Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Acnzeiger. 
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X 198. Dienstag, den 18. Dezember 
187. 
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Deutsches Reich. 
Leipzig, 18. Dezember. Der Verein deutscher Eisen⸗ und 
Stahlindustrieller hielt beute in unserer Stadt eine aus allen Thei⸗ 
zu des Reichs besuchte Vorstandssitzung. Außer internen Fragen 
zeschäftigte man sich mit den Zielen, welche die deutsche Handels⸗ 
politik einzuschlagen habe, zumal der Abschluß eines neuen Handels- 
dertrages mit Oesterreich gescheitert ist und auch trotz der zeit veili⸗ 
zen Verlängerungen des voch laufenden Vertrages die Aussichten 
zJuf einen späteren günstigen Ubschluß nahezu hoff zungslos sein sollen. 
Nachdem die Erwartungen, welche zu Gunsten der freihändlerischen 
tichtung von dem neuen Verttage erwartet worden sind, fich als 
Taäuschungen erwiesen hätten, sprach sich der Verein dahen aus, daß im 
Interesse der nothleidenden Eisenindustrie die scleunigste Wieder⸗ 
aͤnführung von Zöllen für Eifen, Eisenartilel und Masch nen dringend 
nothwendig ei. Von einer Kommi'sion war ein Tarif ausgear eitet 
worden, der von einem Roheisenzoll von 0,30 WVark pro Centner 
usgehend, sich in den meisten Satzen an die bis zum 31. Dezember 
1876 bestandenen Zölle fur Eisenartikel und Maschmmen anschließt, 
aur wenige Positioneu erhöht, andere dagegen ermäßigt. Der neue 
Tarif vurde mit einigen Abänderung u genehm gt und soll dem 
steichskanzleramt zur Berücksichtiguug unterbreitet werden. — Von 
den übrigen Berathungsgegenständen ist als Gegenstand von allge⸗ 
mneinem Interesse nur hervorzuheben, daß sich der Verein im üll⸗ 
zemeinen gegen den Eniwurf eines preußischen Kommunalsteuer · 
Besees aussprach. 
Ausland. 
Pest, 14. Dez. Der „Pester Llohd“ meldet: Eine bisher 
Jeheim gebliebene päpsiliche Bulle vom 18. Mai 1873 mit den 
cingangsworten: „Constitutio sedis apostolicas Mureris“* verfügt, 
daß die Papstwahl nicht in Italien, sondern in Malta oder Monaco 
der einer iinen Stadt Fraukreitps abgehalten werden soll. (B. T.) 
Bersarlles, 15. Tez. Die Kammer voritte zwei Zwösfiel 
des Budgets und die vie: direlten Sleuern. Die Bonoͤparuisten 
und Legürmisten erklärten vorher, daß sie für die Bewilliaung stim⸗ 
men würden, daß aber darin keine Vertrauenserklärung füe das 
Rinisterium liege. 
Aus Lor'don wird vom 15. De. gemeldet: Derby unter⸗ 
breiteite gestern dem Ministerrath eine türkische Crcularnote, worin 
die P'orte sich bereit erklärt, die Vermuttelung Eutopas anzunehmen. 
Die Noie sagt ferner, Europa könne jeßt mit Nuteen sich in's 
Mittel legen, da die Pforte bereit sei, einen Vergleich zu schließen; 
die Türtei werde für ihre Unabhängigkeit und Integrität Alles 
pfern, wüniche jedoch das Blutvergießen zu deendigen und rufe 
den Gerechtigkeitssinn der Großmächte an.“ 
Petersburg, 18. Dez. (Ofiz'ell) Bogot, 14. Dez. 
Der russische Verlust am 12. Dezemder bei Trestenik und Meischta 
st noch nicht endgiltig festgestellt. Annä ernd war der Vertust 
solgender: 25 Offigsert todt und verwundet, gegen 90 Soldaten 
odt und circa 600 verwundet. Der Verlust der Türken war sehr 
bedeutend, desonders bei dem Rückzuge über den Lom. Vor unseren 
Positionen sind vorläufig über 600 Türkenleichen aufgesammelt; 
das Sammein ist aber dei Weitem noch nicht beendigt. Unter den 
zefangenen Türken sind 150 Verwundele und ein Stabsoffisier. — 
Die Tuken haben Eleen a in Brand gestedt uad geräumt. Die 
Russen zogen dort ein. 
Konstantinopel, 15. Dez. Auf Ersuchen des Sul⸗ 
ans hat der britische Botschafter Lahard an Lord Derdhhy telegra⸗ 
hirt, er moͤne nach Bularest teltarapsiren, um Osman Pascha die 
Sympathien des Sultans aus;udrücken. 
Auch Suleiman ist geschlagen, das Kriegsglück hat der 
Türkei den Rücken gekehrt; aber ehrenvoll stedt sie ihr Schwerl u 
die Scheide, wenn sie nun die Mächte um Vermittelung ersucht. 
