Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
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V 27. 
Dienstag, 9. November 1886. 
A. gahrg. 
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Zur Innunasfrage. 
Der Kampf der Meinungen über Wesen und 
zedeutung der Innungen wogt noch immer unent⸗ 
chieden hin und hier und die Urtheile über den 
Herth der Innungen in unserer heutigen Zeit 
auten je nach dem Standpunkte sehr verschieden. 
die Einen sprechen ihnen alle und jede Berechtig⸗ 
ing ab und meinen, sie paßten zu unserer Gewerbe⸗ 
reiheit wie die Faust auf's Auge, die Andern er—⸗ 
offen alles Heil für die Gesundung unserer un— 
dugbar im Argen liegenden gewerblichen Zustände 
on einer Wiederbelebung der Innungen und wollen 
ietbei der heutigen Zeit möglichst wenige Zuge— 
ändnisse machen. Wir glauben, die Wahrheit 
jegt, wie in so vielen Dingen, auch hier in der 
Nitte. Heutzutage ist allerdings der herrschende 
zug in unserem industriellen und gewerblichen Leben 
uf Wegschaffung aller Schranken gerichtet, die 
gendwie den Einzelnen beengen können, auf Auf—- 
jjung derjenigen Verbände, derjenigen Innungen, 
ie noch zwischen dem Staate und dem Einzelnen 
ehen. Aber dieser Zug ist bis zu einem gewissen 
zrade ein krankhafter, denn was den Kleingewerbe⸗ 
ind Handwerkerstand heute drückt und schädigt, ist 
erade der Umstand, daß zwischen dem Einzelnen 
zewerbetreibenden, Meister u. s. w. — der los⸗ 
elöst von seinen natürlichen Verbindungen, so zu 
agen, nur als ein Atom im Vergleich zum Ganzen 
ristitt — und eben dem großen Ganzen kein 
zindeglied, keine Mittelmacht mehr besteht. Gerade 
u den blühendsten Zeiten des deutschen gewerb⸗ 
ichen Bürgerthumes, in den goldenen Tagen der 
hansa, standen solche Mittelmächte in Gestalt der 
jnnungen verbindend zwischen dem Ganzen und 
em Einzeln und jene wurden hierdurch zugleich 
u einem bedeutsamen Bindegliede zwischen dem 
Ztaate und dem Individuum. 
Freilich, seit jenen längst entschwundenen Tagen 
ind heute haben sich die Zeiten gewaltig geändert 
ind wie im politischen Leben, so haben sich auch 
m gewerblichen Leben die Dinge von Grund aus 
mgestaltet und neue Strömungen und neue Er⸗ 
cheinungen machen sich geltend. Diese neuen 
Strömungen haben aber entschiedenen Fortschritten 
uch zahlreiche Mißstände für die gewerblichen Ver⸗ 
ältnisse im Gefolge gehabt und als eine natürliche 
seaktion erklärt sich daher das Bestreben, die Inn⸗ 
ingen, aus denen früher die hohe Blüthe des deut⸗ 
chen Handwerks entsproßte, wieder mehr zur Gel⸗ 
ung zu hringen. Dieses Bestrebenist an und für sich 
erechtigt und diejenigen, welche prinzipielle Gegner 
esselben sind, stehen da auf einem ziemlich schiefen 
ztandpunkte. Dagegen läßt sich auch nicht ver—⸗ 
ennen, daß die von der entgegengesetzten Seite 
efürwortete Regenerirung der Innungen etwa unter 
nlehnung an die frühere Zunftordnung wiederum 
iber's Ziel hinausschießen würde, dies wäre mit 
em Geiste unserer Zeit undereinbar. Auch das 
Herlangen nach der obligatorischen Wiedereinführung 
ꝛer gewerblichen Korporationen fällt unter den an⸗ 
zedeuteten Gesichtspunkt, während eine nur facu— 
ative Einführung derselben gerade nichts „Reackio— 
naires“ an sich hat. Dieser letzteren steht ja auch 
iach den gegenwärtigen gewerbegesetzlichen Bestim⸗ 
aungen nichts im Wege und es fragt sich nur, 
do die Hebel anzusetzen sind, unmt die faculativen 
mnungen zu in der That zu lebenskräftigen In— 
tutionen zu machen, geeignet, die eigentlichen 
cräger der praktisch reformatorischen Bewegung zur 
sebung unseres Gewerbestandes zu scin. Verschie— 
dene Vorschläge sind da nun schon aufgetaucht, und 
des Langen und Breiten erörtert worden; vor einigen 
Jahren legte man den Schwerpunkt auf die Inn⸗ 
ingsgerichte, auf die Rechtsprechung, die den Inn⸗ 
ingen zuerkannt werden sollte; gegenwärtig wird 
nehr das Lehrlingswesen, seine Leitung und Be— 
rufsichtigung betont und waren bekanntlich in der 
origen Reichstagssession dahin zielende umfassende 
Inträge eingebracht worden, die aber schließlich ein 
tilles Kommissionsbegrähniß fanden. — Nun, es 
teht zu hoffen, daß sich die Anschauung über die 
intwickelung der Innungen im Sinne der modernen 
Jeit, über die ihr zukommenden Aufgaben u. s. w. 
