Full text: St. Ingberter Anzeiger

abfscheuliches enthelte; denn er habe gewußt, daß seine Frau sich 
zarüber aärgern werde, was ihn sehr gefreut habe. 
Der Präsident verlas hierauf ein Telegramm, wonach der 
xeldmarschall⸗ Lieutenant Marenzi in Wien (aus Versehen Giuliani 
Aege nicht kommen wird, fondern in Wien vernommen und 
eine Aussage lediglich übersandt werden soll. 
Der Staatsanwalt hält dies nicht für statthaft; der Verthei⸗ 
ziger hofft, daß auf ein erneutes Telegramm von seiner Seite 
zis morgen FMV. Marenzi doch kommen werde, und stellt das 
Weitere dem Gerichtshof anhein. 
Hierauf verlas der Präsident die drei bekannten Briefe, 
velche der Angeklagte an die Ebergenyi, während sie in München 
var, schrieb. Dieselben sprechen, untermischt mit den überschwüng⸗ 
ichsten Liebesbetheuerungen, aus, wie er voll Angst um seine 
Julie sei und bete, daß sie ihr Ziel glücklich erreiche; — und 
nahnt sie, sie möge sich nicht zu weit Linlassen, sich nicht in Ge— 
ahr stürzen, ertappt zu werden, und fie möge sich ja nicht von 
zer Freundlichkeit dieses Comödianten-Aases nicht erweichen lassen 
ind standhaft bleiben und sie nicht schonen, denn dies Aas sei 
das durchdriebenste Luder in der Welt und dürfe nicht länger 
hnen im Wege stehen. 
Der Präsident fragt, welches Ziel, welches Gelingen, welche 
Befahr er mit diesen Ausdrücen meinte, und der Angeklagte er— 
lart, daß sich diese Worte sämmtlich auf die Gewinnung jener 
documente bezögen, welche den Ehebruch der Mathilde nachweisen 
ollten, und daß unter der Gefahr ein sich zwischen Mathilde und 
zulie etwa entspinnendes Haudgemenge gemeint sei. Die Sielle 
n einem Briefe: „Gib acht, daß Du die Pulver nicht verwechselst,“ 
rlärt der Angeklagte damit, daß die Ebergenyi zweierlei homd⸗ 
dathische Pulver mit sich gehabt habe. n 42* 
Der Präsident hält dem Angklagten vor, daß die Ebergenyi 
ie gravirenden Stellen durch Beziehungen auf ihre Familienver⸗ 
saltnifse zu erklären perfucht habe und dies mit den Aussagen des 
ingeklagten in Widerspruch stehe. 
Graf Chorinsky schweigt. 
Präsident: Nachdem Ihnen diese Briefe in der Vorunter 
achnng vorgelesen waren, haben Sie versprochen, ein Geständniß 
bzulegen; dies ist nicht geschehen. — Was haben Sie zu 
estehen ?· 
Angeklagter; Der Untersuchungsrichter fragte mich, ob ich 
in Geständniß ablegen wolle, und ich antwortete blos Ja. 
Präfident: Die Sache ist etwas anders; im Protocolle heißt 
8: Graf Chorinsky erklarte, er werde sich in einigen Tagen zum 
herhoör melden und ein vollkommenes Gesiändniß ablegen. Und 
m Verhör vom 27. Dez. 1867 erklärte der Angeklagte er wolle 
in reumüthiges Bekenntniß ablegen, und bat, man moͤge ihm nur 
inige Tage Zeit lassen, um Alles gehörig in seinem Geiste zu 
ammeln und zu vrdnen, dann werde er Alles angeben, was 
iuf die Sache und auf seine Schuld hiebei Bezug habe. 
Angeklagter: Das habe er nicht gesagt, das sei ein Irrihum 
Untersuchungsrichters. 
Der Vertheidiger wünscht, der Präsident möge die Geschwor— 
jen darauf aufmerksam machen, daß von den verlesenen Briefen 
ih auch welche in einer Schublade des Angeklagten vorgefunden 
atten, welche gar nicht abgesendet worden seien, und nur ein 
cheil bei der Ebergenyi. 
