Full text: St. Ingberter Anzeiger

Rechtsanwälte eine recht kostspielige Sache, die einen 
erheblichen Procentsatz der Dividende beansprucht. 
und bei Concursen mitunter dazu führt, daß man 
zur Dedung der Kosten Geld zuzulegen hat. Es 
wird aus diesem Grunde auch vielfach bei kleineren 
Concursen von Vertretung abgesehen und beschränkt 
man sich auf die Anmeldung der Forderung. 
Haufig werden hierdurch Vergleiche vereitelt, welche 
für den Gläubiger von directem und mitunter 
wesentlichem Vortheil, einem sonst redlichen braven 
Mann seine Existenzmittel entziehen und dem Elende 
zuführen, der sich sonst noch anständig hätte er— 
nähren können. 
Nach den vorangegebenen Richtungen bessernd 
einzugreifen, soll eine Aufgabe der Vereine Credit · 
reform werden und geben wir in Nachstehendem 
nur in cursorischer Weise den Weg an, auf dem 
wir glauben, dies erreichen zu können. 
. Die Mitglieder unserer Verbandsvereine 
melden ihrem Vereine diejenigen Forderungen an, 
für welche Zahlungsausstand oder Nachlässe ver— 
iangt worden oder wenn Zahlungseinstellung oder 
Concurs erklärt worden ist. Diese Meldungen 
werden unverzüglich demjenigen Vereine übermittelt 
an dessen Siß l(oder nächster Nähe) der Schuldner 
wohnt. Der Geschäftsführer desselben ist ver— 
pflichtet Vertretungen dieser Art zu übernehmen 
oder eine hierzu geeignete Persönlichkeit aufzustellen. 
2. Der betreffende Vereinsvorstand bildet mit 
dem Geschaftsführer desselben und den auf deren 
Einladung erschienenen Gläubigern oder deren Ver— 
tretung die Verbandsgläubigerbersammlung. Be⸗ 
schlüsse, für welche die Mehrzahl der Anwesenden 
und der vertretenen Forderungsbeträge eintritt, sind 
für alle Betheiligten bindend. 
3. Die Verbandsgläubigerversammlung wählt 
ein Comite oder eine einzelne Persönlichkeit, um 
ihre Beschlüsse den Betheiligten kundzugeben und 
bezw. auszuführen oder auf Antrag Betheiligter 
eine Versammlung einzuberufen. Der Vereinsge 
schäftsführer in auf Verlangen zu dieser Thätigkeit 
verpflichtet. 
4. Jedes der betheiligten Mitglieder begibt 
sich in der betreffenden Angelegenheit aller eigen⸗ 
willigen Verfügung und verpflichtet sich, nur in 
Gemaßheit der Beschlüsse der Verbandsgläubiger⸗ 
hersammlung zu handeln. 
5. Für die Vertretungen durch die Verbands⸗ 
organe wird ein besonderer billig zu bemessender 
Tarif zu vereinbaren sein. 
6.“ Es ist zum Grundsatz zu erheben, daß in 
derartigen Sachen Rechtsstreite auf das geringste 
Maß zurückzuführen sind. Wenn mehrere Rechts- 
streile mit gleicher Grundlage in einer Sache vor⸗ 
sommen, so ist deshalb nur einer dieser Rechts— 
streite gerichtlich durchzuführen, dessen Erfolg für 
die anderen maßgebend ist und an dessen Kosten 
die Betheiligten gemeinsam und pro rata ihrer 
Forderungen Theil nehmen. 
7. Jeder Gläubiger trägt außerdem die durch 
ihn etwa veranlaßten besonderen Kosten. 
Es würde uns sehr erwünscht sein, wenn diese 
Angelegenheit zu eingehender Besprechung in Ihrer 
Zeilung Anlaß gäbe und wären wir für weitere 
Änregungen in dieser Sache sehr dankbar. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
xSt. Ingbert, 19. Januar. Zur inter⸗ 
mistischen Verwesung der durch das Ableben des 
Lehrers Drumm erledigten protestantischen Lehrer⸗ 
stelle dahier wurde durch Verfügung der kgl. Kreis— 
regierung der Schuldienstexspektant Herr Georg 
Dietz aus Kirchheimbolanden berufen. 
