Full text: St. Ingberter Anzeiger

ganisatorische, qualitative und numerische Ueber⸗ 
iegenheit über den Gegner. 
Wie steht es nun aber mit dieser numerischen 
Ueberlegenheit? Bei dieser Frage wollen wir die 
uns mit Willen auferlegte Reserve, keine Vergleiche 
anzustellen, fallen lassen, weil wir uns hierbei auf 
einem rein rechnerischen Gebiete, auf dem der Re— 
sultate des Ersatzgeschäftes und des Durchlaufens 
der Zahlen durch die Jahreskontingente des Heeres 
bewegen. Wir werden bei der Beantwortung der 
Frage nur die aus dem Wehrsysten hervorgehenden 
Zahlen der Wehrpflichtigen beider Nationen m eine 
vergleichende Klasfifikation einstellen und so das 
Aufgebot der gesammten personellen Wehrkraft kon⸗ 
struiren, wie dasselbe heut — in idealer Erfüllung 
aller organisatorischen Voraussetzungen — vorhanden 
und kriegerisch verwerthbar sein kann. 
Die in „Avant la bataille“ beigebrachten 
Zahlen, welche ganz erkennbar auf offiziellen Unter⸗ 
lagen beruhen, erscheinen uns als richtige; die von 
uns beigebrachten Zhlen beruhen auf den bei uns 
ährlich offiziell veröffentlichten Resultaten des Er— 
satzgeschäftes, deren jührliche Verminderung im Durch ⸗ 
auf durch die Dienstpflichtjahre wir nach den gleichen 
Erfahrungssätzen berechnet haben, wie dieselben den 
detaillirten Berechnungen in „Avant la bataille“ 
zu Grunde gelegt worden sind. 
Diese von beiden Seiten beigebrachten Zahlen 
sind also nach bestem Erkennen und Wollen richtige, 
aber fie sind doch nur als Zahlen auf dem Papier 
anzusehen, deren volle Realisirungabhängig ist von 
der mehr oder mindergroßen Reibung der kompli— 
zirten Maschine, welche die Organisation jedes Heer⸗ 
wesens ist; die deutsche ist mehrfach als solide und 
zuverlässig erprobt, die französische steht noch vor 
dieser Probe. 
Das Wehrsystem der beiden Staaten erbringt 
jolgende personelle Wehrkraft: 
Frankreich. Deutsches Reich. 
Armee der ersten Linie. 
5 Jahrgänge des altiven 3 Jahrgänge des aktiven 
Dienststandes und Dienststandes und 
J Jahrgänge der aktiben 4 Jahrgänge der Reserve 
Reserbe: 
1,3355,205 Ausgebildete 1,050 000 
696,254 Unausgebildete 200,000 
2051.459 Koöpfe 1,250, 000 
Armee der zweiten Linie: 
õ Jahrgänge Territorial- 5 Jahrgänge Landwebr 
Armee: 
604,656 Ausgebildete 700,000 
333,336 Unausgebildete 640,000 
937,902 Köpfe .340,000 
Armee der dritten Linie. 
dͤ Jahrgänge Territorial· 8 Jahrgänge Landsturm: 
Reserbe: 
761,464 Ausgebildete 850,000 
357. 740 Unausgebildete 930,090 
1,119,204 Köpfe —IXXV 
hesamm-Aufgebot von 20 Jahrgängen. 
2,721,825 Ausgebildete 2,600,000 
1,387,330 Unausgebildete 2,270, 000 
4,108,655 Wehrpflichtige. 4870, 000 
Während durch ein solches Aufgebot die Wehr⸗ 
kraft Frankreichs organisationsmäßig erschöpft ist, 
ist es die des deutschen Reiches noch nicht, denn 
es stehen demselben noch die drei jüngsten und die 
beiden ältesten Jahrgünge des Landsturms zur Ver⸗ 
fügung, welche mindestens noch einen Bestand an 
Wehrpflichtigen von einer Million in sich bergen. 