Der Präsident constatirt, daß diese Briefe nebst der Annonce 
mm Erlangung von Rattengift, und einem Fläschen mit flüssigem 
wankalium in dem Pakete enthalten gewesen seien, welches die 
bergenyi ihrer Magd Kubesch zur Aufbewahrung übergeben habe 
as mit J. C. gesiegelt war und von der Kubesch nur wieder 
n die Ebergenhi zarückgegeben werden sollte, aber zu Gerichts 
»anden kam. Ueber die Erwerbung des Cyankaliums habe die 
bergenyi unter anderm auch angegeben, sie habe einen Photogra⸗ 
chen mit einem Kistchen Chemikalien beschenken wollen, die Ab— 
endung desselben sei aber (zum Angeklagten gewendet), von Ihnen 
us Eifersucht gehindert worden? 
Angeklagter: Ich weiß nichts, weder von einem Cyankalium 
och von einem Geschenke an einen Photographen. 
Präfident: Die Ebergenyi hat in der Voruntersuchung das 
heständniß abgelegt, sie habe der Mathilde Cyankalium in Wein 
egeben (sie hat aber dieses Geständniß wieder zurückgenommen); 
e gestand ferner, dieß auch Ihnen gesagt zu haben, uͤnd daß ihr 
»czu eine andere Person den Anschlag gegeben habe. 
Angeklagter: So eine That haf die Julie nicht gethan, 
uzu ist sie ein zu frommes und religiöses Mädchen. 
Ebenso erklͤrte der Angellagte, daß er von dem Briefe nicht 
me, in der Frohnfeste auf den Namen der Horvath geschrieben, 
dem der Mord dem wirklichen Vorgang enisprechend geschildert 
ear, den die Ebergenhi durch die Tochter einer Miitgefan⸗ 
enen herausgeschickt, von derselben habe abschreiben und dann der 
rau Turneißen zuschicken lassen, welche denselben dem Untersuch⸗ 
aaerichter übergeben sollte, um ihn von der richtigen Spur ab⸗ 
zulenken; — ferner gab er im Widerspruche mit der Ebetgenyi, 
welche die Horvath als ihr ahnlich und klein schilderle, an, sie 
ei groß und der Julie unähnlich; auch leugnete er seine, bei 
em Polizeidirector an den Tag gelegte Beklommenheit 
Prasident: Julie von Ebergenhi ist schuldig erklärt worden 
»es Mordes an der Graͤfin Mathilde v. Chorinskyi, und Sie 
ind beschuldigt der Theilnahme an diesem Verbrechen durch An⸗ 
tiftung und Hilfeleistung; der Anstiftung ¶ dadurch daß sie die 
Bohnung der Ermordeten erkundelen ung den Rath gaben, wie 
)ie Thaf ausgeführt werden solle en 
Augeklagier hefigh: Nein, dJ nicht wahr; ich glaube 
es nicht, nie und nimmermehr, daß Julie das gethan hat; ich 
habe nichts gethan. 
Praäsident: Sie find der Hulfeleistung beschuldigt vurch die 
Beschaffung der Reisepässe, der Mittel zut Reise und durch Ver 
ergen der Gegenstände nach der That. So frage ich Sie nun 
um Schlusse des Verhoͤres, ob Sie —W Behaup· 
ung stehen bleiben woslen, daß Sie an den Ihnen zur Last ge⸗ 
egten Handlungen unschuldig sind F . 
Angeklagter (rasch und entschieden):! VJa 
Der Vertheidiger regt wiederholt an,es möge den Geschwor · 
nen gegenüber bestimmt vom Prasidenten aus gesprochen werden, 
aß einzelne der zuletzt verlesenen Briefe beim Grafen Chorinsky 
zefunden worden seien, worauf der Prasident einfach die Daten 
er Briefe und den Umstand conftatirt, daße fif jn dem hon der 
Nagd dem Gerichte übergebenen Palete enihalten waren. 
(Fortsetzung folgi.J. 