— Landstuhl, 16. Januar. Bei der 
zestern in den hiesigen Waldungen des Herrn Geh. 
Kommerzienraths Stum m abgehaltenen Treibjagd 
burden 8 Böde, 66 Hasen und 2 Füchse zur 
Strecke geliefert. 
Dtaiferslautern. In der General⸗ 
versammlung der Alktionäre der Düngerfabrik Kai⸗ 
serslautern wurde für das abgelaufene Geschäftsjahr 
die Vertheilung einer Dividende von 3 pCt. des 
Aktienkapitals — Mk. 4.50 pro Aktie beschlossen 
Bellheim, 185. Januar. Hier kamn der 
jöchst seltene Fall vor, daß ein Mutterschwein (dem 
MRüler Kramer gehöria) 19 Junge warf. 
Vermischtes. 
4 Eine für das prozeßführende Publikum prak⸗ 
tisch sehr wichtige Eutscheidung hat neulich 
das Reichsgericht getroffen. Es hat nämlich den 
Grundsaß ausgesprochen, daß. wenn mehrere Per- 
onen in einem Prozesse klagen oder verklagt werden, 
lalso eine sogenannie Streitgenossenschaft vorliegt) 
und den Prozeß gewinnen, der unterliegende Gegner 
ttets die Kosten der Anwälte aller Gegner tragen 
müsse, und die Streitgenossen daher, auch wenn 
hre Interessen nicht untereinander collidirten, durch ⸗ 
aus nicht gezwungen seien, gemeinsam einen An- 
wvalt zu bestellen oder wenigstens die Bestellung 
»ines solchen zu versuchen. Das Reichsgericht führt 
im Gegensatz zu den meisten Commentatoren der 
Fivilprozeßordnung aus, daß die Wahl eines An⸗ 
valts durchaus Vertrauenssache sei, und daß, wenn 
das Gesetz bezwecke, unter Umständen die Prozeß 
ührenden indirekt zur Auswahl eines anderen An— 
valts zu veranlassen, er dies mit ausdrücklichen 
Worten sagen müsse. Eine soiche Bestimmung für 
den Fall der Streitgenossenschaft fehle aber im Text 
der Civilprozeßordnung ganz und gar. 
F Burbach, 17. Januar. Vor einigen 
Tagen wurde durch die Zeitung die Anwesenheit 
zines Wolfes in hiesiger Gegend gemeldet und 
virklich, Meister Isegrimm fängt bereits an, Unheil 
zu stiften, wie nachstehender Vorfall zeigt. Sitzt 
za vor einigen Tagen Abends eine hiesige Familie 
n traulichem Kreise beisammen, bei welcher Gelegen⸗ 
seit die blutigen Eigenschaften Meister Isegrimms 
esprochen wurden. Eines dringendes Bedürfnisses 
vegen sah das Familienhaupt sich vergezwungen, 
in den Hof zu begeben. Doch kaum öffnet der 
iedere Mann die hintere Hofthür, so sinkt er auch 
chon mit dem fürchterlichen Ruf: „der Wolf, der 
Wolf,“ ohnmächtig zusammen. Als nun die ganze 
Familie auf diesen Schreckensruf nach der Stelle 
ailte, fanden sie den Ohnmächtigen bleich wie die 
Wand, und neben ihm stand zwar nicht der ge— 
ürchtete Wolf, wohl aber sein erst einige Tage 
altes „Kalb“ das auf noch unaufgeklärte Weise 
seinen Weg aus dem Stalle gefunden hatte und 
zas jetzt seinen Eigenthümer mit melancholischen 
Blicken betrachtete und allem Anschein nach, gerade 
iber die Ursache von dessen sonderbarem Gebagzren 
nachdachte. Die Lage klärte sich nun bald auf. 
das Kalb wurde wieder in den Stall gebrach! 
ind das wackere Familienhaupt unter nicht gerade 
chmeichelhaften Bemerkungen bezüglich seiner männ⸗ 
ichen Tapferkeit in den trauten Kreis der Seinen 
urückgeführt, wo er sich in Folge der zärtlichen 
Zemühungen seiner Ehehälfte bald wieder von dem 
zehabten Todesschreck erholte. (M.B. 3.) 
