolge ist die 
Berufung des Reichstags zum 15. Januar in Aussicht genommen. 
Es wäre in diesem Falle kaum mögüch, vor der Vertagung mehr 
zu erledigen als den Etat und die anderen Finanzvorlagen, sowie 
einige untergeordnete Gegenstaͤnde, zumal nach der Erklärung des 
Abg. v. Schorlemer das Centrum zu beabsichtigen scheint, die Etats⸗ 
derathung wiederum in ausgiebiger Weise zu Angriffen gegen die 
ultusverwaltung benutzen zu wollen. 
Ausland. 
Paris, 31. Oct. In diplomatischen Kreisen wird erzählt, 
Marschall Mae Mahon habe am Montag Abend auf der Soice⸗ 
des amerikanischen Gesandten dem Botschafter einer Großmacht sich 
pahin geäußert, daß nur der Wille der Mehrheit des Senats, 
worüber noch nichts Sicheres vorliege, ihn veranlassen könne, den 
Versuch zu machen, sich durch die Bildung eines Cabinets aus den 
Reihen der conservativen Republilaner mit der Majorität der Kam—- 
ner zu verständigen. 
Paris, 1. Nop. Der „Telegraphe“ schreibt: „Ist es 
wahr, daß die Regierung eine Politit des Widerstandes bis aufs 
Messer annimmt, welche das Land in die Verwirrnng stürzen muß, 
gewisse Leute, von denen der „Soleil“ kürzlich sprch, sich ver— 
schworen haben, den Marschall Mac Mahon zu beseitigen, um so 
auf leichtere Weise zur Herstellung des Kaiserreichs zu gelangen? 
Man versichert, das ein Minister, der gestern dem Ministerrathe 
nicht anwohnte, Aufsschlüsse über die Sache geben kann. Wir er— 
warten die Bestätigung oder Widerlegung dieser Nachricht.“ So 
der Telegraphe“; der „Soleil“ deuiete schon vor einigen Tagen 
an, daß die Bonapartisten den Rücktritt des Marschalis benutzen 
vollen, um einen Gewaltstreich auszuführen. 
Dem „Soleil“ lommt folgende Aeußerung zu Ohren, welche 
er Marschall Mac Mahon erst kürzlich gethan hätte und die 
unen merlwürdigen Einblick in den Gemüthszustand des Präsidenten 
zeflattet: „Ich kann den Tod des Herrn Thiers nur bedauern, 
denn wenn er noch lebte, hätte ich ihm ohne Bedenken die Regie⸗ 
rung übergeben, da ich dann gewußt hätte, daß ich sie in erfahrenen 
ind in der Uebung der Stagisgeschäfte geübten Haänden ließ, und 
iamentlich weil ich nicht hatte zu befürchten brauchen, daß die 
Itganisation der Armee uͤnter dem Wechfel leiden sonnie.“ Ueber, 
»aupt glaubt der „Soleil“ zu wissen, daß „der Marschall nur 
allzusehr geneigt ist, die Präsidentschaft der Nepublik niederzulegen“. 
Dagegen kann die „Assemblee nationale“ melden, daß der Herzog 
yon Broglie wöͤrtlich gesagt hätte: „Der Marschall wird auf dem 
Ehrenposten, auf welchen ihn die Nationalversammlung gestellt hat, 
jest ausharren und wenn einst die Stunde für ihn gekommen sein 
wird, sich von demselben entheben zu lassen, wird er nicht gestatten, 
daß der Radikalismus seinen Platz einnehme, denn das ware das 
Berderben des Landes und der Marschall will das Heil Frank⸗ 
reichs.“ Die „Corr. Losb.“ bemerkt hierzu: „Von den beiden 
Aeußerungen halten wir die erstere nicht nur für die wahrschein⸗ 
lichere, sondern auch für die viel bedeutsamere. 