—Vermischtét 
Bom 1. Juli an sind die großh. hessisch NM.o 5 fl.⸗ 
und J fl.Banknoten außer — ꝛ a/ s. 
I Zweibrücdcken, 25. Jum Gesfern Abend nach 
Uhr wurde die öffentliche Disciplinarverhandlung gegen den 
Notar W. von Pirmasens, die 8volle Tage gebauert haite, 
meim hiefigen Bezirksgerichte geschloffen. VDie Staattbehorde hat 
injahrige Suspension benntragt. Das Urtheil wird am 10 Zuli 
rfolgen. 
F Dürheim, 20. Juni. Gestern ist in Freins heim 
in Brautpaar proclamirt worden welches zusammen das ganz 
espectable Alter von 147 Jahren hat, dver Brautigam 
t 74 und die Braut 73 Jahre alt, und“ hat Esterer bereies 
lrenkel* 
f Würzburg, 27. Juni In— verflossener Nacht wurde 
in sogenannter Nachtwandler auf dem Dache eines Hauses in der 
güttnersgasse bemerkt, von den herbeigeeisten Personen vom Dach⸗ 
erabgeholt und gerettet. — Bei den Kanalbauten auf hiefigem 
Rarkte wurden derschiedene merkwürdige Thierknochen und Ge— 
iße aufgefunden. 
Der Stan tsanwalt, der im Cborinskyschen Prozesse fun⸗ 
zirt, Wülfert, ist derselbe, welcher als Student der Lola Montez 
nuf offener Straße seinerzeit eine Ohrfeige gab und damals ver— 
viesen /wurde. —A — 
F Die Gemahlin Bismards hat durch einen Sturz vom 
Stuhle eine Rippe gebrochen. 
Posen, 23. Juni. Vor dem hiesigen Schwurgerichte be⸗ 
jann gestern die Verhandlung gegen den Buchbindermeister Fer⸗ 
inand Wittmann, welcher, wie schon früher mitgetheilt, an⸗ 
‚eklagt ist, vier Frauen, mit denen er im Laufe der Jaͤhre 1869 
is 1866 verheirathet war, ferner ein leiblichss Kind aus der 
ersten Ehe, und ein Stiefkind, welches seine vierte Ehefrau in die 
khe gebracht, durch Beibringung von Arsenik vorsätzlich und mit 
leberlegung getödtet zu haben. Wittman ist am 11. Sept. 1836 
n Coblenz geboren und in Deutsch-Krone erzogen worden. Er 
tablirte sich im November 1859 qls Buchbinder in Wollin und 
jeirathete am 16. November 1860 die Haushälterin seines früheren 
Arbeitgebers, Emilie Maria Gehm. In dieser ersten Ehe find 
»em Angeklagten zwei Söhne geboren worden: Hugo August 
deinrich Johannes, geboren den 4. Nob. 1860, Lomns Fmil Paul 
b. den 1. Sept. 1862. Bald nach der Geburt des zweiten 
dindes, und zwar am 17. Sept. 1862, verstarb die erste Ehefrau 
des Angeklagten und hinterließ ihn und ihre beiden Kinder zu 
hren alleinigen Erben. Am J. Februar 1868 erkrankie das äl⸗ 
este der beiden Kinder, Hugo, und verstarb bereits am 2. Febr. 
1868, indem es den Angeklagten als alleinigen Erben hinterließ. 
Am 15. Juni 1863 verheirathete Wittmann sich zum zweiten 
Male mit der unverehelichten Auguste Charlotte Hoͤhn, Tochter 
es Tischlermeisters Höhn in Deutsch⸗Krone. Diese erkrankte be— 
reits wenige Monate nach der Verheirathung und starb am 22. 
dez. 1863, eine Woche nach Errichtung eines Testaments, durch 
pelches fie ihren Ehemann zum alleinigen Erben ihres für seine 
Zerhältnisse nicht unbedeutende Vermoͤgens ernann hatte. Am 
. Abril 1864 verheirathete er sich zum dritten Male mit der un⸗