Rittenhofen, 18. Januar. Eine Frau 
von hier, die gestern am Köllerbach mit Waschen 
beschäftigt war, wurde in ihrer Arbeit plößlich 
durch ein ungewöhnliches Plätschern im Bach er⸗ 
chreckt. Sie schaute auf und da sah sie denn, 
wie eine Fischotter sich bemühte, einen etwa 10 
bis 12 pfündigen Hecht zu bemeistern. Auf das 
Schreien der Frau ließ die Otter ihre Beute fahren 
und verschwand. Gleich nachher kam der Hecht 
sodt aufs Wasser und wurde von der Frau ans 
ꝛdand gezogen. Als dieselbe jedoch fand, daß die 
Itter den Kopf soweit weggebissen hatte, warf sie 
hn, in dem Glauben, ein kopfloser Hecht sei nicht 
gJenießbar, wieder in den Bach. (Saarz.) 
Metz. 16. Januar. In Lothringen treten 
die Wölfe heuer in ganzen Rudeln auf. In der 
stähe von Germingen dei Dieuze wurden 6 Wölfe, 
zei Gravelotte 5 eingekreist. Bei Keskastel wurde 
eine ganze Wolfsfamilie gesehen. Bei Amelincourt 
nußte sich ein Fuhrmann mit einem Baumpfahle 
jegen eine Wölfin wehren.“ Warun tritt Meister 
Isegrimm so häufig in Lothringen auf? Der 
Ztraßburger Kalender von Wurst meint in einem 
Aufsatze über die Wolfsjagden in Lothringen, das 
Rkaubthier finde hier fichere Schlupfwinkel. Die 
rothringischen Banden werden auch durch Zuzügler 
auus den französischen Ardennen verstärkt. 
FHeidelberg, 15. Januar. In der letzten 
stacht verschied im hiesigen akademischen Kranken— 
jause ein Student an den Folgen einer Mensur, 
hie derselbe vor mehreren Monaten ausgefochten 
hat. Es wurde ihm durch einen Schlägerhieb die 
-Zchädeldecke verletzt. Derselbe hielt die Verletzung 
ür unbedeutend; nach und nach aber wurde sein 
Zzustand bedenklicher, bis schließlich eine Gehirnent⸗ 
ündung den tödtlichen Ausgang herbeiführte. Der 
Herstorbene war Mitglied des Korps Saro-Borussia. 
F Die Enischädigungsansprüche infolge des 
dugstetter Bahnunfalls sind bis auf zwei 
etzt geregelt. Dem Regierungsrath G. hat die 
Zeneraldirektion der badischen Staatsbahnen keiner⸗ 
lei Angebot gemacht, trotzdem er infolge der Pen— 
ionierung an Stelle von 7200 M. pensionsfähigem 
Gehali nur noch 2806 M. Ruhegehalt erhält 
allein von August 1883 bis September 1884 
durtosten 7869 M. verrechnet hatte. Durch 
nunmehr verkündete Urtheil hat ihm die 1. J 
kammer des Landgerichts in Karlsruhe hiecfürdh 
Mark Kurkosten und vom 1. September i88 
eine lebtägige Rente von jährlich 5800 M., bie 
ährlich voraus zahlbar, zugesprochen. Ob 
Angelegenheit hiermit endgiltig erledigt, fteht 
dahin, da G. auch seit September 1884 jah— 
aoch 3000 M. Kurkosten nachzuweisen sich de 
jalien hak. Die zuerkannte Jahresrente ist 
jöchste Entschädigung, welche bisher auf Ge— 
des Haftpflicht-Gesetzes —von badischen Gerichen 
zuerkannt wurde. 
