Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker Anzeiger. 
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der St. Jugberter Anzeiger und das (2W mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage) Rerscheint wöchentlich viermal: Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementspreis beträgt vierieljahrlich 
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nte 174. Dienstag, den 6. November 1877. 
Zur Malzaufschlagfrage. 
Gegenuber den in der „Pfälzer Zeitung“ enthaltenen Auf⸗ 
tellungen, durch welche die Einsührung des Malzaufschlages in 
der Pfalz als gerechtfertigt motivirt werden soll, erinnern wir 
an folgende Thatsachen: 
1. Daß die Pfalz im Jahre 1816 schuldenfrei an Bayern 
kam, welcher günftiger finanzieller Zustand in dieser von den er⸗ 
bittettsten Kriegen zerrütteten Grenzprovinz nur mit großen Opfern 
dadurch erreicht wurde, daß die einzelnen Gemeinden aus eigenen 
Matteln die kolossalen Kriegsschulden tlgten, in Folge dessen noch 
heute einzelne Gemeinden der Pfalz unter den damals übernom⸗ 
menen Verpflichtungen leiden; 
2. daß der Malzaufschlag zur Verzinsung und Amortisation 
der alten bayerischen Staatsschuld gefchaffen wurde; 
3. daß zu der Deckung der neueren Staatsschuld die Pfalz 
in erheblichen Maße mit in Anspuch genommen wird; 
4. daß in der Pfalz eine Aprocentige Permuiatiousgebühr bei 
Besitzwechse ꝛc. erhoben wird, im jense tigen Bayern nur VNs pCt.; 
5. daß in Folge dessen die Pfalz, wie eine Zusammenstellung 
us den Jahren 1874,75 (nicht 1865,/66) ergibt, von den 7 
zayerischen Provinzen (mit Ausschluß Oberbayerns, das wegen 
siner durch die großen Städte, wie München, durch den Sitz der 
Residenz und als Ceuntralpunkt der Staatsverwaltung herbeigeführten 
Aussnahestellung nicht in Betracht kommen kann) bei Weitem den 
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rächste Propvinz ISchwaben] nur 791,810, Oberfranken aber nur 
348,360 zahlt. Die Gesammtsumme der Taxgefälle in den er— 
vährten 7 Provinzen betrug in dem genannten Jahre 4,476,545 
., was auf einen der 7 Kreise im Durchschnitt 639,506 fl. be⸗ 
rägt. Da die Pfalz aber 994,800 fl. bezahlt, zahlt sie 385,294 
1. über den Durchschnitt, was noch mehr beträgt, als die ganze 
Provinz Niederbayern überhaupt bezahlt. Rechnet man dazu noch 
zie Abfindungssumme von 100,000 fl., welche die Pfalz an Stelle 
»es Malzausschlages zahlt, so ergibt sich ein? Mehrbelastung von 
155,294 fl.; 
6. daß in der Pfalz die Hypothelenämter und Steuerein— 
aehmereien noch heute von den Partien bezahlt werden; 
7. daß endlich die Pfalz einen großen Theil ihrer Kreis— 
amlagen, die bei Weitem höher sind, als die aller übrigen Pro— 
binzin, zu Zwecken zahlt, welche drüben aus Staatsmitteln bestritten 
verden. 
Aus allen diesen und noch anderen Gründen, die wir früher 
chon eroörtert haben, wäre die Einführung des bayerischen Malz⸗ 
rufschlags in der Pfalz einfach eine — „unverantwortliche Un— 
lerechtigkeite!“ (K. 3.) 
Deutsches Reich. 
Verlin, 3. Nov. Eine kaiserliche Cabinetsordre bestimmt, 
um das Andenken Wrangels zu ehren, daß sämmtliche Dffiziere 
»er Armee acht Tage Trauerflor tragen und daß das ostpreußische 
Fürassier-Regiment den Ramen „Graf Wrangel“ beibehält. 
Der erste Vicepräsident des Reichstages, Freiherr v. Stauf—⸗ 
enberg, wird binnen kurzer Zeit nach Berlin übersiedeln, 
venigstens hat er dort füt 6 Monate eine Wohnung gemiethet. 
Breslkau, 3. Nop. Der „Schles. Presse“ zufolge hat 
danonikus Künzer vom päpstlichen Staatssckreiär Simeoni ein 
Schreiben erhalten, durch welches ihm wegen Befolgung der Mai— 
jzesetze die fernere Ausübung von vriesterlichen Funktionen unter— 
agt wird. 
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Ausland. 