Daß man in der Türkei den Frieden dringend wüsscht, gert schon 
— ganz abgesehen von der eben bekannt gewordenen Circularnote 
— hervor aus einem vor einigen Tagen verdffentlichten Ariikel 
ines der heißblütigsten tückischen Blaäätter. Der „Valit“, welcher 
davon spricht, im Nothfall den Krieg „bis zur letzten Patrone“ 
ortzusetzen, und erklärt, daß die Unserechtigkeit eines nicht provo⸗ 
irten Krieg d dem civilisirten Europru zur ewigen Schande ereiche, 
ezeichnet trotzdem die beabsichrigte Vermistelung der europäischen 
RNächte für wünschenswerth. Die kürkischen Beätter heben im 
lebrigen hervor, daß der Kampf bei Plewna zwischen 40,000 
Türken und 150,000 Russen statigesunden hate und daß eine Kation 
son 15 Millionen Türken nothwendigerwese von einer Nation von 
75 Millionen Russen erdrückt werden müsse. 
Vermisites. 
j Zweibrücken, 11. De, (Focrtsetzung der Schwurge⸗ 
ichts Verhandlung gegen den Bäcker und Krämer Jalob Grisede 
on Heppenheim.) 
Der sofort herbeigerufene Atzt Dr. Bickerle in Albisheim, 
ermuthete soaleich eine Vergiftung durch das Mittagessen, war 
ber Aufangs der Meinuns, der Giftstoff rühre von den 
dochgefäßen her und sei met llischer Natur. Es warden alsbald 
ie eengneten ärztlichen Maßreg⸗in g troffen, die bei allen Erkrankien, 
nit Ausnasme des Vaters Vescher von Erfolg waren. Letzierer, 
er bei Tisch einen kräftigen Appetit entwide llund enen ganzen 
T et der besagten Knödelbtühe gegessen hatte, schrint am meisten 
ron dem Gihste infizirt worden zu sen, denn schon am 24. Märjz 
tarb er, nachdem vorher ein starkec Verfall seiner Krte statt 
jefunden hatie. Von der Knödelbrühe hatte die Hauslatze gefressen 
ud sich darauf erbrochen. Ebenso war ein Haushuhn, welches 
dahrscheinlich von den Ausleerungen der Kranken, mönlicher Weise 
ber von dem in die Pfuhlgrube geichütteten, vom Sonn age übrig 
ebliebenen Saueikcaut gefressen hatte, am 21. März krepitt. 
Der Kochhafen, in dem de Knödel gektocht worden waren, 
eigte sich nach vorgenommener P üsfung frei von meiallijchem Gifte, 
agegen wurde der Mehlrest am 24. Marz chemisch u tersucht und 
tuab diese Untersuchung, daß in demselben Arsenik in nicht un 
edeutender Quanutät enthalten war. Die gerichtliche Secsion der 
deiche des alien Bescher eraab normalen Zustand der Hauptorgane; 
ne kunstgerechte chemische Unterjuchung der Engeweide des New 
torbenen dagegen unzweifelhaäft starten Arsenikaehalt, jedoch keinerlei 
indere giftige Stoffe, weder mi eralischer noch organischer Natur. 
Die noch vorhandenen Kuödel enthielten ebenfalls bedeut · nde Menge 
on Arsenik, dagegen zeigte sich das verwendele Fett, das Kochsalz ꝛc. 
owie eine bei Händler Kopf von dessen Mehl enthobene Probt 
janzlich giftfrei. Das gerichtärziliche Gutachten ging dahin, daß 
ser Vater Bescher an den Folgen einer Arsenikvergif:ung seinen 
Tod gefunden habe. 
Wie war nun dieses diliche Gift unter den Mehlvorrath 
jsekommen. Arsenik oder an ers Gist war nie in's Bescher'sche 
daus gelommen. De Familienmitgliedee im Hause selbst lebinen 
ille in der größten Eintracht miteinander, hatten übrigens auch alle 
hne Ausnahme von den Knödeln gegessen, was doch nicht geschehen 
ein würde, wenn unter ihnen sich der Gefimischer befunden hätte. 
)er wirkliche Thäter hzunte die Beimischung des Giftet erst am 
dache tiage des 16. März bethätigt haben, da am 15. und am 
Bormittag des 16. Marz ein Theil des vorhandenen viehles zu 
nen Speijen ohne alle üb len Folgen Verwendung gefunden hattt. 
Da auch vom 15. die zum 20. März außer einem Handelsmanne, 
der nur die Stude auf kurze Zeit benneten und mit Vaier Bescher 
ich besprochen hatie und dem Angeklagten keine freinde Persönlich- 
eit das Bescher'sche Haus betreten hatte, so lenkte sich der Verdeacht 
der Thäterschaft gegen den Letzieren, den auch sein Schwiegervater 
mif dem Sierbebette as den vermuthlichen Giftmischer bezeichnete. 
In welcher Wise sich die Verdachisgrunde gegen den Angellagten 
säuften, werden wir in einem weileren Berichte besprechen. 
(GFortiezung folgi.) 
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Fur die Redaction verantwortlich: J. X. Deme