Full text: St. Ingberter Anzeiger

Englaud. 
London, 28. Juli. Gestern Nacht hat in dem ärmeren Theile 
der Stadt Newcastle ein ernstlicher Tumult staitgefunden, welcher 
mit Widersetzlichkeiten gegen die Polizei begann, die zur Verhaf⸗ 
sung eines Irländers schreiten wollte. Bei dem Angriff auf di 
Polizeimannschaften, erliften acht derselben schwere Verwundungen 
Sechs Tumultuanten wurden zur Haft gebrecht. 
— Am verwichenen Sonnabend flogen sämmtliche Fabrikgekäude 
in der Pulverfabrik der Herren Dixonn und Comp. in Blach 
Beck, 6G Meilen von Ulverssone durch eine Explosion in die Luft; neun 
Arbeiter sanden dabei ihren augenblicklichen Tod. — Einem sta— 
sistischen Berichte zufolge sind im verwichenen Monat Juni 119 
Schiffe, woruter 8 Damp er auf der See untergegangen. Von 
diesen verunglückten Fahrzeugen trugen 47 die britische Flagge, 
20 die amerikanische, 6 die norddeutsche, 6 die französische, * die 
jolländische, 4 die norwegische, 2 die dänische, 2 die schwedische. 
Zelgien, Spanien, Portugal und Rußland waren je durch einen 
Schiffsunfall repräsentirt, und von 24 Schiffen blieben die Natio⸗ 
nalitäten unermittelt. 
Loudon, 31. Juli. In der heutigen Sitzung des Unter⸗ 
zauses erwiderte Lord Stanley auf eine Interpesllation Otways: 
Zufolge ihm zugegangener Nachrichten sei das Gerücht von 
nem französisch-holländisch-belgischen Allianzproject durchaus 
anbegründet. 
London, 31. Juli. Die Morgenblätter bestätigen, daß die 
Zönigin am 5. August von England abreisen und in Cherbourg 
anden, sodann nach mehrstündischem Aufenthalt sich zum Besuch 
»er Kaiserin Eugenie nach Fontainebleau begeben wird. — Meh—⸗ 
rere Zeitungen drücken in ihrer Schlußübersicht über die Thätig⸗ 
eit des Parlaments die Erwartung aus, daß die Liberalen bei 
zen Neuwahlen Sieger bleiben werden. 
Spanien. 
Von gut unterrichteter spanischer Seite erfährt ein Corre⸗ 
pondent der „Kölner Ztg.“ daß Prim wirklich in diesen Tagen 
London verlassen hatte, um sich nach Lissabon zu begeben, daß er 
iber von dort wieder nach der englischen Hauptstadt zurückzekehrt 
ist. In Lissabon, wo das jetzt am Ruder befindliche portugie— 
ische Ministerium aus persönlichen Freunden Prim's zusammen⸗ 
zesetzi ist, hatte der General eine längere Unterredung mit dem 
Herzoge und der Herzogin von Montpensier. Was darüber ver⸗ 
autet, zeigt, daß die Befürchtungen der Königin Christine von 
Spanien über die Prätendentenrolle, welche dem Herzoge von 
Montpensier durch die Ausweisung octroirt worden, schon jetzt zur! 
Wahrheit wurden. Die spanische Emigration wenigstens behauptet, 
zaß Herzog und Herjzogin sich bereit erklärt haben, im Falle des 
zelingens einer aufständischen Unternehmung die Regentschaft zu 
cceptiren, indem sie jedoch vorhielten, officiell noch keinen Antheil 
in den eventuellen Vorbereitungen zu nehmen. 3 
Madrid, 30. Juli. Die Königin hat den Abgeordneten 
ßzogrono abgesandt, um bei Espartero anzufragen, ob er eventuell 
ie Leitung des Ministeriums übernehmen würde. Espartero gab 
ine abschlägige Antwort. Die Regierung glaubt, daß revolutionäre 
inruhen beborstehen. Die Marineofficiere flößen ihr geringes Ver— 
zauen ein. In Valencia wurde eine geheime Druckerei entoeckt, 
pelche das Journal „Estermine“ veröffentlicht. Vier Schriftsetzer 
»urden verhaftet und nach Fernando Po geschickt. 