Das Haus OrlGans scheint jeden Gedanlen an teine Re⸗ 
stauration oder besondere Einwirkung auf die Geschicke Frankreicht 
zufgegeben zu haben, wenigstens geht dies aus einem Anilel ihres 
Zeiborgans, des „Soleil“, hervor, das genannte Blatt schreibt: 
Wir haben für die Prinzen des Hauses Orléeans eine lebhafte 
Sympathie, dies wird uns aber stets verhindern sie direlt oder in⸗ 
irelt mit den großen Tagesfragen in Beziehung zu bringen. Ihre 
jeutige Rolle ist die einfacher Burger und Soldaten, und würde 
nan ihnen nur einen schlechten Gefallen erweisen, wenn man sie 
nn die Kombinationen der Parteien hineinziehen wollte. 
Petersburg, 1. Nov. Ein öffizielles Telegramm aus 
Bogot vom 31. Oktober lautet: In den am 21. und 28. d. M. 
bei Gorni Dubnik und Telisch stattgefundenen Kämpfen sind 13 
Tabors Infanterie, 5 Schwadronen Kavallerie unde Geschüße in 
insere Hände gesallen, im Ganzen 7000 Mann, worumen sich 2 
Paschas, gegen 200 Offiziere, ferner drei Engländer und ein in 
konstantinopel ansäsfiger Franzofe besfinden. Der eine der Eng⸗ 
änder steht als Oberst in türkischen Diensten, die beiden anderen 
ind Aerzte und wurden bei den türkischen Verwundeten gelassen. 
Der Franzose war als Freiwilliger in türkische Dienste eingetreten. 
Als eine Folge der am 24. und 28. von den Tuͤrken erlittenen 
stiederlagen ist arzusehen, daß Schefket Pascha, der in Radomirze 
tand, sobald er unsere zum Relognosjiren vorgehenden Grenadiere 
hemerkte, mit 12 Tabors aus dem erwähnten Orte entfloh. Er 
vitd dvon unserer Kavallerie verfolgt. Die Brüde von Radomirze 
Hefindet sich unbeschädigt in unserm Besitz. 
Petersburg, 1. Nov. Offijieües Telegramm aus Wisin⸗ 
di vom 30. Oktober: Gestern ist hier aus Kopritdi vom General 
Heimann die Meldung eingetroffen, daß seit dem 28. c. seine Ka— 
zallerie mit der des Generals Tergassow vereinigt ist und die sich 
hinter Koprildi zurückziehenden Truͤppen Moulhtar Paschas verfolgt. 
Die Infanterie Tergukasfow's ist im Vorrüden begriffen, um sich 
benfall mit der Kolonxe des Generals Heimann zu vereinigen. 
Vermiscqhtes. 
Die Pfälzische Aussteuer⸗Anstallt nimmt in den 
—AXX Pfalz einen erfreulichen Fortgang. 
zn Speyer sind bereits über 200 Mitglieder beigetresen. Bei 
iner verhältnißmäßig gleichen Betheiligung auch anderwärts ist ein 
chdner Anfang des Unlernehmens zu konstatiren, und es darf wohl 
die Erwartung ausgesprochen werden, daß kurz vor Weihnachten 
dieses Jahres eine erste Vetloosung unter beilaͤuflg 1000 bis 1200 
Mitgliedern statifinden kann. 
München. Seit längerer Zeit sind falsche Fünfzig⸗ 
pfennigstücke von zweierlei Gattung im Umlauf; die eine 
weniger häufig vorkommende Sorte besteht dus Zinn, ist in einer 
aach echten Stücken bergestellten Form gegossen und an der grau⸗ 
lichen Farbe leicht erlennbar; die andere ist neuestens weit ver⸗ 
breitet, besteht aus Neusilber, ist mit falschen Stempeln geprägt 
und an der gelblichen Farbung und der schiefen Stellung der Buch⸗ 
daben und Zahlen kenntlich. In jüngster Zeit haben letztere 
Stůcke gein die Jahreszahl 1877 Efrüher 1874) und das Münz⸗ 
jeichen O. 
Karlsruhe, 31. Ott. In Bühl bei Baden erschoß 
sich Banquier Jos. Maier von Rastait; derselbe hat auch eine