Full text: St. Ingberter Anzeiger

stonstantinopel, 29. Mai. (Verschwörung.) Hier 
wurde eine Verschwöͤrung enideckt, deren Zweck die Absezung der 
Dynastie Osmann war. Es haben zahlreiche Verhaftungen statt 
gefunden und wurde ein großes Waffendepot aufgefunden. Viele 
Jungtürken sind in dolge dieser Enldeckung geflohen. — 
Petersburg, 80. Mai. Großfürst Wladimir ist 
gestern zur Donauarmee abgereisst. Demnächst begibt sich auch 
Prinz Sergei Maximilianowitsch ins Hauptquartier. Die Konstan⸗ 
linopeler Nachricht über die Wiederbe setzung Ardahans durch die 
Türken ist unwahr. 
Rermischtes. 
3weibrücken, 28. Mai. (Zuchtpolg. Verh.). Ver⸗ 
handlung gegen Elisabeth Scherer, 42 Jahre alt, ledige 
Diensimagd aus Höhmühlbach, Kantons Permasens, wegcen mehr⸗ 
facher Betrugshandlungen. 
Die Beschuldigte, eine untersetzie, fette podeunarbige Weibs⸗ 
person, wurde im Jahre 1860 wegen Prellerei zu 9 Monaten 
Gefängniß, im Jahre 1865 wegen fahrlässiger Tödtung ihres neu— 
geborenen Kindes zu 3 Jahren Gefängniß und im Jahre 1869 
wegen Diebstahls zu 14 Tagen Gefängriß verurtheilt. Ihr Ruf 
ist demnach ein getrübter. In der Woche nach Pfingsten vorigen 
Jahres traf der Portier am Bahnhofe zu St. Ingbert, Peter 
Schmidt, 34 Jahre alt, die Beschuldigte auf dem Perron des ge⸗ 
nannten Bahnhofes. Dieselbe war lurz vorhec aus ihrem Dienste 
dei Gäriner Jakob Schäfer in Zweibrücken ausgetreten und haite 
einen andern Dienst in St. Ingbert augenommen. Da sie aber 
hier zu spät eintraf, so hatte sich die betreffende Herrschaft bereits 
tine andere Magd genommen und wollie sie deshalb wieder nach 
Zweibrücken zurückkehren, weshalb sie sich an den Bahnhof in St. 
Ingbert zurückverfügte. Als Portier Schmidt hier aus ihrem Munde 
das Vorstehende erfuhr, dingte er fie als Magd, da er eine kranke 
Frau und jfünf kleine Kinder hatte. In August darauf starb seine 
Frau und behielt er nun die Beschuldigte als Haushälterin bei 
sich. Schon während der Krankheit der Ehefrau Schmidt sprach 
die Beschuldigte oöftet davon, daß sie Geld ausstehen habe und 
dabon kommen lassen wolle, damit die kranke Frau in ein Bad 
gehen könne und wieder ganz gesund werde. Später, nachdem die 
Frau gestorben, erzählle sie dem Portier, sie habe früher von einem 
Manne, mit dem sie in intimen, von Folgen hegleiteten Beziehungen 
gestanden, 385 fl. belommen und dieses Geld, das inzwischen auf 
1824 fl. angewachsen jei, in Mittelbrunn durch den dorligen 
Bürgermeister an einen Ackersmann ausleihen lassen; der Bürger— 
meister selbst sei Bürge für das Geld. Zuzleich machte sie dem 
Portier das Anerbieten, sie wolle ihrem Schuldaer das Copital 
kündigen und ihm selbst Geld leihen, da ihm die Krankheit seiner 
Frau viele Kosten verursacht habe. Portier Schmidt war hiermit 
einverstanden. Tags nach diesem Zwiegespräche kam sie vom Mark:e 
nach Hause und gab itrem Diensthertn einen Brief zu lesen, den 
fie soeben von der Poft erhalten haben wollte. In dem Briefe, 
der angeblich von einer in Kaiserslautern wohnenden Schw'ester 
der Beschuldigten herrührte, stand zu lesen, duß diese mit ihrem 
Ehemanne nach Speter gereist sei, um ihren dort wohnenden Oukel 
den Pfarrer Jakob Scherer, zu besuchen. Einige Tage darnach 
brachie die Beschuldigte ihrem Diensthetrn einen weiteren Briej 
bon der „Schwester“, worin diese mittheilte, daß sie m't ihrem 
Manne den „Onkel“ in's Bad nach Wiesbaden begleitet habe. 