Frankfurt a. M., 11. Jan. Folg 
rührende Geschichte aus dem Kinderleben weiß 
„Intell.Bl.“ zu erzählen: Eine kleine Schuül— 
iner höheren Lehranstalt wollte ihrem Vater, 
Beburtstage eine unverhoffte Freude bereiten 
ibte heimlich den Festmarsch aus dem „Proph 
ein. Der Geburtstag kam, aber die kleine Kl 
pielerin lag krank im Beit. Es that ihr im He 
veh, dem geliebten Vater die zugedachte FIin 
aicht bereiten zu sollen; leise stand sie aus ih 
Bette auf. kleidete sich halb an und während 
Fltern beim Mittagsmahl saßen, schlich sie sih 
das sogenannte gute Zimmer und intonirte 
Marsch. Die Eltern eilten herzu, der 
auschte entzückt den Tönen, beim letzten 
cchloß er sein Kind in die Arme, drückte es 
derz, und als er es auf den Stuhl zurüche 
hat es einen Seufzer, ein Herzschlag hatte sei 
ungen Leben ein Ende gemacht. 
F Stuttgart, 15. Januar, Socbenn 
hier das Gerücht kolportirt, der Mörder des hies 
Pfandleihers Reinhardt sei in Wien entdeckt wor 
ind als Mithilfe verdächtig ein hier wohnh 
Mechaniker heute verhaftet worden. Wie das 
rücht sagt, soll Zwistigkeit unter „Kollegen“ 
Motiv der Angabe sein. Bestätigung bleibt a 
wvarten. 
F Stuttgart, 16. Januar. Das 
T.“ schreibt: Unsere Postanstalt, welche stets 
trebt ist, den neuesten Erfindungen Rechnung 
ragen und den Wünschen des Publikums in 
Weise gerecht zu werden, hat es unternomn 
das Veloziped der Post dienstbar zu machen. Di 
die Firma Gustav Hummel in der Gewerbeh 
vurde ein neues englisches Gepäcktricicle um 
Preis von 546 Mk. bezogen, welches probew 
in Dienst gestellt werden wird. Gestern Nach— 
ag wurde die Maschine durch die Herren von 
Direktion besichtigt. Zugächst wird ein Brieftt 
m Fahrdienst ausgebildet, welcher sodann 
aächsten Montag ab den unteren Stadttheil 
ährt und, seinen Weg durch die See-, Kriegsbe 
Bahnhof und Wolframstraße nehmend, die Ular 
'aserne und untere Königsstraße passirend, saͤm 
iche an besagter Strecke gelegenen Briefkasten 
seert. Es wird ihm hierbei besonders zu sta 
'ommen, daß er während der Fahrt nicht ab 
teigen braucht, sondern vom Trichcele aus 
Leerung vornehmen kann. 
F Zittau, 14. Januar. Zum Weihnaq 
seste war einer hier lebenden pommerschen Arbei 
amilie von ihren Anberwandten in Pommern 
Schinken eines pommerschen Schweines als Gesch 
zugegangen. Beide Eheleute sind nach entsetzue 
Qualen an der Trichinose gestorben. 
Vam Schwurgericht in Amberg waurde 
52jährige Taglöhner Martin Linsel, welcher ei 
tandenermaßen aus Haß die früher ihm selbst 
yörige Scheune des Söldners Hatzl am 27. — 
uingezündet, wegen Brandstiftung zu 8 Jal 
Zuchthaus und 10jährigem Ehrverlust verurkh 
Des Schwurgericht in Straubing 
den 21jährigen Bauernsohn Niebauer von E— 
ling zu 6 Jahren Zuchthaus verurtheilt, we 
den Müller Knabenbauer, der ihm das Lärme 
dem Kammerfenster seiner Tochter verboten.“ 
zwei Messerstiche getödtet hat. 
Am 14. Januar hatte sich eine Depuh 
des k. b. 6. InfanterieRegiments nach Bei 
degeben, an welchem Tage 25 Jahre verga 
varen, seit die Inhaberschaft des Regiments 
Zönig Wilhelm von Preußen übergegangen 
Folgende Daten aus der Geschichte dieses Regim 
dürsten von allgemeinem Interesse sein. Gegtü 
ist das 6. Infanterie ⸗Regiment 1725 von kKur 
Karl Philipp, doch bestand es damals eig 
aur aus den Cadrez während dir Mannsé