ioch weiter klären und endlich zu einem greifbaren 
Kesultate führen werden, zumal da ja auch die 
deichsregierung dem Innungswesen fortgesetzt leb⸗ 
aftes Interesse entgegenbringt. Kein Freund eines 
esonnenen Forischrittes wird wünschen, daß die 
znnungen wieder im Sinne der früheren Zunft⸗ 
nrichtungen aufleben sollen, deren hervorstehendster 
zug die Beschränkung und theilweise Monopolisirung 
zes wirthschaftlichen Lebens bildete, denn was da— 
nals dem Gedeihen des Handwerkthums zum Segen 
jereichte, würde unter den heutigen Verhältnissen 
in Unding sein. Wohl aber würde sich eine Be⸗ 
ebung der Innungen im wahrhaft liberalen Sinne 
ils von den segensreichsten Folgen für den Hand— 
verker- und Kleingewerbestand erweisen und ihm, 
ꝛa die reformirten Innungen ein mächtiges Element 
noralischer und sachlicher Kräftigung repräsentiren, 
ie seiner würdige Stelle im Staate zurückerkümpfen 
ifen. 
Volitische Uebersicht. 
Ueber die verhältnißmäßig sichere Stellung, in 
velcher sich Deutschland gegenüber den Wech— 
elfällen der orientalischen Wirren befindet, spricht 
ich die Pall-Mall-Gazette folgendermaßen aus: 
„Deuischland, in sich geschlossen, auf allen Punkten 
hewaffnet, im Herzen von Europa, wird, wenn 
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dage wettbewerbungsloser Sicherheit sein. Ein 
stachbar nach dem anderen hat der Versuchung 
nicht zu widerstehen vermocht, von der verbotenen 
Frucht zu essen und leidet darunter. Frankreich, 
JZesterreich und England haben sich freiwillig inva⸗ 
ide gemacht, als sie nach Land außerhélb ihres 
zebietes griffen. England ist bis in die Knie im 
—„chlamm des Nildeltas, Oesterreich hat ein östliches 
Irland in Bosnien, Frankreich ist in Tunis einge⸗ 
lemmt und jetzt scheint Rußland bis an die Brust 
n den serbisch⸗bulgarischen Morast springen zu 
vollen. Deutschland allein — mit Ausnahme von 
ztalien, das der Versuchung, nach Tripolisund Albanien 
u gehen, bis jetzt Wiederstand leistete — hat seine 
rnergie nicht in Eroberungen in der Fremde ver⸗ 
hwendet, feindlichen Nachbarn keine Geißeln ge⸗ 
eben sich in keine gefährdete Lage gesetzt. Es 
leibt mit seiner, vollen Kraft, mit nichts 
on irgend jemand zu fordern oder zu fürchten, 
eine eigenen Geschäfte innerhalb seiner Grenzen 
etreibend und seinen Nachbarn überlassend, wie sie 
Fehler machen und sich aus ihnen ziehen wollen.“ 
Die „N. Pr. Ztg.“ knüpft an die Eventuali—⸗ 
ät einer russischen Besetzung Bulagaariens 
olgende Betrachtungen: 
„Die Besetzung muß einen tieferen Grund haben, 
ind zwar einen solchen, der vor Allem der Pforte 
u denken geben sollte. Von Bulgarien aus, be⸗ 
onders wenn auch Osltrumelien besetzt wird, hat 
der Vormarsch gegen Konstantinopel keine besonderen 
Schwierigkeiten mehr, während gleichzeitig auchSerbien 
zer russischen Machisphäre in einem bis jetzt noch nie 
exreichten Maße nahegerückt wäre. Der Vormarsch 
elbst braucht darum noch gar nicht in Erwägung 
Jjezogen zu sein, ja wir glauben nicht einmal, daß 
res ist. Die bloße Thatsache, daß er nach der 
Zesetzung Bulgariens im Vergleich zu dem gegen—⸗ 