Amerika. 
Wie aus Newyork berichtet wird, ist in den Vereinigten Staa⸗ 
en die Organisation einer neuen politischen Partei in Ausicht ge— 
nommen, zu dem ausdrücklichen Behufe, um den Oberrichter Chase 
ind den früheren Gesandten in England, Herrn Adams zu Can⸗ 
idaten für die Präsidentschaft zu nominiren. Die Democraten 
angen an zu merken, daß ihre Aussichten auf die Wahl des Er— 
zouverneurs Horatio Seymour hoffaungslos sind. — Aus West 
udien wird berichtet: St. Thomas, 14. Juli. In Lima und 
Fallao ist das gelbe Fieber in stetem Abnehmen begriffen. Herr 
Alcxander de Mahie, ein eminenter belgischer Ingenieur, ist an 
dieser Epidemie gestorben. Aus Furcht vor dem Fieber hat X 
hdie gesammte Bevölkerung von Islay diesen Hafen verlassen. — 
Durch ganz Peru werden in schleunigster Weise Telegraphenver⸗ 
indungen hergerichtet. — Der chilenische Kriegsminister hat dem 
Senat angezeigt, daß Aufträge nach England für Construktion 
ines Monitors gesandt worden sind. — In Ecuador ist das gelbe 
Fieber ausgebrochen; auch in Portoviejo und in Gipijapa herrscht 
ez sehr stark. — In Venezuela ist eine Revolution ausgebrochen, 
Der Präsident, Marschall Falcon hat sich nach Curacao c(hollän⸗ 
zische Westindien) begeben. Caracas ist am 25. Juni. von 
Heneral Manazas eigenommen warden, und Geueral Bruzual ist 
in Puerto Cabello eingedrungen. 
Vermischtes. 
St. Ingbert, 3. August. Bei der geftern zu Kaisers— 
autern abgehaltenen 59jährigen Jubiläums-Feier der pfälzischen 
—XXVIC 
bearüßte Herr Exter aus Neustadt, Vorstand des pfälzischen 
Protestantenvereins die Versammlung. Er bemerlte, daß wenn 
es ihm stets zur Freude gereiche, als Vorstand die Vereins— 
pusammenkünfte zu eröffnen, mit welcher Freude aber thue er die 
heute, bei der Auzahl der Theilneh nenden und der hohen Bedeu⸗ 
tung des Festis. Es seien wie an andern Orten auh bei uns 
schon Versuche zur; Reaction gemacht worden, aber dieselben seien 
zurückgedrängt worden, und zerschellen an der Krast der pfäl⸗ 
zischen Union. Es lag in der Abijicht des protest. Vereins 
in diesem Jahre der Gründung der Union in der hiesigen Stifts⸗ 
kirche ein Denkmal zu setzen, aber die schöne Idee sei auf unver⸗ 
antwortliche Weise hintertriebeu worden. Dagegen hibe aber der 
protest. Verein anstatt eines steinernen Denkmals ein lebendi— 
zes beschlossen, und habe zu einer Stiftung, über welche in der 
nächsten Generaldersammlung entschieden werde, die Summe von 
12,000 fl. bestimmt, die in 1871 auf 15,000 fl. erhöht werde. 
Die“ Festrede hielt Hr. Pfarrer und Landtags-Abgeord⸗ 
neter Gelbert aus Landau, ein geborener Kaiserslauterer. Er 
gedachte in warmen Worten und oft hingerissen von innerer Be— 
wegung der Gründung der pfälzischen Union und wie das da— 
mals von Hrn. Juspektor Gerlach ausgegebene Motto der Liebe 
und Duldung, auch die Loosung des heutigen Tages sei. Wie 
seine theure Vaterstadt, wo der Friede eine Staätte gefunden habe, 
seit 1818 sich kräftig emporgeschwungen habe, so möge sich auch 
die Union kräftigen. 