Wenn die Erbringung dieser ungeheuren Zahlen 
pon französischer Seite nur zu dem Zwecke geschehen 
ist, durch die Größe derselben den Glauben des 
Franzosen an die unbedingte numerische Ueberlegen⸗ 
jeit des französischen Heerwesens über das deuische 
zu erwecken und ihm so eine unerschütterliche Zu⸗ 
zerficht auf den Sieg einzuflößen, so hat uns durch 
die Gegenüberstellung unserer Zahlen eine gleiche 
Tendenz vollständig ferngelegen; wir haben 
einfach nur die Verhältnisse auf bei— 
den Seiten klar legen wollen, damit 
sich Jeder nach Belieben seine Lehre da— 
raus ziebe. 
Deutsches Reich 
Berlin. Die aus Wien hierhergemeldeten 
Berüchte von einer für den Herbst bevorstehenden 
Zusammenkunft zwischen dem Kaiser Franz Joseph 
und dem Zaren begegnen hier ernsthaften Zweifeln. 
Der Termin, den die publizistischen Verbreiter des 
Ferüchts stesllen. ist etwas weit hbinausgesteckt und 
man braucht nicht viel Scharfsinn aufzuwenden, 
um sich zu sagen, daß heute noch keine bindenden 
Abmachungen für ein Ereigniß getroffen sein können. 
velches angeblich erst nach Schluß der Herbstmanö⸗ 
der stattfinden soll. Wäre dies Unwahrscheinliche 
aber auch der Fall, dann ließen sich daraus noch 
mmer keine Rückschlüsse auf die augenblickliche Lage 
iehen, nomentlich soweit die Wirren auf der Bal⸗ 
'anhalbinsel in Frage kommen. Die letzteren drängen 
zu einer aluten Entscheidung, und die Blicke der 
diplomatischen Welt find mit viel größerem Interesse 
als auf die nebelhafte Kaiser⸗Entrevue in diesem 
Moment auf die merkwürdige Zusammenkunft von 
Diplomaten und Generälen gerichtet, welche am 
doflager des Zaren in Livadia allerlei dunkle, dem 
uropaischen Frieden wahrscheinlich nicht zuträgliche 
Dinge zusammenbraut. Die Befürchtung, daß Grie⸗ 
henland einen Rückhalt an Rußland findet, ist bisher 
in glaubwürdiger Weise nicht widerlegt worden, 
und das Vertrauen in den Erfolg der Rosebery'schen 
Roten, welche abermals gemeinsame Schritte der 
Broßmächte gegen das athenische Kabinet verlangt, 
st im Zusammenhang mit diesen Besorgnissen leider 
tein großes. Bei alledem braucht man freilich in 
»er pessimistischen Betrachtung der Verhältnisse im 
Osten nicht so weit zu gehen, wie es kürzlich ein 
zroßes deutsches Blatt gethan, welches allen Ernstes 
rzählte, es sei wegen der Aussicht auf einen Krieg 
nit Rußland ungewiß, ob Kaiser Withelm sich 
»iesmal, wie allfährlich, nach Ems werde begeben 
önnen. So weit sind wir doch wohl noch nicht, 
daß der Knoten der bulgarisch- hellenischen Frage 
nit dem Schwert wird durchhauen werden müssen, 
ind unser greiser Kaiser wird sich seine sommerliche 
Erholung an den Heilquellen von Ems und Gastein 
joffentlich in diesem Jahre gerade so gut gönnen 
können wie immer. 
— — 
Ausland. 
Bruüssel, 24. April. Zwischen streikenden 
Urbeitern und der Gendarmerie kam es gestern 
Otittag in der Fabrikstadt Grammot (Ostflandern) 
u einem Straßenkampfe, bei welchem mehrere Ar— 
eiter und Gendarmen verwundet wurden. 
Paris, 24. April. Verschiedene Blätter 
ringen die geradezu ungeheuerlich klingende Nach⸗ 
icht, der ehemalige Oberkommandirende in Tonkin, 
—RDDV 
hn und seine Kommandoführung kompromittiren 
önnten, gestohlen und wahrscheinlich vernichtet. 