värtigen Stand der Dinge unendlich erleichtert 
väre, müßte genügen, um die Pforte in eine nahezu 
vollständige Abhängigleit von Rußland zu bringen, 
ie Gebote des letzteren am Goldenen Horn aus- 
chlaggebend zu machen, noch mehr als sie es nach 
em Vertrage von Hunlfar Iskelessi (1833) ge— 
vesen sind. Das erste, was Rußland, hieraus 
Nutzen ziehend, verlangen würde, wäre ohne Zweifel 
zer Verzicht auf die Bestimmung des Meerengen⸗ 
»ertrages vom 13. Juli 1841, wonach die Durch⸗ 
ahrt durch den Bosporus und die Dardanellen 
remden Kriegsschiffen nur mit Zustimmung gestattet 
st. Schon mehrfach ist in der russischen Presse 
»er Wunsch laut geworden, auf einer der den Dar⸗ 
anellen nahegelegenen, unter türkischer Herrschaft 
erbliebenen griechischen Inseln festen Fuß zu fassen, 
im daselbst eine Flottenstation anzulegen. Die 
Wiederherstellung der Flotte des schwarzen Meeres,. 
vie sie gegenwärtig mit großem Eifer betrieben 
vird, würde erst dann eine größere Tragweite ge— 
vinnen. So lange Rußland den Bosporus und 
die Dardanellen nicht passiren darf, kann es sich 
dieser Flotte nur in beschränktem Maße bedienen, 
vährend es nach Beseitigung jenes europäischen 
Verbotes in der Lage wäre, im östlichen Theile des 
Mittelmeeres eine erheblichere Rolle zu spielen, ja 
nuch auf die Lösung der egyptischen Frage in dem 
inen oder anderen Sinne einen viel größeren un— 
nittelbaren Einfluß zu üben, als dies gegenwärtig 
er Fall ist. 
„Daß dies in der That die möglichen, ja wahr⸗ 
cheinlichen Folgen einer russischen Besetzung Bul⸗ 
zjariens sein würden, dürfte sich im Ernste kaum 
hestreiten lassen. Und doch sind es nur die ver—⸗ 
zleichsweise ungefährlichsten, die wir hier ins Auge 
assen, weil wir uns nach keiner Seite hin phan⸗ 
astischer Ausmalung der Dinge schuldig machen 
nöchten. Schon das Gesagte genügt offenbar, um 
zie Worte der „Nordd. Allg. Zig.“ zu bekräftigen, 
welche das gegenwärtige Vorgehen des Generals 
bon Kaulbars als „sehr ernst“ bezeichnete; unter 
der Voraussetzung allerdings, daß der General nicht 
eine eigene, sondern die Politik der russischen Re— 
zierung treibe. Nach der inzwischen erfolgten Er— 
flärung des „Offiziellen Reg.-Anzeigers“ kann aber 
niemand bezweifeln, daß Kaulbars allerdings im 
Auftrage der russischen Regierung vorgeht. Mit 
seiner Person haben wir es demnach nun nicht 
mehr zu thun. 
„Wenn sich Europa, obwohl es die Lage als 
jehr „ernst“ ansieht, gleichwohl abwartend verhält, 
und keine Macht Rußland an der Besetzung Bul⸗ 
zariens hindert, so wissen wir ja ungefähr, woran 
das liegt. Die Unmöglichkeit, die beiden Westmächte 
zu einer zielbewußten orientalischen Politik zu 
zringen, läßt eine durchgreifende Aktion in Bul⸗ 
jarien nicht zu. England und Frankreich sind nicht 
zur wegen Egyptens, sondern auch allgemeiner 
olonialpolitischer Interessenkonflikte wegen so in 
gegensätze gerathen, daß sie sich über nichts mehr 
u einigen vermögen, obwohl jede Macht für sich 
ugeben muß, daß ein Vordringen Rußlands ins 
Mittelmeer den Einfluß der dort bisher herrschenden