Manch' Reich gestürzt und mancher Thron 
Die Kirche steht geborgen!“ 
Bei der Feier des 300jährigen Keformationsfestes, da zuckte 
es wie ein elektrischer Funke in alle evangelische Herzen und am 
31. Oktober 1817 traten die pfälzischen Städte und viele Land⸗ 
gemeinde zusammen und fierten ein Versöhnungsmahl und von 
diesem Tage an, datire eigentlich die Union. Als dann am 2. 
Angust 1818 die Union proclamirt wurde, habe Hr. Gerlach 
prophezeit/ die dankbare Nachwelt werde der Unionsgründung Fefte 
feiern und diese Prophezeiung habe sich heute realisirt. An uns 
st es nun, nächst Gott, diesen ehrwürdigen Männern für das von 
ihnen begonnene Werk zu danken. . —X 
Ist aber der 2. August für uns bereits ein herrlicher 
Tag und ein Fingerzeig auf der Bahn des Fortschritts vorzuge⸗ 
hen, so wird auch der schönste Tag der sein, wenn alle Chri- 
sten deutscher Zungen sprechen werden: „Wir alauben All an ei⸗ 
nen Gott!“ — 
Drer Festrede folgte der Vortrag nachstehender Thejen moti⸗ 
virt in gründlichster Weise durch Hrn. Dr. Jalob. — 
Thesen. 
ausgesprochen am 2. August 1868 in Kaiserslautern bei der 
Feier des 50jährigen Jubiläums der pfälzischen protestantischen 
Kirche. 
J. Wir stehen fest und unerschütterlich zu den „Grundsätzen, 
welche unsere Väter bei der kirchlichen Vereinigung vor 50 Jah⸗ 
ren bekannten. Wir sind gleich ihnen uns bewußt, „daß es zum 
inuersten und heiligsten Wesen des Protestantismus gehört, immer⸗ 
fort auf der Bahn wehlgeprüfter Wahrheit und ächt religidser 
Aufklärung mit ungestörter Glaubensfreiheit muthig voranzuschreiten. 
M. Wir gründen gemäß der in 8 3 der Vereinigungsurkunde 
enthaltenen verfassungsmäßigen Bestimmung unsere christliche Glau⸗ 
benslehre allein auf die heilige Schrift und anerkennen außer ihr 
in keiner Weise irgend eine unsere Kirchengesellichaft bindende 
Glaubensvorschrift. 
M. Wir halten es für unerläßlich, daß die immer noch un⸗ 
bollkommene gelöste Gesangbuchfrage nach dem von den Gemein—⸗ 
den kundgegebenen Standpunkte entschieden werde, und müssen 
'eierlichst gegen die vom Consistorum in Speier in Verkennung 
einer Aufgabe und Stellung der bei der königl. Staatsregierung 
efürwortete Verbescheidung des hierher bezüglichen Beschlusses der 
letzten Generalsynode Verwahrung einlegen. 
IV. Wir halten es gleichfallz für unerläßlich, daß an die Stelle 
des Katechismus und der biblischen Geschichte, welche gegenwärtig 
in den Schulen im Gebrauch sind, andere, dem vielfach offenbar⸗ 
ten Glaubensstanddunkt der Gemeinde nud dem Zwecde der religi⸗ 
ösen Erziehung der Kinder vollkommen entsprechende Bücher ein⸗ 
geführt werden. 
V. Ein dauernder Friede in unserer Kirche ist nur denkbar, 
wenn die Kirchenverfassung weiter vervollkommnet, insbesondere 
das Wahlgesetz zu der Diöcesansynode und zu der Generalsynode 
behufs entsprechender Vertretung der Gemeinden verbessert wird. 
So wie bei der Gründung der Unon den Gemeinden die Ent— 
cheidung überlassen worden ist, so muß aud bei der nothwendigen 
Fortbildung und Gesetzgebung der Kirche der Schwerdunkt in den 
Hemeinden gefunden werden.