Full text: St. Ingberter Anzeiger

seehlen suwerlich mundenden, Getränkes zugesandi. Einige Schlaue 
wollen behaupten, das sei nur „mit Wurst nach der Spedjeite 
geworfen,“ da die Generäle sich doch revanchiren müßten und ein 
Faß feurigen Spaniers nicht ausbleiben könne.“ 
rF Fürth, im Oct. Einen eigenthümlichen Akt von Bosheit 
hat ein Einwohner von Hammelbach ausgeübt, um an einem 
langjährigen Feinde Revanche zu nehmen. Nächtlicher Weise schlug 
er die Fenster zu dem im Erdgeschoß befindlichen Schlafgemach 
seines Widersachers ein und richtete sein geladenes Gewehr minu— 
jenlang auf das durch den Spektakel vom Schlummer erwachte 
Ehepaar und drohte mit Erschießen. Nachdam er so das Paar 
einige Zeit furchtbar geängftigt, schoß er sein Gewehr jedoch über 
das Bett weg ab, so daß die eingeleitete Untersuchung, wie ver⸗ 
lautet, nicht auf Mordversuch, sondern nur auf Eigenthumsbe— 
schädigung gerichtet sein joll. Eine Verlezung von Personen hat 
nicht stattgefunden. 
In Neustadt (hess. Odenwald) wurden am Versöhnungs⸗ 
tage auf 4 aus der Synagoge kommenden Judenfrauen Schüsse 
abgefeuert; die eine derselbe wurde verwundet. 
Bingen, 20. Oct. Eine schauderhafte Mordihat hält die 
Bewohner unserer Stadt und Umgegend in schmerzlicher Aufregung. 
Heute früh fand man den wegen seines leutseligen, graden und 
diederen Characters allgemein beliebten ledigen Jakbob Diehl, 30 
Jahre alt, Sohn der verwittweten Besitzerin des Gasthauses zur 
„Stadt Kreuznach‘, an der Drususbrücke, unten am ersten 
Pfeiler dieser Brücke diesseits der Nahe todt. Die ärztliche Unter⸗ 
juchung hat conftatirt, datßz derselbe gewaltsam ums Leben gebracht 
worden ist. Bei dem Leichname fand man eine zweite, fremde 
Mütze. Die Untersuchung ist im Gange. J 
x Vor der Strafkammer in Frankfurt a. M. fanden 
am 20. October die Verhandlungen gegen einen Schwindler statt, 
welche auch in weiteren Kreisen Interesse bieten dürften: Ein 
gewisser Borle, genannt Burgthal, aus Wien, 68 Jahre alt, ist 
nach Ausweis der Acten im Zuchthaus ergraut. In seiner 14 
jahrigen Militärdienstzeit wurde er nicht weniger als 56 Mal 
wegen Diebstahl, Betrug und Desertion bestraft. Nachdem er 
eine mehrjährige Festungsstrafe, wobei er in Eisen geschmiedet war, 
derbüßt hatte, ergriff er den Wanderstab und machle nun mit den 
derschiedensten dentschen und außerdeutschen Gefängnissen, zuletzt 
wegen Schriftfälschung mit dem Darmstädtischen Zuchthaus Marien⸗ 
schloß, Bekanutschaft. Am 10. Mai l. J. aus demselben ent 
lassen, wandte er sich sofort nach Frankfurt und logirte sich unter 
der Vorspiegelung, er sei ein Eisenbahndirector aus Philadelphia, 
im „Landsberg“ ein, lebte daselbst nach Ausweis der Rechnung, 
wie er sagte, zur Hebung seiner gesunkenen Kräfte, sehr fein, so 
daß sich seine Schuld auf 300 fl. beläuft. Zugleich setzte er sich 
mit der Direction der Main-Weserbahn in Verbindung, producirte 
hier falsche Accreditive und gab sich für den General Intendanten 
der Pacific-⸗Eisenbahn aus, Die Direction stellte hierauf dem 
Herrn Burgthal, der nebenbei bemerkt, kein Wort Englisch ver⸗ 
tteht, eine Freilarte aus zur Benutzung sämmtlicher Züge der 
Bahn von hier nach Cassel und zurück 1.Classe; außerdem wurden 
aoch Freikarten für dieselbe Wagenclasse für die badischen und 
einige französische Bahnen, sowie auch ein von ihm gefertigter 
Empfehlungsdrief bei ihm gefunden. In demselben wird er bei 
einem Bergwerksbesitzer eingeführt und dieser ersucht, dem hochge⸗ 
ichätzten General-Intendanten die Geschäftseinrichtung und die 
Maschinen, für die er sich sehr interessire, zu zeigen. Burgthal 
entfernte sich heimlich aus dem „Landsberg“ und suchte nun im 
Hotel Petersburg“ und „Hotel Jansen“ einen ühnlichen Pump 
anzulegen, was ihm jedoch sehlschlug und endlich zu seiner Ver⸗ 
zaflung führte. In Änbetracht der Gemeingefährlichteit des Sub⸗ 
ectes, auf dessen Besserung nicht mehr zu rechnen sei, und geleitet 
don der Erwägung, daß man einen derartigeu Menschen so lange 
als möglich unschädlich machen müsse, erkannte der Gerichtshof 
auf 6 Monate Gefängniß, 100 Thaler Geldbuße, eventuell weitere 
35 Tage Gefängniß, Verlust der Ehrenrechte auf 5 Jahre und 
Landesderweisung. 