Paris, 26. April. Delyannis hat, wie die 
„Agence Havas? meldet, gestern dem französischen 
Besandten in Athen, Grafen Mouy, mitgetheilt, daß 
Briechenland einwillige, abzurüsten. 
ELondon, 25. April. Nach einem Telegramm 
des „Reuterschen Bureaus“ aus Aden sind sämmt⸗ 
iche Mitglieder der unter der Führung des Grafen 
Perros am 27. März c. von Zeilah abgegangenen 
talienischen wissenschaftlichen Expedition durch den 
kmir von Harrar ermordet worden. 
Zur Haltung Rußlands schreibt dem 
„Berl. Tagbl.“ ein gutunterrichteter Gewährsmann: 
ach Mittheilungen, deren Verläßlichkeit außer 
Zweifel steht, hält Kaiser Alexander an der Frie⸗ 
»enspolitik fest. Es ist um so wichtiger, dies zu 
etonen, als eine Zeit lang ein gewisses Schwanken 
dußlands sich fühlbar gemacht hatte. Dasselbe 
rückte sich allerdings, nicht in Thoten und nicht 
inmal in offiziellen Erklärungen aus, wohl aber 
nachte es fich, wie gesagt, „sühlbar', und zwar 
urch eine zeitweilig unangenehm wirkende Ent⸗ 
chlußlosigkeit und durch längeres Zögern in Fragen, 
ei welchen es sich um eine Stellungnahme gegen⸗ 
iber Ansichten oder Anregungen der anderen Groß⸗ 
nächte in Betreff des Orients handelte. Nun ist 
ie unsichere Periode“ in Rußland einstweilen wie⸗ 
ser überwunden, und jene hohen und einflußreichen 
russischen Kreise, welche für ein Loßsagen Rußlands 
jom europäischen Konzert eingetreten sind, haben 
eine Niederlage erlitten und erscheinen vor der Hand 
ils unschädlich. Wie lange das vorhalten wird, 
dermag natürlich Niemand zu sagen. Die Folge 
pon diesem Umschwung trat bereits in den letzten 
Tagen in die Erscheinung. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*In der Nacht nach Ostersonntag verstarb 
u Homburg der prot. Dekan Wilhelm Henn 
m 49. Lebensjahre, seit 1877 an der Spitze dieser 
Hiözese. Ein Mann von großer Leistungsfähigkeit 
ind Arbeitskraft und dabei von warmem Herzen 
ür das Wobl seiner Kirche ein treuer Hirie und 
dabel ein bedeutendes Verwaltungstalent, ein re 
prühender Geist voll herzlicher Frommigken ichn 
iebenswürdigen Wesens ist mitten aus der gun 
abgerufen worden. Es wird ihm ein treueg we 
denken bewahrt bleiben. n⸗ 
— Kaiserslautern, 20. April. J 
Fickeisen, Metzger von Ulmet, ist der Beleid 
des prot. Pfarrers Friedrich Zinn von da en 
begangen durch Zusendung eines anonymen —* 
in welchem demselben unzüchtige Handlungen 
trunkenheit u. s. w. unter Gebrauch von Schin 
worten vorgeworfen wurden. Das Urthen n 
erst am Samstag. Das Zeugenverhör desne 
fich noch einem Bericht der . Vf. Prese * 
daß voraussichtlich aus dieser Anklage weitere Un 
tersuchungen erfolgen müssen, sicherlich ade 
jolche wegen Meineids, da die Zeugenaussage r 
Pfarrers Zinn mit der Zeugenaussage seiner hen 
Dienstmagd in großem Widerspruche sland. er 
— Kaiserslautern, 24. April. Ein 
aus 33 Köpien bestehende Zigeunerbande Ebann 
die den Mannheimer Pferdemarkt mit ihter Gegen 
wart beglücken wollte, wurde heute Nacht von d 
ziesigen Gendarmerie in der Nähe des —** 
jofes aufgegriffen und der Gendarmeriestation Land⸗ 
tuhl behufs Weiterbesörderung über die Landa, 
grenze übergeben. 