Vorher habe der „Onkel“ zur Bestreitung der Kosten aus seinem 
Vermögen 5000 fl. erhoben. In einem bald folgenden Brief war 
der „Onkel“ im Bade selig verstorben, und zwar mit Zurücklessung 
eines Vermögens von 85,000 fl. Ervbberechtigt hieran war, wie 
die Schwester schrieb, sie selbst, dann die heutige Beschuldigte urd 
eine Stieffchwester der Beiden, die angeblich in Contwig wohnte. 
Dies galt jedoch nur von dem baaren Gelde, wie in dem Briefe 
weiter stand; von dem Mobiliarvermögen sollte die „St'efschwester“ 
Nichts bekommer, dies sollte vielmehr zu gleichen Theilen den beiden 
rechten Schwestern zufallen. Dies Alles war, wie in dem Vriefe 
stand, „notariell gemacht'. Zugleich dersprach die Schwester, nach 
St. Inabert zum Besuche zu kommen, sobald sie einer Pflicht der 
Dankbarkeit durch eine Reise nach München mit ihrem Manne zur 
Bestellung eines Grabsteines genügt hätte. 
Die „Schwester“ war inzwischen glücklich in München an— 
gekommen, allein dori passirte ihrem Ehemanne, wee sie schrieb, 
ein Unfall, indem er durch einen Sturz von der G sthoftreppe sich 
so schwer verletzte, daß er in einem weiter folgenden Briefe bereits 
gestorben war, zum Glucke nicht, ohne der Schwester „Alles ver⸗ 
schrieben zu haben.“ Letztere schrieb zugleich, sie werde nach Be⸗ 
uirdigung ihres Mannes nach St. Ingbert kommen und dort bei 
der Beschuldigten und ihrem Dienstherrn, dem Port'er, bleiben. 
Alles, was sie besiße, solle dunn diesen Beiden so gut gehören, wie 
ihr selbst. Rach nun weiter folgenden Briefen haite fich die Schwestet 
genöthigt gesehen, zur Heilung eines plötlich aufgetreienen Fußübels 
sich nach Bayreuth zu begeben, wo sie sich bei dem Landrichter ein⸗ 
logirte. Hier erschien eines Tages ein gewisser Fingerhut bei ihr, 
ein Anverwandker der verstorbenen Ehefrau des Pfarrers und Etb 
ynkels Scherer aus Speier, der von dessen Nachlaß 14,000 fl. 
zeanspruchte und zum Beweise einen Akt, gefertigt durch einen 
Tölner Notar, producirte, den aber die Schwester nicht anerkannte, 
weshalb es Prozeß gab. Dabei stellte sich nun beraus, daß Finger— 
hut, dieser abscheuliche Mensch, den Akt gefälscht hatte, wofür aber 
die gerechte Strafe nicht ausblieb, denn er wurde sosort vor die 
„Assisen“ in Bayreuth gestellt. Bei der Verhandlung felbst konnte 
aber die Schwester nicht zugegen sein, da sie inzwischen wegen ihres 
Fußübels aach Bamberg gereist und ihr dort der Fuß abzenommen 
worden war. Der „Herr Staatsprokurator“ hatte ihr aber dahin 
telegraphirt, daß der böse Fingerhut sieben Jahre bekommen habe. 