t Berent GWestpreußen), 16. Oct. Gexenprozeß.) 
Vor einigen Tagen kam vor der hiesigen Kreiegerichts-⸗Depuiation 
ein Hexenprozeß, welcher in dem Vorfe Jaschhüfe spielte, in öffent⸗ 
licher Sizung zur Verhandlung. Der Sachverhali ist kurz fol⸗ 
gender: Ein Bauer in Jaschhütte bricht bei einer Holzanfuhr 
zin Bein und glaubt in seinem leidenden Zustande sich von einer 
Frau im Dorfe beherxt, die ihm ihren 25. Teufel, Ramens Peter, 
auf den Hals geschickt hätte. Die Hexe wird veranlaßt, in die 
Wohnung des Besessenen zu gehen, und von den dort Anwesenden 
aufgefordert, dem Behexten von ihrem Blute zu trinken zu geben, 
weil dann nur der Teufel Peter den Besessenen verlassen würde. 
Auf Zureden erbietet sich die herbeigeeilte Frau, in der Art den 
Unglücklichen zu retien, daß sie fich mit einer Nadel die Haut eines 
jrer Arme aunfritzen will, um Blut zu erhalten. Allein da dieses 
doch kein nalürliches nach Ansicht der Anwesenden wäre, wird sie 
von zweien der Anwesenden gezwungen, durch Faustschläge sich das 
retiende Blut aus der Nase entlocken zu iassen. Der Versuch 
chlägt jedoch fehl. Es wird an ein anderes Mitiel gedacht. Der 
eine der Thäter begibt sich auf den Hofraum, besudelt seine Hände 
nit Koth, während er gleichzeitig drei Kreuze in dieselben damit 
nacht. Neue Faustschläge an die Nase mit den gesegneten Händen 
hatten den erwünschten Erfolg. Nun wunde die Hexe gezwungen, 
sich über das Bett des Besessenen zu legen und das Blut in dessen 
aufgesperrten Mund fließen zu lassen. Der Teufel schien denn 
auch zu weichen, denn der Besessene konnte bald darauf die Worte 
üußern: „Nu wart mi beeter.“. Vas noch fließende Blut wurde 
dann für etwaige Rückfälle in einer Tasse aufgefangen. Die so 
nemißhandelte, zwar schlichte, aber dem Anscheine nach recht ver— 
cündige und gutmüthige Frau wandte sich an einen hiesigen Arzt 
und beantragte darauf Untersuchung. Die öͤffentliche Verhandlung 
sand, wie gesagt, vor einigen Tagen hier statt. Im Allgemeinen 
konnte man aus den Vernehmungen der beiden der Mißhandlung 
Angeklagten nur auf den krassesten Aberglauben schließen, der sich 
die größte Rohheit als Mittel zum Zwedk wählt. Daß dergleichen 
Fälle von abergläubischen Handlungen, wenn auch in anderer Form, 
in unserer Kassubei sehr oft vorkommen, davon wird sich Jeder 
überzeugen können, der unser volk thümliches Leben kennt. Auf 
den Antrag der Staatsanwaltshaft wurden die beiden Exorzisten 
zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt, der „Besessene“ jedoch 
freigesprochen. 