— Gpfalzisches Gewerbemuseum.) Herrn Hil. 
zard Villard in Berlin hat das Gewerdemu. 
seum neuerdings wieder einen Beweis seines steten 
Wohlwollens zu verdanken, indem derselbe dieser 
Tage die erste Lieferung des im Brudmaun'schn 
Zunstverlage in München erscheinenden epochemachen · 
den Werkes „Die Architektur der Renaifsance in 
Toskana? mit der Zusage übersandte, daß denm 
Institut die weiteren Lieferungen des auf ca. 1500 
Mark sich berechnenden Werkes je nach ihrem Er— 
scheinen direkt durch die erwähnte Veriagsanstah 
zugestellt werden. 
— Die evangelische Konferenz in Hochspeher 
vird am 28. d. M. stattfinden. Pfarrer D'Alieu 
nn Rohrbach wird die biblische Ansprache hallen 
ind Pfarrer Bott von Nohfelden (Birkenfeld) den 
Bortrag über: „Gewinnung persoönlicher Kräfte fur 
den Dienst im Reiche Gottes.“ Die Konferenj 
—R0 
str. 7 in der Richtung von Neunkirchen nach Lud 
vigshafen hält an diesem Tage in Hochspeyer an: 
ꝛbenso der Schnellzug Nr. 8 von Ludwigshafen het, 
»eꝛ um 10 Uhr 8 Min. in Neustadt abgehi. Ein 
geladen sind alle Protestanten geistlichen und welt⸗ 
ichen Standes, welche auf dem Boden des Wortes 
HBottes und des kirchlichen Bekenntnisses der Augs 
hurger Konfession stehen. 
— Niederkirchen, 18. April. (hüten 
kuch vor zu warmen Kuchen) Heute Abend der⸗ 
chied unter den größten Schmerzen unser jehziget 
Bürgermeister Johannes Fetzer. Sein Tod sol die 
Folge des Genusses von warmem Kuchen sein, den 
er Tags zuvor gegessen hatte. Es scheint, meint 
der Korrespondent der „Pf. V.⸗Ztg.“, ein eigenet 
Verhängniß über unseren Bürgermeistern zu schwe⸗ 
den, denn der Vorgänger des jetzt Verstorbenen 
verlor vor mehreren Jahren durch seine eigene 
Ackerwalze das Leben. Beide Buürgermeister standen 
in den 40er Jahren. 
— Speyer, 21. April Im Laufe der kom⸗ 
menden Monate Mai und Juni wird Herr Bischot 
o. Ehrrler in den Dekanaten Speyer, Frankenthal 
Neustadt und Landau firmen und zwar: Dekanat 
Zpeyer: 1. Dudenhofen, 2. Schifferstadt, 3. Hoch 
dorf, 4. Mundenheim, 5. Ludwigshafen. Dekanai 
Frankenthal: 1. Lambsheim, 2. Roxheim, 3. Dirm⸗ 
dein, 4. Grünstadt, 5. Hettenleidelheim. Delana 
Reustadt: 1. Dürkheim, 2. Forst, 3. Königsbach 
4. Weidenthal, 5. Duttweiler. Dekanat Landau 
1. Maikammer, 2. Venningen, 3. Hainfeld, 4. 
Burrweiler, 5. Arzheim, 6. Landau, 7. Herrxheim; 
außerdem noch die Städte Kaiserslautern und St. 
Ingbert. 
Bermischtes. 
fF Gersweiler, 22. April. In dem eine 
riertel Stunde von hier gelegenen lothringischen 
Orte Schönecken ist der Keuchhusten, der sogenannte 
„blaue“ Husten epidemisch aufgetreien, so daß mit 
Beginn dieser Woche die Schulen geschlossen werden 
nußten. Von 54 Kindern hatte der Lehrer am 
Schlusse der vorigen Woche deren noch vier und 
die Lehrerin hatte noch sechs von 88 Kindern. E 
ist oft schrecklich anzusehen, wie die armen Kinder 
non dieser Plage zu jeiden haben: manche mälzen