Wien, 4. Nov. Die hochoffiziöse „Montags Revue“, das 
Scheitern der Zollvertrags-Unterhandlungen an leitender Stelle be— 
prechend, sagt, „daß das bisherige freundschaftliche Einvernehmen 
wischen Wien und Berlin keine Trübung erfahren habe. Die 
eitenden Staatsmänner beider Staaten haben sich verstehen gelernt; 
dieses gegenseitige woblwollende Verständniß ist die feste Büraschaft 
zegen jede Moöglichke't ipolitischer Verstimmung.“ — Der belannte 
Zerliner Correspondent desselben Blattes schreibt: „Das Zusammen⸗ 
jehen der drei Monarchen Oesterrrichs, Deutschlands und Rußlands 
st durch so hochernste und gewichtige Erwägungen bedingt, daß das 
„—cheitern der Zollvertrags-Unterhaudlungen daneben faft völlig be⸗ 
deutun slys wird.“ 
Wien, 4. Nov. Die offiziöse, Montagsrevbue“ tritt der 
Unschauung entgegen, daß der den Parlamenten beider Reichshälften 
orzulegende Zolltarif schutzzöllnerisch sein werde und theilt ferner 
nit, daß die öserreichischen Minister aus Pest gänzliche Zollfreiheit 
ür Getreide und Mehl an der ganzen österreich-ungarischen Grenze 
nitbringen. Den Gang der Verhandlungen mit Deutschland resu⸗ 
nirt die „Montagsrevue“ folgendermaßen: Die deutschen Bevoll⸗ 
nächtigten hätten zuerst einen Vertrag mit Einräumung der Vor—⸗ 
heile der meistbegünstigten Nation gefordert, jedoch die von Oester⸗ 
eich Ungatn aufgestellten Gegenbedingungen abgelehnt. Obschon 
»dann auch der von deutischer Seite gemachte Vorschlag, den be⸗ 
ehenden Vertrag um ein Jahr zu verlängern, von Oesterreich⸗ 
UInzarn abgelehnt worden sei, hätte iich letzterer Staat doch dor⸗ 
ehalten, die Verhandlungen über einen Verirag auf der Bafis der 
neistbegünstigteu Nation z: gelegener Zeit wieder aufzunehmen, 
velche Verhandlungen auf dem gewöhnlichen dirlomatischen Wege 
zefühtt werden würden. 
Wien, 4. Nov. Das Wiener „Tagblatit“ meldet aus Bu— 
arest: Der Czar äußerte in Gegenwart mehrerer fremder Militär—⸗ 
ittahes: „Wir haben keinen Alliirten gesucht, ater einen gefunden, 
»en Winter, mit dessen Hilfe wir den Krieg rasch beendigen und 
joffentich im nächsten Frühjahr in der Heimath uns begrüßen 
verden.“ — Der „Presse“ wird aus VLondon geschrieben: General 
demball, welcher der Armee Muthtar Paschas attachirt ist, erklärte 
zach der Untersuchung der Befestigungen Erzerums, daß die Festung 
auf die Dauer nicht widerstandsfähig sei. 
Rom, 4. Rov. „Fanfallu“ sagt: Der italienische Gesandte 
in Paris, Cialdini, wünscht eine Luftveränderung. — Im Konsisto⸗ 
rum werden im Dezember sechs Kardinäle, und zwar fünf Ita— 
iener und ein Franzose ernannt werden. — Midhat Vascha be⸗ 
indet sich in Rom. 
Vermischtes. 
In Pirmasens wurde ꝛin Dienstmädchen von ihrer 
Herrschaft verschiedener Diebstähle überführt. Aus Angst vor Be— 
trafung stürzte es sich aus dem zweiten Stock auf die Straße und 
erlitt erhebliche Verletzungen. 
F Der von Meisenheim kommende Postwagen wurde in der 
vorgestrigen Nacht in der Nöhe von Schallodenbach um— 
geworfen und slark beschädigt. Der Postillon trug einige Ver⸗ 
letzungen davon; ein Possagier erlitt nur einige leichte Contusionen. 
fDer Fleischer Sonntag in Gera ist vom Appellationg— 
zericht in Jena, dessen Entscheidung angerufen worden war, zu 
100 M. Geldbuße und in alle Koflen verurlheilt worden, weil die 
„ei ihm pol'zeilich weggenommenen 6 Centner Cervelatwurst Zusatz 
»on Kartoffelinehl und Anilinfarbe enthielten, deren Genuß be— 
'anntlich gesundheitsgefährlich ist. Der Verurtheilte führte zu seiner 
Rechtfertiguag an, daß in anderen Wurstfabriken thütingischer Orte. 
heren viele namhaft gemacht wurden, ebenfalls Anilin zur Wurst⸗ 
ärbuag verwendet werde. Vor wenigen Tagen hat die Polizei in 
Apoldadorf ebenfalls wieder große Quantitäten Schlack- 2c. Wursi 
deseiligt, welche mit dergleichen schädlichen Beimischung „ge— 
schönt“ war. 
f In Odessa Zeizen sich die armen Leute mit Militär⸗Zwie⸗ 
zack ein. 50,000 Pud à 40 Pfund lagerten schon lange im Freien, 
ex war durchaus zu nichts anderem zu brauchen als zur Feuertung. 
Das Pud wird zu 15 Kopecken verkauft. 
Für die Redaction verantworttich: FX. Deme,. — 
Iimicirte —X Herausgegeben vom somgl. Sber⸗ 
förster H. Nibsche. Fünfter Zabrganq. Pr. Zent⸗