F. Die Berliner Montagszeitung bringt folgende Miltheilung: 
„Der in Schönheit und Geisi prangenden Nichte des österrei⸗ 
hischen Reichskanzlers v. Beust;, Tochter des gegenwaͤrtigen 
Chefs des österreichischen Bergwesens, welche bisher von einem 
fanatischen Hasse gegen Preußen beseelt war, ist das glückliche 
Malheur passirt, sich auf einer Reise in einen preußischen Officier 
Leidenschaftlich zu verlieben und sich mit ihm, nachdem sowohl 
Vater wie Oheim nach vielem Zaudern endlich ihre Zustimmung 
Jegeben, zu verloben. Erwähnter Officier ist noch dazu bürger⸗ 
licher Herkunft! Viele vornehme Cavaliere Sachsens und Oester 
reichs bewarben sich um die Hand dieser interessanten Dame ver⸗ 
geblich.“ 
Kinen zeitgemäßen Rechtsgrundsatz hat jüngst das Ober⸗ 
ribunal in Berlin, der höchste preußische Gerichtshof, ausgesprochen. 
Er lautet: „Weder das gemeine deutsche, noch das sächsische Necht 
ennt in der Sphäre der Personen niederen Adels Mißheirathen 
»der den Begriff don ungleichen Chen an.“ Nach diesem schynen 
Brundsatz kann also ein armer Junker ein bürgerliches Maͤdchen, 
und wenn es noch so schoͤn und reich ist, heirathen, ohne sich uͤber 
eine Mißheirath Gewissensbisse machen zu müssen und umgekehrt 
cin adeliges Fräulein einen bürgerlichen Krösus nehmen, ebenfalls 
ohne Gewissensbisse. Und zwar um so mehr, da die schonflen 
Grundsätze nicht viel werth sind, wenn man sie nicht ausjahrt. 
T.In der neuesten Modenzeitung find die jungen Damen 
inter die Studenten gegangen; denn sie tragen auf dem aller⸗ 
dordersten Theile des schönen Kopfes balancirende Cerevismutzchen. 
Abgesehen davon, daß man ihnen nicht in die Augen sehen kann, 
hat diese Mode den Vortheil, daß Bruder Studio und Fräulein 
Schwester nur eine Mütze brauchen. 
F, Der Vorstand des deutschen Nechtsschußvereins in London 
rläßt folgende Warnung für die deutsche Handelswelt: Es 
ind dem deutschen Rechtsschutzverein in London seit feinem Be⸗ 
tehen so zahlreiche Fälle aus Deutschland zugegangen, in welchen 
deutsche Geschaͤftsleute auf schamlose Weise betrogen worden sind, 
aß er denselben einen Dienst zu erweisen glaubt, wenn er eine 
ffentliche hierauf bezügliche Warnung ergehen läßt. Anzeigen 
'n deutschen Blättern, welche von London aus Darlehen und 
Beldvorschüsse auf Waaren anbieten; Briefe aus England, welche 
die Aukunft von Paketen u. s. w. und die Bereitpillig'eit zuͤr 
lebermittelung derselben gegen Zusendung der darauf haftenden 
Kosten mittheilen, und Anerbieten zur Einleitung von Geschäften, 
velche Seitens deutscher Kaufleute und Fabrikanten eine Eredit⸗ 
gewährung bedingen, sollten jederzeit unberücksichtigt gelassen werden, 
his durch genaue Auskunftseinholung bei Freunden oder bei dent 
Mechtsschuzverein Gewißheit über die Respektabilität der Betref— 
enden erlangt worden ist. In Fällen absichtlichen Betruges er⸗ 
veisen sich hier nachträgliche Reklamationen, oder auch gerichtliche 
—A— 
Borstand des deutschen Rechisschutzvereins.“ 
In Neapel starb am 8. d. der in den Annalen des 
Ballets besibekannte 78jährige Salvatore Taglionie. 
Auf dem Ontario⸗See ist am 5. Oct. der Dampfer „Per- 
eberance“ verbrannt; vierzehn Personen, einschließlich den 
kapitän, damen theils in den Flammen, theils in den Flu— 
hen um.