Nachdem nun so angeblich der Erbschlei her Fingerhut seinen 
dohn einpfangen hatte und der bedrohte Theil der Erbschaft auf 
diese Weise glücklich gerettet war, schrieb Portier Schmidt einen 
Brief au die „reiche Schwester“ und gab ihn unter der Adresse 
des k. Landrichters in Bayreuth zur Post. Als er hierauf keiue 
Antwort erhielt und Dies seiner Haushälterin mittheilte, brachte 
hm diese bald darnach einen Brief, von der „Schwester“,, worin 
ziese bat, nicht mehr unter der Adresse des k. Landrichters an sie 
uu schreiben, da sfie wegen allzu hohen Kostgeldes nicht mehr bei 
ziesem wohne und jetzt in Bamberg sich aufhalte. Die Beschuldigte 
reredete run den Portier, mit ihr nach Bamberg ju fahren und 
die Schwester selbst aufzusuchen, da diese ju mögnlicher Weise in 
Folge der Operalivn sterben könne. Der Portier, dem Dies gut 
erschien, nahm sich einige Tage Urlauß — es war Dies Anfangs 
November 1876 — und ttat mit seiner Huushälterin die Reise 
zach Bamberg an. Daselbst angekommen, erkund'gte er sich auf 
dem Polizeiamte, im Spital und bei verschiedenen Aerzten nach 
der Schwester seiner Haushälterin, welche angeblich Maria Elisa- 
zethar Scherer hieß, konnte aber nirgends über dieselbe etwas er⸗ 
ahren. Die Beschuldigte erklürte ihm nun, Das sehe ihrer Schwefler 
zleich, sie bdleibe nie lange auf einem Plate, vielleicht sei fie aber 
zuch von einem Arzte verheimlicht worden, da sie so sehr reich sei, 
»der wohne in e'nem Privathause. Der Portier wollte nun sofort 
nach Bayreuth fahren, um dort weitere Erkundigu⸗gen einzutziehez, 
alleinedie Beschuldigte wollte davon Nichts wessen, und so fuhren 
Beide nach St. Ingbert zurück. Der Portier reiste aber bald 
arnach alltin nach Bayreuth und zog dort Erkundigungen ein. Der 
.Landrichter erklärte ihm, daß niemals eine Frauensperson, Namess 
S„cherer, dei ihm gewohnt habe und daß er den seinerzeitigen Brief 
es Portier an den Stadtmagisttat abgegeben habe, der aber eben 
o wenig wie er selbst, von der fraglichen Frauensperson Etwas 
visse. Auf der betreffenden Gerichtskanzlei, wohin sich der Portiet 
runmehr verfügte, um über den eist vor Karzem mit sieben Jahren 
destraflten Urkundenfälscher Fingerhat Aufschluß zu erhalten, wurde 
hm das betreffende Veszeichnß der leßzten Schwurgerichtsfälle vor⸗ 
zelesen und seibst zu lesen gegeben, woraus er ersah. daß ein Indi⸗ 
oduum Namens Fingerhut überhaupt nicht vor Gericht gestanden 
diel weniger eine Bestrafung erlitten hatte. Der betreffende Be⸗ 
aate sprach dem Portier hegenüber, der Dies gar nicht begreifen 
'ounte, de Vermuthung aus, daß die Schwefier se ner Haushälterin, 
auf deren Briefe er sich berufe, sich wohl in der Bezeichnung des 
Berichts geirtt haben müsse. Kurzum, Portier Schmidt mußte 
aunverrich'eter Dinge die Heimreise antreten. De Beschuldigte, der 
er jetzt Vorwürfe wegen den vergeblichen Reisen machte, berief sich 
auf die Briefe, indem sie sagte, diese seien doch da und ihre Schwester 
schreibe keine Unwahrbeit; Schmidt werde erstaunen, wenn er sie 
iehe, was Das für ein We'bsbild sei. (Fortsetzung folgt.) 
fVom Lande. Die Rohheit und Verw'ilderung greift 
imner mehr um sich! In der Nacht vom 27. auf den 28. d. M. 
wurde dem protest intischen Lehrer in Duttweiler der von ihm sohr 
chön angelegte Schulgarten fast ganz demolirt, die Blum nbeete mit 
einer Hacke zersiört und die junge Pflanzung arg verwüstet. Die 
Gemeinde läßt auf ihre Kosten dem Lehrer den Garten wiedether⸗ 
stellen. 
In Bergzabern verurtzeilte das Polizeigericht einen 
Mann aus Mühlhosen wegn Einfangens einer Nahtigall zu 20 
Mk. Geldbuße. 
Aus Frankenthal, meldet die „Rhpf.,: Ein neuer 
Industriezweig ist hier aufgetaucht. Seit wenigen Tagen ist an 
hiesigem Platze ein neues Etablissement im Betriebe, das mit zu 
den interssantesten hier gezählt werden darf. Das neue Geschäft 
defaßt sich mit der Herstellung von Uhrgläsern mittelst Maschinen. 
Der Gründer des Geschäftes, gleichzeitig Erfiander der bei dieser 
Fabrikaon in Anwendung kommenden Maschinen, Herr Spanier, 
Mechaniker se'nes Faches war seit seinem Hiersein mit der Construk⸗ 
ion der Hilfsmaschinen beschäftigt. Derseibe war ftüher in einem 
Etablissement in Lothringen, wo die Uhrengläser⸗Fabrilation jedoch 
nur per Hand betrieben wird, thätig. Bezüglich seiner Erfindung 
wurden Herrn Spanier früher und jetzt noch schöne Anetbieten ge⸗ 
nacht, nachdem die Sache jedoch so weit gediehen, gedenll derselbe